Bauwerk
Erweiterungsbau der Provinzverwaltung
Cruz y Ortiz - Sevilla (E) - 1998
Andalusischer Minimalismus
Sevilla erlebte dank der Expo einen architektonischen Aufbruch. Wer damals orakelte, auf den Boom werde Katerstimmung folgen, dem widersprechen heute zumindest die architektonischen Tatsachen.
1. Februar 1999 - Roman Hollenstein
Sevilla erlebte dank der Expo einen architektonischen Aufbruch. Neben Ausstellungsbauten auf der Cartuja-Insel wurden für 1992 die Oper, der Flughafen und der Bahnhof neu gebaut. Wer damals orakelte, auf den Boom werde Katerstimmung folgen, dem widersprechen heute zumindest die architektonischen Tatsachen: Eine Rückbesinnung auf das baukünstlerische Erbe führte zu vorbildlichen Eingriffen ins historische Stadtgefüge, die eine Verbesserung der Wohnsituation, aber auch bedeutende Verwaltungsbauten für die Regierungen der seit 1982 autonomen Region Andalusien und der Provinz Sevilla brachten. Die neugeschaffenen Ämter fanden meist in transformierten Baudenkmälern eine Bleibe. Als besonders gute Umnutzungen dürfen dabei das von González Cordón in eine maurisch inspirierte Fabrik eingefügte Landwirtschaftsamt und der Sitz der Provinzverwaltung gelten, den Antonio Cruz und Antonio Ortiz in der palastartigen Hofanlage einer spätbarocken Militärkaserne unterbrachten.
Die beiden 50jährigen Sevillaner hatten 1976 erstmals mit einem genial in die enge Altstadt integrierten Patiohaus auf sich aufmerksam gemacht. Von ihrer Einfühlung in die Stadt und deren Baukunst zeugte eine Dekade später die heitere Umgestaltung einer Bastion in Cádiz. Der Anbau an das gründerzeitliche Rathaus von Ceuta in Form eines reduzierten Fünfzigerjahre-Modernismus und die Transformation eines sevillanischen Stadtpalastes für das Kulturamt veranschaulichten dann jenen Schritt von der kontextuellen Poesie hin zur kühlen Abstraktion, die in der Erweiterung der denkmalgeschützten Kaserne für die Provinzverwaltung ihren Höhepunkt erreichte.
Dem Altbau gaben sie die Farbigkeit von einst zurück, richteten in seinen Sälen Grossraumbüros ein und ergänzten ihn um eine minimalistische Hofanlage, die gleichermassen als abstrakt-rationalistische wie modernistisch-asymmetrische Antwort auf den bestehenden Palast gelesen werden kann. Dabei negiert die L-förmige Erweiterung zwar im Plan die Symmetrieachse, respektiert aber dennoch Massstab und Volumetrie der ehemaligen Kaserne. Eine Enfilade von Laubbäumen bildet die optische Zäsur zwischen einst und jetzt, während ein massiver Lamellenzaun die Neuanlage nach Süden schliesst und so eine zeitgemässe Version des klassischen Orangenhofs entstehen lässt.
Nach dem Eintritt in den neuen Patio erreicht man - vorbei an einer in den Längstrakt eingekerbten Arkade - geradewegs den riesigen, leicht konstruktivistisch angehauchten Portikus. Dieser einladende, kaum monumental wirkende «Innenraum des Aussenraums», der sich im warmen Klima Andalusiens ideal für Empfänge eignet, bildet das Scharnier zwischen den beiden rechtwinklig zueinander gestellten drei- und viergeschossigen Bauteilen. Aus diesem Hohlraum, den die Architekten nicht ganz zu Unrecht «Atrium» nennen, obwohl er sich zur Seite hin statt nach oben öffnet, gelangt man in das demokratisch behandelte Gebäudeinnere: Die beiden Foyers sind kaum mehr als breite Korridore, und selbst der Versammlungssaal im Parterre des viergeschossigen Traktes ist nicht höher als das Café oder als die darüberliegenden Einzel- und Grossraumbüros der Parteien und Gewerkschaften.
Das Hauptinteresse von Cruz & Ortiz galt den Baukörpern und den dazwischenliegenden Freiräumen, deren kompositorische und soziale Aspekte sie seit ihrem ersten Patiohaus faszinieren. Da das Innere eines Verwaltungsgebäudes der gestalterischen Phantasie Grenzen setzt, lebten sie diese am Aussenbau aus. Die rational komponierten Hoffassaden scheinen die strenge Geometrie der Gartenarchitektur zu reflektieren: Grün schimmernde Quarzitmauern rahmen zwei schwebende Curtain walls aus bläulich eingefärbtem Glas und Aluminiumprofilen, die eine Ikone der fünfziger Jahre zitieren: das Lever House von SOM in New York.
Beziehen sich diese Curtain walls auf den Arkadenhof der Kaserne, so spiegeln sich die starren äusseren Fensterachsen des alten Teils in den hermetischen Strassenfassaden des Neubaus, die mit ihren vertikalen Fensterbändern einem übergeordneten Kompositionsschema gehorchen und dadurch die wahre Höhe des Gebäudes verschleiern. Eine der Quellen dieser unterkühlten Flächigkeit ist zweifellos das 1972 von Josep Coderch errichtete Institut Français in Barcelona. Das Spiel der positiven und negativen Volumen sowie die sicheren Proportionen hingegen verweisen auf Alejandro de la Sotas Justizpalast in Gerona. Wie diese grossen Vorbilder suchen auch Cruz & Ortiz mit ihrer - trotz funktionalistischen und rationalistischen Akzenten - neutralen Sprache nach neuen Möglichkeiten einer in der Moderne wurzelnden Architektur.
