Bauwerk
Hochhaus Herrengasse
Theiss & Jaksch - Wien (A) - 1932
Haushoch hinaus
Vormals das erste und lange Zeit das einzige Hochhaus Wiens, wurde das Gebäude in der Herrengasse nun als Handels- und Wohnort wiederentdeckt. Das nussschalengroße Café gewährt einen interessanten Durchblick.
15. Dezember 2012 - Iris Meder
Langsam scheint es wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu sickern: Nicht irgendein gesichtsloser Nachkriegsbau ist es, an dem man auf dem Weg vom Michaelerplatz zum Schottentor vorbeigeht, auch wenn die schwarz verglaste Front an der Herrengasse sich schlicht gibt – es handelt sich vielmehr um das erste Hochhaus Wiens. Während sich auf der linken Seite der Herrengasse nach wie vor barocke und klassizistische Adelspalais reihen, die heute großteils von Ministerien genutzt werden, wurde die rechte Seite der Gasse ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessive neu bebaut, vor allem mit Bankgebäuden. Das ebenfalls von einer Bank errichtete Hochhaus – jahrzehntelang das Hochhaus von Wien – reckt sich freilich nur 15 Stockwerke in den Himmel. Es ist ein als Antithese zum Gemeindebau des Roten Wien 1932 errichteter Prestige-Wohnbau, in dem die mit Kochnischen und Badewannen ausgestatteten Garçonnièren für urbane Alleinstehende attraktiv und auch durchaus leistbar waren. Das Hochhaus-Völkchen setzte sich zu nicht unerheblichen Teilen aus Musikern, Schauspielern, Schriftstellern, Künstlern, Intellektuellen und Freigeistern jeder Art zusammen.
Die zum Hof zurückgetreppten oberen drei Stockwerke nahm ein Terrassencafé mit spektakulärer Aussicht über die Stadt ein. In den Sechzigerjahren wurde es geschlossen und zu Wohnungen umgewandelt. Besucher waren im Haus mit Ausnahme der Arztpraxen eher nicht mehr erwünscht, in den teilweise 1938 arisierten Mietwohnungen zog Normalität ein, die Bewohner wurden im Laufe der Jahrzehnte älter und wohl auch ruhebedürftiger.
Die Wiederentdeckung des von den Architekten Siegfried Theiß und Hans Jaksch in nobel zurückhaltender Eleganz entworfenen Hauses setzte vor circa zehn Jahren im Zusammenhang mit einem allmählichen Generationenwechsel in der Bewohnerschaft ein. Wieder zogen Architekten, Grafiker, Schriftsteller in das Haus. Eine umsichtige Verwaltung achtet auch darauf, dass bei den vielen kleinen Geschäftslokalen hinter der noblen Opalglas-Front an Herrengasse, Fahnengasse und Wallnerstraße eine gewisse Vielfalt gewährleistet bleibt. Die Vermietung eines großen Teils des Postamtes in der Wallnerstraße an eine deutsche Fast-Food-Pizza-Kette war da schon eine Ausnahme – der kleine Gastgarten belebt und bereichert den öffentlichen Raum vor dem Haus im Sommer aber zweifellos.
An der Ecke Herrengasse/Fahnengasse springt das Erdgeschoß des Hochhauses weit zurück und bildet so einen gedeckten Bereich aus, der als einladendes Entrée des Gebäudes fungiert – in den letzten Jahren wiesen Schilder an den verglasten Eingangs-Schwingtüren wohl nicht grundlos darauf hin, dass es sich hier nicht um einen U-Bahn-Eingang handle und dieser sich um die Ecke befinde. An derselben Ecke gibt es auch eine runde verglaste Vitrine vor dem Eingang. Sie umhüllt nicht zuletzt auf elegante Art die beiden Stahl-Doppelstützen, die den Turmteil des Gebäudes tragen. Genutzt wurde die Vitrine als großzügige Auslage, mit fast zu viel Platz für die paar Bücher, die in den Dreißigerjahren eher verloren darin drapiert waren. Die Fünfzigerjahre brachten die Einrichtung einer eher kurzlebigen, aber mit ihrer Jazz-Beschallung todschicken, internationales Flair nach Wien bringenden Espresso-Milchbar nach Entwürfen des Architekten Fritz Euler. In den „Glaskäfig“ kamen nach Aussage der Wirtin damals „nur feine Leute“.
