Bauwerk

Dorfhaus Gleink
HERTL.ARCHITEKTEN - Steyr (A) - 2002
Dorfhaus Gleink, Foto: HERTL.ARCHITEKTEN ZT GmbH
Dorfhaus Gleink, Foto: HERTL.ARCHITEKTEN ZT GmbH
Dorfhaus Gleink, Foto: HERTL.ARCHITEKTEN ZT GmbH

Abstrakte Kubatur am Land

Mit einem kühl-reduzierten Neubau im verschlafenen Ortsteil Gleink zeigten die HERTL.ARCHITEKTEN aus Steyr, wie man dörfliche Hausformen zeitgemäß interpretieren kann. Ein städtebaulich prägnant gesetztes Beispiel moderner Architektur im ländlichen Raum.

5. Juni 2004 - Isabella Marboe
Im Norden von Steyr liegt Gleink, ein Stadtteil von ausgeprägt ruraler Atmosphäre. Knapp 2.550 Menschen leben hier im Schatten des ehemaligen, 1120 gegründeten Benediktinerstifts. Zweigeschossige, einfache Landhäuser säumen in locker durchgrünter Anordnung die Gleinker Haupstr. Sie verläuft etwa ost-westwärts, in sanftem Bogen führt von hier die Friedhofstrasse Richtung Nordosten. Gegenüber vom Klostergarten, mit Blick auf Stiftsgemäuer und Hauptstrasse, waren noch ca. 750 m² Baugrund unbebaut. Die Freifläche riss ein deutliches Loch in die geschlossene Struktur, das die HERTL.ARCHITEKTEN mit der prägnanten Neuinterpretation eines Dorfhauses überzeugend schlossen.

Der Bauherr ist aus Gleink, lebte lang bei seiner Familie und wollte auch im neuen Haus weiterhin nahen Kontakt pflegen können. Für ihn lag der exponierte Grund an der markanten Dorfkreuzung optimal: die Eltern wohnen nebenan im ehemaligen Streckhof mit Garten, der normal zur Haupstr. liegt. Er hatte konventionelle Wohnwünsche: Ziegelbauweise mit Steildach, Garage, Keller und ein auf familiäre Expansion ausgerichtetes Raumprogramm. Die in Steyr ansässigen Architekten haben diese Vorgaben städtebaulich überzeugend in zeitgemäßer Form umgesetzt. Hochpräzise zitiert die Kubatur des neuen Hauses prototypische Merkmale ländlicher Bauformen, ohne sich in geringster Weise anzubiedern.

Als geschlossener, zweistöckiger Baukörper von 8 m x 17,5 m mit integrierter Garage fasst der vertraute Haustyp in kühler Verfremdung den Straßenraum ein. Traufenlos, mit innenliegender Dachentwässerung wirkt er in seiner flächigen Struktur mit der grauen Ziegelsteindeckung wie ein Stück abstrakter Geometrie. Als raumhohe, plane Glasscheiben wurden die Fenster flächig eingeschnitten, auf ihre Funktion als beschattende Vordächer reduziert, kragen brüstungslos zwei fassadengraue Betonscheiben aus den Schmalseiten des Hauses. Balkone braucht es am Land keine, wer Natur will, geht in den Garten.

An der schmalen Südwestfront, wo die Friedhofsstraße in die Hauptstr. mündet, verleiht das Vordach überm durchgehend verglasten Erdgeschoss dem Haus städtisches Format. In feiner Eleganz erweist es seiner zentralen Lage am nahen Kloster und den oft passierenden Prozessionen seine Referenz. Vornehm zeigt es sich auch zur Friedhofsstr., wo je zwei übereinanderliegende Fensterglasflächen in zarten Aluminiumrahmen vertikale Einschnitte bilden. Sie geben der Fassade einen ruhigen Rhythmus und spiegeln großflächig Umgebung und Himmel.

Das Eintreten ist ein Raumerleben der Sonderklasse. Bis zum Dachfirst weitet sich das Innere hier in einem fulminanten Luftraum von 9 m Höhe, zwischen die lapidar gesetzten Flachstahlstufen der Innenstiege flutet Licht, man blickt durch die gartenseitige Glasfront zum elterlichen Altbau. Die Innensicht des raumbildenden Steildachs aus Ytongfertigteilelementen zwischen Stahlrahmen geht als eine Fläche in die Wand über.

Die Gangerschließung der oberen Räume ist als Brücke ausgebildet, wo man wieder den Blick auf Garten oder Stiftsmauer genießt. Das Luftraumgefühl setzt sich am Essplatz fort, man tafelt unter 9 m Firsthöhe, gegenüber ist straßenseitig die Küche, acht Stufen führen hinab in den dreiseitig belichteten Wohnraum hinter der südwestlichen Nurglasfront. Vom erhöhten Essplatz überblickt man das ganze Panorama, der Niveausprung trennt Funktionen, lässt sie aber zu einem großen Raum verschmelzen. Zum elterlichen Grund fällt das Gelände ab, so hat auch der Keller Licht. Kein Zaun trennt die Gärten, die fließend ineinander übergehen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Tragwerksplanung