Eine Antwort ist dieses Gebäude, das sich als «un complemento mudo y elegante» - eine stumme und elegante Ergänzung - des alten Baudenkmals versteht; eine andere ist ihr fast vollendeter Neubau der andalusischen Bibliotheksverwaltung, in dem das südländische Raumgefühl von de la Sotas Universitätsgebäude im Osten von Sevilla weiterlebt.
Die beiden 50jährigen Sevillaner hatten 1976 erstmals mit einem genial in die enge Altstadt integrierten Patiohaus auf sich aufmerksam gemacht. Von ihrer Einfühlung in die Stadt und deren Baukunst zeugte eine Dekade später die heitere Umgestaltung einer Bastion in Cádiz. Der Anbau an das gründerzeitliche Rathaus von Ceuta in Form eines reduzierten Fünfzigerjahre-Modernismus und die Transformation eines sevillanischen Stadtpalastes für das Kulturamt veranschaulichten dann jenen Schritt von der kontextuellen Poesie hin zur kühlen Abstraktion, die in der Erweiterung der denkmalgeschützten Kaserne für die Provinzverwaltung ihren Höhepunkt erreichte.
Dem Altbau gaben sie die Farbigkeit von einst zurück, richteten in seinen Sälen Grossraumbüros ein und ergänzten ihn um eine minimalistische Hofanlage, die gleichermassen als abstrakt-rationalistische wie modernistisch-asymmetrische Antwort auf den bestehenden Palast gelesen werden kann. Dabei negiert die L-förmige Erweiterung zwar im Plan die Symmetrieachse, respektiert aber dennoch Massstab und Volumetrie der ehemaligen Kaserne. Eine Enfilade von Laubbäumen bildet die optische Zäsur zwischen einst und jetzt, während ein massiver Lamellenzaun die Neuanlage nach Süden schliesst und so eine zeitgemässe Version des klassischen Orangenhofs entstehen lässt.
Nach dem Eintritt in den neuen Patio erreicht man - vorbei an einer in den Längstrakt eingekerbten Arkade - geradewegs den riesigen, leicht konstruktivistisch angehauchten Portikus. Dieser einladende, kaum monumental wirkende «Innenraum des Aussenraums», der sich im warmen Klima Andalusiens ideal für Empfänge eignet, bildet das Scharnier zwischen den beiden rechtwinklig zueinander gestellten drei- und viergeschossigen Bauteilen. Aus diesem Hohlraum, den die Architekten nicht ganz zu Unrecht «Atrium» nennen, obwohl er sich zur Seite hin statt nach oben öffnet, gelangt man in das demokratisch behandelte Gebäudeinnere: Die beiden Foyers sind kaum mehr als breite Korridore, und selbst der Versammlungssaal im Parterre des viergeschossigen Traktes ist nicht höher als das Café oder als die darüberliegenden Einzel- und Grossraumbüros der Parteien und Gewerkschaften.
Das Hauptinteresse von Cruz & Ortiz galt den Baukörpern und den dazwischenliegenden Freiräumen, deren kompositorische und soziale Aspekte sie seit ihrem ersten Patiohaus faszinieren. Da das Innere eines Verwaltungsgebäudes der gestalterischen Phantasie Grenzen setzt, lebten sie diese am Aussenbau aus. Die rational komponierten Hoffassaden scheinen die strenge Geometrie der Gartenarchitektur zu reflektieren: Grün schimmernde Quarzitmauern rahmen zwei schwebende Curtain walls aus bläulich eingefärbtem Glas und Aluminiumprofilen, die eine Ikone der fünfziger Jahre zitieren: das Lever House von SOM in New York.
Beziehen sich diese Curtain walls auf den Arkadenhof der Kaserne, so spiegeln sich die starren äusseren Fensterachsen des alten Teils in den hermetischen Strassenfassaden des Neubaus, die mit ihren vertikalen Fensterbändern einem übergeordneten Kompositionsschema gehorchen und dadurch die wahre Höhe des Gebäudes verschleiern. Eine der Quellen dieser unterkühlten Flächigkeit ist zweifellos das 1972 von Josep Coderch errichtete Institut Français in Barcelona. Das Spiel der positiven und negativen Volumen sowie die sicheren Proportionen hingegen verweisen auf Alejandro de la Sotas Justizpalast in Gerona. Wie diese grossen Vorbilder suchen auch Cruz & Ortiz mit ihrer - trotz funktionalistischen und rationalistischen Akzenten - neutralen Sprache nach neuen Möglichkeiten einer in der Moderne wurzelnden Architektur.
Eine Antwort ist dieses Gebäude, das sich als «un complemento mudo y elegante» - eine stumme und elegante Ergänzung - des alten Baudenkmals versteht; eine andere ist ihr fast vollendeter Neubau der andalusischen Bibliotheksverwaltung, in dem das südländische Raumgefühl von de la Sotas Universitätsgebäude im Osten von Sevilla weiterlebt.
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom