Bauwerk

Hauptschule und Bundesrealgymnasium
Viktor Hufnagl - Weiz (A) - 1968
Hauptschule und Bundesrealgymnasium, Foto: Atelier Hufnagl
Hauptschule und Bundesrealgymnasium, Foto: Atelier Hufnagl

Match um die Halle

Die Neue Mittelschule Weiz von Architekt Viktor Hufnagl gehört zu den wichtigsten Schulbauten Österreichs und steht unter Denkmalschutz. Nach 56 Jahren steht die dringende Sanierung an. Die Gemeinde will die Schule durch einen Neubau ersetzen. Die Fachwelt protestiert.

10. August 2024 - Maik Novotny
Es handle sich hier um „ein Schulgebäude, welches in der Art seiner Ausführung zunächst ungewöhnlich scheinen mag“, räumte Willibald Krenn ein, Bürgermeister von Weiz. Doch sei der Bau „vorausschauend mit allen baulichen Voraussetzungen für den zukünftigen Unterricht ausgestattet“. Es war eine kleine Revolution des Schulbaus, die sich 1968 in der steirischen Kleinstadt zutrug. Die neue Mittelschule war eine Absage an den autoritären „Kasernentyp“ der Gangschule des 19. Jahrhunderts, stattdessen eine dreigeschoßige Halle mit großen Oberlichten, um die sich die Klassenräume im Quadrat gruppierten.

Ein Bau voller Kontraste: schwerer Sichtbeton und luftiges Inneres, strenges Quadratraster und eine barock anmutende Prunkstiege. Dazu eine gute Dosis Wagemut in der Statik, mit wenigen Stützen und breiten Auskragungen. Den progressiven pädagogischen Geist der Sechziger, von Architekt Viktor Hufnagl in räumliche Form gegossen.

Große Wertschätzung

Es folgte reichlich Wertschätzung für die radikale Schule: Schon im Eröffnungsjahr bekamen der Bürgermeister den Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten und der Schulwart den Preis für den besten Blumenschmuck des Landes Steiermark. Friedrich Achleitner lobte den Bau, 2020 folgte die GerambRose in der Kategorie „Klassiker“, 2022 war die Schule wichtiger Bestandteil der Ausstellung Geometrien des Lebens im fjk3 in Wien und im aut in Innsbruck. „In seinem Entwurf für die Weiz brachte Hufnagl seine tiefgehenden Kenntnisse der internationalen Bestrebungen im Schulbau, die Aufenthaltsqualitäten von Erschließungsräumen, Versammlungsräumen und Unterrichtsräumen zu verbessern“, so Elise Feiersinger, die mit Gabriele Kaiser die Ausstellung kuratierte. „Es ist ein Schlüsselwerk des österreichischen Schulbaus.“

Eines, das heute unter Denkmalschutz steht. Aber auch eines, das – für ein 56 Jahre altes Gebäude nicht unüblich – einer dringenden Renovierung bedarf. Dach und Fenster sind undicht, die heutigen Anforderungen an Wärme-, Schall- und Brandschutz verlangen nach Lösungen. Wie damit umzugehen ist, wird in Weiz seit Jahren diskutiert. Jetzt hat sich die Lage verschärft, denn im Juni beschloss der Gemeinderat einen Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes. Die Schule soll weg und durch einen Neubau direkt daneben ersetzt werden. In einem offenen Brief plädierten die Architekturinstitutionen docomomo Austria, Bauten in Not und ÖGFA für den Erhalt, im Juli folgte ein ebensolcher Brief der gesammelten Professorenschaft der TU Graz.

Ingo Reisinger (SPÖ), seit Mai Bürgermeister von Weiz, verstehe die Sicht der Architektenschaft, sagt er zum ΔTANDARD. „Aber die Lebensrealität zeigt, dass das Gebäude nicht mehr die Anforderungen einer zeitgemäßen Schule erfüllt. Als Bürgermeister kann ich nicht emotional agieren, sondern muss die bestmögliche Ausbildungsstätte für Schüler und Lehrpersonal garantieren. Ich verwalte öffentliches Geld und agiere dabei nach den Prinzipien Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Wenn also das Gutachten eines profunden Sachverständigen besagt, dass eine Sanierung deutlich teurer ist als ein Neubau, habe ich mich dementsprechend zu entscheiden.“

Zweites Gutachten

Besagtes Gutachten des Büros Seiser + Seiser aus Graz kommt zum Ergebnis, dass eine Sanierung rund 50 bis 60 Millionen Euro, ein Neubau dagegen rund 30 Millionen Euro kosten würde. Klingt deutlich, allerdings gibt es eine zweite Studie, die Gangoly & Kristiner Architekten 2022 für die Stadt Weiz in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt und der Bildungsdirektion Steiermark erstellten, die zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Statik und Brandschutz wären lösbar, für die Sanierung von Sichtbeton gebe es heute reichlich Expertise, die dünnen Fenster ließen sich aufdoppeln.

„Die Schule wäre nach der Sanierung auf einem zeitgemäßen technischen Standard und entspricht den pädagogischen Anforderungen“, sagt Hans Gangoly, Professor an der TU Graz. Zwar sei die Sanierung laut der von seinem Büro erstellten Studie etwa elf Prozent teurer als ein Neubau. Allerdings seien bei den Neubaukosten jene für Grundstück, Aufschließung und Abbruch nicht berücksichtigt.

Die Frage, wie man mit der Architektur der 1960er- und 1970er-Jahre, die jetzt ins renovierungsbedürftige Alter kommt, umgeht, wird nicht nur in Weiz diskutiert. Besonders, wenn eine Sichtbetonoptik dazukommt, wird gerne mit wuchtigen Worten wie „Schandfleck“ argumentiert. So wehrte sich die Gemeinde Neusiedl am See mit Händen und Füßen gegen die Unterschutzstellung des dortigen Hallenbads von 1977, einem bestens erhaltenen Beispiel des Burgenland-Brutalismus. Auf der anderen Seite stehen beispielhafte Sanierungen wie jene der Pädagogischen Hochschule Salzburg von riccione Architekten, die deren betonierte Sachlichkeit liebevoll in die Gegenwart transferierte und mehrfach preisgekrönt wurde. Nicht zuletzt wurde eine andere Hallenschule von Viktor Hufnagl, die 1973 eröffnete Modellschule in Wörgl, bereits 2003 saniert. Es geht also – wenn man will.

Vielleicht hilft auch der Blick auf den Zwillingsbau der Weizer Mittelschule, das bereits sanierte Gymnasium, suggeriert Eva Kuß, Architektin in Graz und Expertin für Nachkriegsarchitektur. „Hier hat sich die große Halle bis heute als Treffpunkt und Ort für Schulaktivitäten bewährt. Räume von solcher Großzügigkeit würde man heute in einem Neubau wohl kaum realisiert bekommen.“

Der Spielball im Match zwischen Erhalt und Abriss liegt derzeit beim Bundesdenkmalamt. Eine Aufhebung des Denkmalschutzes und ein Abriss dieses Architekturmeilensteins wäre ein fatales Ergebnis. Ein besseres, das sich an die Wertschätzung der Anfangsjahre erinnert, wäre in solchen Fällen zweifellos möglich – wenn man die Gemeinden mit der Sanierung und den Kosten nicht alleinlässt. Denn Schulbau und Bildung sind eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, die von der Baukultur nicht zu trennen ist.

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