Bauwerk
Haus in Dahlewitz
Bruno Taut - Berlin (D)
Ein Musterbeispiel farbigen Bauens
Bruno Taut's eigenes Haus in Berlin Dahlewitz
15. Mai 1997 - Hubertus Adam
Alle Anhäufungen von Einzelhäusern aber, wie sie in den Vororten der Grossstädte und manchmal auf dem Lande zu sehen sind, bilden in ihrer Gesamtheit nichts anderes als einen fürchterlichen Schutthaufen.» Der Satz, der zunächst wie eine Beschreibung ausufernder Eigenheimsiedlungen an den Rändern heutiger Städte anmutet, stammt aus dem Abschlusskapitel der 1927 erschienenen Publikation «Ein Wohnhaus» von Bruno Taut, Chefarchitekt der Berliner Gemeinnützigen Heimstätten Spar- und Bau-Aktiengesellschaft. Taut, der gerade mit genossenschaftlichen Grosssiedlungen mustergültige Beispiele eines sozial verstandenen Neuen Bauens zu entwickeln begann, beschäftigt sich darin mit dem Problem des Einfamilienhauses - am Beispiel seines eigenen Domizils, das er in den Jahren 1925/26 in Dahlewitz, einem Vorort südlich von Berlin, erbaut hatte.
Der heutigen Besitzerin, die das markante viertelkreisförmige Gebäude in den sechziger Jahren erworben hatte, ist es zu verdanken, dass der ursprüngliche Zustand weitgehend unverändert geblieben ist; vor kurzem erst wurde die denkmalgerechte Rekonstruktion der ursprünglichen Farbfassung abgeschlossen.
Im Schaffen des 1880 geborenen Taut nehmen solitäre Eigenheime einen eher untergeordneten Platz ein. Angesichts des der Lösung harrenden Problems des Massenwohnungsbaus glaubte der Architekt denn auch, seine Beschäftigung mit dem per se luxuriösen Bautypus Einfamilienhaus rechtfertigen zu müssen; er setze sich hier experimentell mit den essentiellen Elementen des Bauens auseinander, die für den Bau von Grosssiedlungen die gleiche Geltung beanspruchen könnten, betonte er immer wieder.
Diese Elemente herauszupräparieren, ist die eigentliche Absicht der Veröffentlichung «Ein Wohnhaus», der detaillierten Beschreibung und Erklärung des Dahlewitzer Anwesens. «Wie soll der moderne Mensch wohnen? Wenn Sie dieses Buch über Tauts Wohnhaus sich genau ansehen, wissen Sie es!» heisst es in einem vom Verlag formulierten Klappentext. Taut selbst hat sich gegen Kopien seines Baus verwahrt; serielle Fertigung und Rationalisierung titulierte er als «hausgewordenen Stumpfsinn».
Das vergleichsweise bescheiden dimensionierte, zweigeschossige Gebäude mit Flachdach liegt inmitten eines ausgedehnten Gartens. Seine konvexe Ostseite wendet es der vorbeiführenden Strasse zu; die spitze Westseite ist auf die Wiese hinter dem Haus orientiert. Im Norden schliesst sich ein niedriger Klinkerbau an, der Wirtschaftsräume und Garage enthält.
Im Inneren gibt es fünf eigentliche Wohnräume: das wabenförmige Wohnzimmer, von dem aus der Garten zu betreten ist, sowie einen Nachbarraum im Erdgeschoss; im Stockwerk darüber befinden sich drei Schlafzimmer. Das südliche diente zugleich als Arbeitszimmer, während die übrigen einen eher kammerartigen Charakter aufweisen. Obwohl sich auch diese Zimmer zum Balkon hin öffnen, werden sie tagsüber nur unzureichend belichtet; eine der nicht zu leugnenden Schwächen des Dahlewitzer Hauses. Von Einbauschränken und -regalen abgesehen, sind die streng funktionalen und technisch ausgeklügelten Einrichtungsgegenstände leider verlorengegangen.
Noch verstörender als die Form des Gebäudes dürfte auf die Zeitgenossen die Farbgebung gewirkt haben: Schwarz an der Strassenfront, Weiss auf der Rückseite; dazu kommen die Primärfarben Blau, Rot und Gelb an den Fenstern. Taut begründete die ungewöhnliche Kolorierung wärmetechnisch: Schwarz fängt die Morgensonne ein, Weiss reflektiert die heissen Sonnenstrahlen des Nachmittags; in seiner grossen Form, heisst es in «Ein Wohnhaus», sei der Grundriss eine Sonnenuhr.
