Bauwerk

Kleines Café
Hermann Czech - Wien (A) - 1970
Kleines Café, Foto: Hermann Czech
Kleines Café, Foto: Hermann Czech
14. September 2003 - Az W
Das Kleine Café darf stellvertretend für alle Wiener Architekturneurosen angesehen werden: Als kleinste Großbaustelle, an der Hermann Czech einige Male (unterer Teil: 1970; oberer Teil: 1973–1974) bis hin zu den schlussendlich notwendig gewordenen Toiletten (1985) arbeitete, sind hier mehrere zeitliche und gedankliche Schichten vereint, die sich allmählich den Besuchern eröffnen.

Der Innenraum scheint genau dem zu entsprechen, was man erwartet. Mittlerweile eingefärbte Rauchspuren im Gewölbe, ausgetretene Stufen zwischen dem Steh- und dem Sitzcafé, wiederbenutzte Kacheln und Grabplatten im Fußboden, gepolsterte Sofas und Bugholzstühle, niedriggehaltene Beleuchtung, alles in einer unscheinbar ausgeklügelten Komposition von scheinbaren Zufälligkeiten. „Architektur soll nicht belästigen. Der Kaffehausgast muss nichts davon bemerken; es könnte immer so gewesen sein.“ (Hermann Czech). Für die wartenden Gäste, deren unachtsame Blicke plötzlich in die nicht parallel gegenüberstehenden Spiegel fallen, die innerhalb von Rücksprüngen verschieden unterteilter Felder angeordnet sind (drei auf der einen, vier auf der anderen Seite), kann es zu leichten Irritationen kommen, da die Spiegelung keine einfache Symmetrie in sich birgt.

Die Augenhöhen der sitzenden und stehenden Besucher sind dank des vorher existierenden Niveauunterschieds identisch. Dadurch ist die geringere Gewölbehöhe im Sitzcafé im Vergleich zum Stehcafé ausgeglichen; eine gestalterische Entscheidung, die im Nachhinein unscheinbar selbstverständlich wirkt, aber trotzdem getroffen werden musste. Auch die wesentlich später eingebauten Toiletten sind, zusammen mit der neuen Treppenanordnung und den angewinkelten Türen, eine reichlich ausgetüftelte Raumplanung in der Tradition von Adolf Loos. Die Komposition der doppelten Eckwaschbecken mit den dazwischenliegenden Spiegeln gibt, wie im Sitzcafé, wiederum Anlass zu leichten Irritationen. Ohne alle Aspekte des Entwurfs preiszugeben – denn das widerspräche der eigentlichen Einstellung zu einer „Architektur des Hintergrunds“ (Hermann Czech) – ist dennoch auf die Dichte der Entscheidungen hinzuweisen, die in diesem kleinen Raum verwirklicht wurden. Das Banale mag in Czechs Architektur auf den ersten Blick überhaupt nicht auf sich selbst verweisen, den desinteressierten Betrachtern mögen diese Verwirklichungen des Banalen auch gar nicht wichtig erscheinen, vielleicht sehen nur die halbwegs Interessierten auf die indirekten Brüche, die sich, in der Reflektion, dann doch als abgrundtiefe Daseinsfragen der Architektur auftun. Diese „stille Architektur (...) entzieht (...) sich dem raschen Konsum, (sie) ist eine Architektur auf dem zweiten Blick.“ (Text: Dietmar Steiner)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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