Nun ist in die Vitrine aufs Neue ein nussschalengroßer Gastronomiebetrieb eingezogen. Der Entwurf stammt diesmal vom Büro BEHF. Der planende Architekt Stephan Ferenczy lebt selbst im Hochhaus und hat daher eine besondere Beziehung zum Gebäude und seiner speziellen Charakteristik. In der Gestaltung der neuen Weinbar sind Bezugnahmen auf das „Hochhaus-Espresso“ durchaus festzustellen. Wo in den Fünfzigerjahren wenige kleine Bistrotische an der Glaswand entlang gereiht waren, wurde nun eine mit weichem karamelfarbenem Leder bezogene durchgehende Sitzbank mit tischhoher Ablagefläche installiert. Die auf die Ästhetik der Fünfzigerjahre anspielende amöbenförmige Theke steht auf ihrem gewellten Edelstahlsockel frei im Raum, sodass es kein vorne und hinten gibt und die Bar weder den Passanten auf der Herrengasse noch den aus dem Haus Kommenden eine Rückseite zuwendet. Das Lokal funktioniert so als allseitig einsehbare, betretbare Vitrine seiner selbst, mit mehrstöckigen Stahlregalen voll gereihter Flaschen mit durchscheinendem Inhalt und gewissermaßen im zylindrischen Goldfischglas sitzenden Konsumenten von Kaffee und Wein – auch heute eher „feinen Leuten“. Die Durchsichtigkeit von innen nach außen und umgekehrt und genauso das Gesehenwerden sind im Glaszylinder selbstverständlicher Teil des Konzepts.
Rechts und links des Eingangs an der Ecke Herrengasse/Fahnengasse rahmen den Raum die zwei gestrichenen Stahlträger, auf denen der Turmteil des Hauses ruht. Der Boden ist in robustem anthrazitfarbenem Terrazzo ausgeführt, von der Decke ist über der Bar eine Art Bambusgeflecht abgehängt, das vielleicht schon ein bisschen zu sehr auf die Fünfzigerjahre verweist. Das Personal ist, optisch durchaus als Teil des Ganzen fungierend, in dezentem Grau-Braun-Beige gekleidet, passend zum gut riechenden Leder, das Bar, Sitzbank und Ablagen überzieht und kurz nach der Eröffnung schon einige Rotweinflecken aufweist, aber für würdiges Altern gut gerüstet zu sein scheint. Die haptischen Materialien und die dezente warme Farbgebung wollen jedenfalls gut zum schwarz-weißen Marmor des Hochhaus-Foyers, dem schwarzen Glas der Geschäftsfassaden und den eleganten Nirosta-Profilen der Fensterrahmen passen. Alles in allem versucht die Bar erfolgreich, sich quasi-selbstverständlich in den Bestand einzufügen. Es ist ein wenig, als sei die glamouröse Zeit des Hochhauses zurückgekehrt: Wie in Karl Maria Grimmes euphorischem Text zum Hochhaus-Café „blinken Metallsäulen, gleißen Geländerreifen, schimmern und spiegeln Glaswände“. Tatsächlich kann man spätestens nach dem ersten Achtel kaum glauben, dass es hier nicht immer so ein Lokal gegeben hat.
Die zum Hof zurückgetreppten oberen drei Stockwerke nahm ein Terrassencafé mit spektakulärer Aussicht über die Stadt ein. In den Sechzigerjahren wurde es geschlossen und zu Wohnungen umgewandelt. Besucher waren im Haus mit Ausnahme der Arztpraxen eher nicht mehr erwünscht, in den teilweise 1938 arisierten Mietwohnungen zog Normalität ein, die Bewohner wurden im Laufe der Jahrzehnte älter und wohl auch ruhebedürftiger.
Die Wiederentdeckung des von den Architekten Siegfried Theiß und Hans Jaksch in nobel zurückhaltender Eleganz entworfenen Hauses setzte vor circa zehn Jahren im Zusammenhang mit einem allmählichen Generationenwechsel in der Bewohnerschaft ein. Wieder zogen Architekten, Grafiker, Schriftsteller in das Haus. Eine umsichtige Verwaltung achtet auch darauf, dass bei den vielen kleinen Geschäftslokalen hinter der noblen Opalglas-Front an Herrengasse, Fahnengasse und Wallnerstraße eine gewisse Vielfalt gewährleistet bleibt. Die Vermietung eines großen Teils des Postamtes in der Wallnerstraße an eine deutsche Fast-Food-Pizza-Kette war da schon eine Ausnahme – der kleine Gastgarten belebt und bereichert den öffentlichen Raum vor dem Haus im Sommer aber zweifellos.