In den Innenräumen hat Bruno Taut die Farbkontraste zusätzlich verstärkt. Im Arbeitszimmer treffen rote, gelbe und blaue Wandflächen aufeinander; eine gewagte Kombination von leuchtend roter Decke und weinroten Wänden prägt das Wohnzimmer. Zusätzliche Akzente setzen die ebenfalls bunt gestrichenen Heizkörper und Rohre. War es zuvor meist üblich, Installationen hinter Blenden zu verbergen, so werden die «wohltätigen Einrichtungen» hier in ihrer technischen Schönheit erkannt. Taut erzielte damit im Grunde das gleiche Ergebnis wie die Vertreter der Pop-Architektur in den sechziger Jahren, jedoch nicht als Ergebnis eines hypertrophen Maschinenkults, sondern als Ausdruck lebensreformerischer Vorstellungen. Da die Farbe in Dahlewitz zum eigentlichen Schmuck des Hauses wird, ja dessen Raumwirkungen mitbestimmt, konnte auf traditionelle Schmuckelemente verzichtet werden. Vorhänge forderte Taut ebenso zu verbannen wie Zimmerblumen, Tischdecken oder Teppiche.
Das Wohnhaus in Dahlewitz kann als Musterbeispiel farbigen Bauens gelten, einer Idee, die Taut zeit seines Lebens beschäftigte und vielleicht mit seiner Doppelbegabung als Maler und Architekt zu erklären ist. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg legte der Architekt die gedeckte Palette des deutschen Impressionismus ab und entdeckte die reinen Farben, die an den Fassaden von Berliner und Magdeburger Siedlungsbauten fortan exzessive Verwendung fanden. Als «Kolonie Tuschkasten» wurde die seit 1913 entstehende Gartenstadt Falkenberg in Berlin-Grünau verspottet. Als es des Krieges wegen nichts mehr zu bauen gab, entlud sich der nimmermüde Schaffensdrang des Architekten in einer Reihe utopisch-expressionistischer Entwürfe - in kristallinen, farbenprächtigen Architekturvisionen.
In die architektonische Praxis liessen sich Tauts Utopien allerdings nur schwer übertragen. Als Stadtbaurat in Magdeburg (1921-23) hatte er sich mit der bunten Bemalung historischer Bausubstanz zu begnügen. Immerhin vermag man in Dahlewitz einige Reflexe der vorangehenden expressionistischen Periode auszumachen - ob es sich dabei um die spitzwinklige Baugestalt handelt, die bei Näherung an Dynamik gewinnt, oder um die ausgiebige Verwendung von Glasbausteinen an Nordfassade und Balkonverdachung. Wenn der Mond durch das Glasdach scheine, sei das fast ein Stück Romantik, die auf modernem Industriegeist beruhe, liest man in Tauts Beschreibung.
Von den sich zunehmend dogmatisch gebenden Vertretern des Neuen Bauens grenzte er sich ab, nicht zuletzt mit seinen farbenfreudigen Berliner Siedlungsbauten. Wie heisst es doch in «Ein Wohnhaus»: «Das Ableiern einer „modernen“ Formensprache ist im Grunde ebenso veraltet und rückständig wie jeder frühere Stilkanon.
Der heutigen Besitzerin, die das markante viertelkreisförmige Gebäude in den sechziger Jahren erworben hatte, ist es zu verdanken, dass der ursprüngliche Zustand weitgehend unverändert geblieben ist; vor kurzem erst wurde die denkmalgerechte Rekonstruktion der ursprünglichen Farbfassung abgeschlossen.
Im Schaffen des 1880 geborenen Taut nehmen solitäre Eigenheime einen eher untergeordneten Platz ein. Angesichts des der Lösung harrenden Problems des Massenwohnungsbaus glaubte der Architekt denn auch, seine Beschäftigung mit dem per se luxuriösen Bautypus Einfamilienhaus rechtfertigen zu müssen; er setze sich hier experimentell mit den essentiellen Elementen des Bauens auseinander, die für den Bau von Grosssiedlungen die gleiche Geltung beanspruchen könnten, betonte er immer wieder.
Diese Elemente herauszupräparieren, ist die eigentliche Absicht der Veröffentlichung «Ein Wohnhaus», der detaillierten Beschreibung und Erklärung des Dahlewitzer Anwesens. «Wie soll der moderne Mensch wohnen? Wenn Sie dieses Buch über Tauts Wohnhaus sich genau ansehen, wissen Sie es!» heisst es in einem vom Verlag formulierten Klappentext. Taut selbst hat sich gegen Kopien seines Baus verwahrt; serielle Fertigung und Rationalisierung titulierte er als «hausgewordenen Stumpfsinn».
Das vergleichsweise bescheiden dimensionierte, zweigeschossige Gebäude mit Flachdach liegt inmitten eines ausgedehnten Gartens. Seine konvexe Ostseite wendet es der vorbeiführenden Strasse zu; die spitze Westseite ist auf die Wiese hinter dem Haus orientiert. Im Norden schliesst sich ein niedriger Klinkerbau an, der Wirtschaftsräume und Garage enthält.
