Bauwerk

Passivhaus Wöginger
Poppe*Prehal - Öhling (A) - 2000
Passivhaus Wöginger, Foto: Dietmar Tollerian
Passivhaus Wöginger, Foto: Dietmar Tollerian

Passivhaus trotz Regelverstoß

Auf der Jagd nach tollen Energiekennzahlen missachten manche Planer architektonische Grundregeln. Poppe*Prehal Architekten versuchen beides zu einem schlüssigen Konzept zu fügen.

10. November 2001 - Franziska Leeb
Ein kompakter Baukörper, optimal wärmegedämmt, nach Süden viel Glas, nach Norden zu, kontrollierte Wohnraumlüftung, Fenster öffnen strengstens verboten: kurzum eine langweilige Kiste mit perfekten Energiewerten. Passivhäuser können auch anders sein, wie ein Haus in der Mostviertler Gemeinde Öhling zeigt.

Das Grundstück für das umweltfreundliche Haus der Familie W. ist nach Westen geneigt, in Nord-Süd-Richtung lang gestreckt, im Westen und Südwesten von Bäumen umgeben. Keine optimalen Bedingungen, um darauf ein Passivhaus zu errichten. Die Architekten Helmut Poppe und Andreas Prehal taten es dennoch, missachteten aber zugunsten der besseren Integration in die sanfte Hügellandschaft die Passivhaus-Hauptregel, die strikte Südausrichtung, von der man allerhöchstens 20 Grad abweichen dürfte.

Schließlich sind die beiden zwar Passivhausspezialisten, aber keine Fundamentalisten. In erster Linie geht es immer noch um Architektur, erst dann kommen Energiekennzahlen, legt Helmut Poppe Wert auf die richtige Hierarchie. Ein schlüssiges Konzept könne nur aus der Kombination einer Vielzahl von Punkten entstehen und nicht aus blinder Befolgung einiger weniger Faustregeln. Und deshalb diktierte die Topographie die Ausrichtung des Hauses und daraus ergab sich eben eine Abweichung um 25 Grad von der idealen Orientierung.

Das in Holzbauweise über einem Betonfertigteil-Keller errichtete Haus erstreckt sich nun also eingeschmiegt in den Hang entlang der Straße. Während sich die Längsseiten eher geschlossen präsentieren, wurde die nun nur ungefähr nach Süden orientierte Schmalseite völlig geöffnet. Hier sind auch sieben Quadratmeter Solarkollektoren in die Fassade integriert, die zu 80 Prozent die Warmwasserbereitung sicherstellen. Der Rest wird elektrisch abgedeckt.

Die kompakte Hülle birgt zwei Dämmbereiche: einerseits die hoch wärmegedämmte Zone, den eigentlichen Passivhausbereich und andererseits den konventionell gedämmten Freizeitbereich sowie völlig ungedämmte Lagerräume und den Autoabstellplatz. Geheizt wird über die kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung und Luftvorwärmung in Erdkollektoren und zusätzlich eine im Lüftungsgerät integrierte Luft-Luft-Wärmepumpe. Einen Winter lang hat man schon Erfahrungen gesammelt, um auszuloten, ob eine „Reserveheizung“ notwendig ist. Resümee: Während zweier kalter Wochen musste mit einem Heizstrahler zusätzlich geheizt werden, noch kein Grund für aufwendige Investitionen.

Im Sommer hingegen sorgen kontrollierte Lüftung und Wärmedämmung für kühles Raumklima, vorausgesetzt, man lässt alle Fenster und Türen möglichst zu. Keine Rede aber davon, dass Fenster gar nicht geöffnet werden dürfen. Denn eines darf nicht sein: dass ökologisches Bauen die Lebensqualität einschränkt. Die sollte ein Passivhaus maximieren - zum Beispiel über die für das körperliche Wohlbefinden höchst zuträglichen gleichmäßigen Oberflächentemperaturen, die bei konventionellen Bauweisen nicht möglich sind.


Kosten

Was die Kosten betrifft, soll laut Poppe ein gescheit geplantes Passivhaus günstiger sein als zum Beispiel ein Niedrigenergiehaus. Man spart sich neben den laufenden Heizkosten die Heizungsanlage, das Brennstofflager und den brandbeständigen Heizraum.

Die grundsätzliche Diskrepanz zwischen Einfamilienhaus (Flächenverbrauch, Zwang zu häufigen Autofahrten) und Passivhaus ist den Architekten wohl bewusst. Weitreichend wirksam sind Passiv- und Niedrigenergiekonzepte erst in größerem Maßstab. Deshalb widmet sich das Büro auch Siedlungskonzepten in Passivhausqualität. Effizienz bei Energieeinsatz und Kosten, Ressourcenschonung und Nutzerfreundlichkeit sollen im Zusammenspiel zu einer Ökologisierung des Siedlungswesens beitragen. Das allein stehende Passivhaus ist nur eine isolierte gute Tat.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Doris Wöginger
Johann Wöginger

Fotografie