An der Ecke Herrengasse/Fahnengasse springt das Erdgeschoß des Hochhauses weit zurück und bildet so einen gedeckten Bereich aus, der als einladendes Entrée des Gebäudes fungiert – in den letzten Jahren wiesen Schilder an den verglasten Eingangs-Schwingtüren wohl nicht grundlos darauf hin, dass es sich hier nicht um einen U-Bahn-Eingang handle und dieser sich um die Ecke befinde. An derselben Ecke gibt es auch eine runde verglaste Vitrine vor dem Eingang. Sie umhüllt nicht zuletzt auf elegante Art die beiden Stahl-Doppelstützen, die den Turmteil des Gebäudes tragen. Genutzt wurde die Vitrine als großzügige Auslage, mit fast zu viel Platz für die paar Bücher, die in den Dreißigerjahren eher verloren darin drapiert waren. Die Fünfzigerjahre brachten die Einrichtung einer eher kurzlebigen, aber mit ihrer Jazz-Beschallung todschicken, internationales Flair nach Wien bringenden Espresso-Milchbar nach Entwürfen des Architekten Fritz Euler. In den „Glaskäfig“ kamen nach Aussage der Wirtin damals „nur feine Leute“.
Nun ist in die Vitrine aufs Neue ein nussschalengroßer Gastronomiebetrieb eingezogen. Der Entwurf stammt diesmal vom Büro BEHF. Der planende Architekt Stephan Ferenczy lebt selbst im Hochhaus und hat daher eine besondere Beziehung zum Gebäude und seiner speziellen Charakteristik. In der Gestaltung der neuen Weinbar sind Bezugnahmen auf das „Hochhaus-Espresso“ durchaus festzustellen. Wo in den Fünfzigerjahren wenige kleine Bistrotische an der Glaswand entlang gereiht waren, wurde nun eine mit weichem karamelfarbenem Leder bezogene durchgehende Sitzbank mit tischhoher Ablagefläche installiert. Die auf die Ästhetik der Fünfzigerjahre anspielende amöbenförmige Theke steht auf ihrem gewellten Edelstahlsockel frei im Raum, sodass es kein vorne und hinten gibt und die Bar weder den Passanten auf der Herrengasse noch den aus dem Haus Kommenden eine Rückseite zuwendet. Das Lokal funktioniert so als allseitig einsehbare, betretbare Vitrine seiner selbst, mit mehrstöckigen Stahlregalen voll gereihter Flaschen mit durchscheinendem Inhalt und gewissermaßen im zylindrischen Goldfischglas sitzenden Konsumenten von Kaffee und Wein – auch heute eher „feinen Leuten“. Die Durchsichtigkeit von innen nach außen und umgekehrt und genauso das Gesehenwerden sind im Glaszylinder selbstverständlicher Teil des Konzepts.
Rechts und links des Eingangs an der Ecke Herrengasse/Fahnengasse rahmen den Raum die zwei gestrichenen Stahlträger, auf denen der Turmteil des Hauses ruht. Der Boden ist in robustem anthrazitfarbenem Terrazzo ausgeführt, von der Decke ist über der Bar eine Art Bambusgeflecht abgehängt, das vielleicht schon ein bisschen zu sehr auf die Fünfzigerjahre verweist. Das Personal ist, optisch durchaus als Teil des Ganzen fungierend, in dezentem Grau-Braun-Beige gekleidet, passend zum gut riechenden Leder, das Bar, Sitzbank und Ablagen überzieht und kurz nach der Eröffnung schon einige Rotweinflecken aufweist, aber für würdiges Altern gut gerüstet zu sein scheint. Die haptischen Materialien und die dezente warme Farbgebung wollen jedenfalls gut zum schwarz-weißen Marmor des Hochhaus-Foyers, dem schwarzen Glas der Geschäftsfassaden und den eleganten Nirosta-Profilen der Fensterrahmen passen. Alles in allem versucht die Bar erfolgreich, sich quasi-selbstverständlich in den Bestand einzufügen. Es ist ein wenig, als sei die glamouröse Zeit des Hochhauses zurückgekehrt: Wie in Karl Maria Grimmes euphorischem Text zum Hochhaus-Café „blinken Metallsäulen, gleißen Geländerreifen, schimmern und spiegeln Glaswände“. Tatsächlich kann man spätestens nach dem ersten Achtel kaum glauben, dass es hier nicht immer so ein Lokal gegeben hat.
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