Im Inneren gibt es fünf eigentliche Wohnräume: das wabenförmige Wohnzimmer, von dem aus der Garten zu betreten ist, sowie einen Nachbarraum im Erdgeschoss; im Stockwerk darüber befinden sich drei Schlafzimmer. Das südliche diente zugleich als Arbeitszimmer, während die übrigen einen eher kammerartigen Charakter aufweisen. Obwohl sich auch diese Zimmer zum Balkon hin öffnen, werden sie tagsüber nur unzureichend belichtet; eine der nicht zu leugnenden Schwächen des Dahlewitzer Hauses. Von Einbauschränken und -regalen abgesehen, sind die streng funktionalen und technisch ausgeklügelten Einrichtungsgegenstände leider verlorengegangen.
Noch verstörender als die Form des Gebäudes dürfte auf die Zeitgenossen die Farbgebung gewirkt haben: Schwarz an der Strassenfront, Weiss auf der Rückseite; dazu kommen die Primärfarben Blau, Rot und Gelb an den Fenstern. Taut begründete die ungewöhnliche Kolorierung wärmetechnisch: Schwarz fängt die Morgensonne ein, Weiss reflektiert die heissen Sonnenstrahlen des Nachmittags; in seiner grossen Form, heisst es in «Ein Wohnhaus», sei der Grundriss eine Sonnenuhr.
In den Innenräumen hat Bruno Taut die Farbkontraste zusätzlich verstärkt. Im Arbeitszimmer treffen rote, gelbe und blaue Wandflächen aufeinander; eine gewagte Kombination von leuchtend roter Decke und weinroten Wänden prägt das Wohnzimmer. Zusätzliche Akzente setzen die ebenfalls bunt gestrichenen Heizkörper und Rohre. War es zuvor meist üblich, Installationen hinter Blenden zu verbergen, so werden die «wohltätigen Einrichtungen» hier in ihrer technischen Schönheit erkannt. Taut erzielte damit im Grunde das gleiche Ergebnis wie die Vertreter der Pop-Architektur in den sechziger Jahren, jedoch nicht als Ergebnis eines hypertrophen Maschinenkults, sondern als Ausdruck lebensreformerischer Vorstellungen. Da die Farbe in Dahlewitz zum eigentlichen Schmuck des Hauses wird, ja dessen Raumwirkungen mitbestimmt, konnte auf traditionelle Schmuckelemente verzichtet werden. Vorhänge forderte Taut ebenso zu verbannen wie Zimmerblumen, Tischdecken oder Teppiche.
Das Wohnhaus in Dahlewitz kann als Musterbeispiel farbigen Bauens gelten, einer Idee, die Taut zeit seines Lebens beschäftigte und vielleicht mit seiner Doppelbegabung als Maler und Architekt zu erklären ist. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg legte der Architekt die gedeckte Palette des deutschen Impressionismus ab und entdeckte die reinen Farben, die an den Fassaden von Berliner und Magdeburger Siedlungsbauten fortan exzessive Verwendung fanden. Als «Kolonie Tuschkasten» wurde die seit 1913 entstehende Gartenstadt Falkenberg in Berlin-Grünau verspottet. Als es des Krieges wegen nichts mehr zu bauen gab, entlud sich der nimmermüde Schaffensdrang des Architekten in einer Reihe utopisch-expressionistischer Entwürfe - in kristallinen, farbenprächtigen Architekturvisionen.
In die architektonische Praxis liessen sich Tauts Utopien allerdings nur schwer übertragen. Als Stadtbaurat in Magdeburg (1921-23) hatte er sich mit der bunten Bemalung historischer Bausubstanz zu begnügen. Immerhin vermag man in Dahlewitz einige Reflexe der vorangehenden expressionistischen Periode auszumachen - ob es sich dabei um die spitzwinklige Baugestalt handelt, die bei Näherung an Dynamik gewinnt, oder um die ausgiebige Verwendung von Glasbausteinen an Nordfassade und Balkonverdachung. Wenn der Mond durch das Glasdach scheine, sei das fast ein Stück Romantik, die auf modernem Industriegeist beruhe, liest man in Tauts Beschreibung.
Von den sich zunehmend dogmatisch gebenden Vertretern des Neuen Bauens grenzte er sich ab, nicht zuletzt mit seinen farbenfreudigen Berliner Siedlungsbauten. Wie heisst es doch in «Ein Wohnhaus»: «Das Ableiern einer „modernen“ Formensprache ist im Grunde ebenso veraltet und rückständig wie jeder frühere Stilkanon.
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