Bauwerk
Hotel Klinglhuber
Neururer & Neururer - Krems an der Donau (A) - 1996
Übernachten ohne Gerümpel
Der Kremser Gestaltungsbeirat versagte einem romantisierenden Hotelentwurf das Plazet. Elena und Alois Neururer haben statt dessen ein zeitgenössisches Stadthotel errichtet: das „Klinglhuber“.
27. Juli 1996 - Walter Zschokke
Die Fronten waren rasch verhärtet, als im Sommer 1994 der prominent besetzte, neu eingerichtete Kremser Gestaltungsbeirat und der Stadtbaudirektor die Notbremse zogen und für ein eigenartig romantisierendes Hotelprojekt die Überarbeitung der Fassade verlangten. Binnen Tagen versuchten auch einige populistische Lokalpolitiker, einen Kulturkampf vom Zaun zu brechen, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. In dieser emotional aufgeheizten Situation erhielten der in Wien ansässige Tiroler Architekt Alois Neururer und dessen Partnerin, Elena Theodorou- Neururer, den Auftrag, die Fassaden zu modifizieren.
Der Bauplatz für das neue Hotel Klinglhuber befand sich in der östlich des Kremsflüßchens gelegenen Vorstadt mit mittelalterlich geprägter Struktur und geschlossener Bauweise. Das Geviert Wiener Straße - Kettensteggasse - Hohensteinstraße war früher vor allem mit Ökonomie- und Nebengebäuden besetzt, Teile davon sollten dem Hotelneubau weichen. Die Hohensteinstraße weitet sich vor der neuen Südfront zu einem kleinen Platz, sodaß diese etwas mehr städtebauliches Gewicht erhält und zur Hauptfassade wird.
Ein Blick auf die abgelehnte Fassade zeigt einen Mittelgiebel, dessen Großform in den Gaupen wiederholt wird; weiters einen Turmerker an der einen Ecke, das Ganze kombiniert mit einem Krüppelwalmdach, woraus sich allerlei interessante Verschneidungen für den Spengler ergeben hätten. Der bereits bewilligte Grundriß, mit dem sich die neubestellten Fassadenentwerfer befassen mußten - schließlich sollte die neue Fassade dazupassen -, hatte eine ebenfalls romantisierende Struktur, mit eher dunklen, labyrinthischen Gängen und fürstlich mit Raumreserven versorgten Hotelzimmern an der Hauptfront. Zur Kompensation gab es für weniger bemittelte Gäste ein paar kleine Zimmer zum engen Lichthof.
Die Architekten Elena und Alois Neururer erkannten rasch, daß hier ein Mißverständnis vorlag. Die Zimmergrößen waren auf den Betrieb eines Ferienhotels abgestimmt, in dem die Gäste ein bis zwei Wochen bleiben. In Krems benötigte man jedoch ein Stadthotel für Geschäftsleute, die ein bis drei Tage im Haus logieren und tagsüber die meiste Zeit unterwegs sind. Dank ihrer Erfahrung mit Hotelbauten im Tiroler Pitztal, von wo Alois Neururer auch stammt, konnten sie die Bauherrschaft, die alteingesessene Hotelier- und Gastwirtfamilie Klinglhuber, auf den Fehler aufmerksam machen.
Mit einem völlig neuen Entwurf zeigten sie auf, daß im zulässigen Bauvolumen um einige Zimmer mehr unterzubringen waren; diese Tatsache dürfte auch für den Weiterbestand des Unternehmens nicht ganz bedeutungslos sein. Auf dem Normalgeschoß der ersten Bauetappe waren es statt sieben Zimmern deren zehn, mit 20 an Stelle von nur 15 Betten. Helle und übersichtliche Gänge erschließen die Zimmer. Nach der Präsentation dieser Zahlen und Grundrisse setzte bei der Bauherrschaft ein Umdenken ein. Man einigte sich darauf, das neukonzipierte Projekt weiterzuverfolgen, obwohl gegenüber dem architektonischen Ausdruck noch Skepsis bestand.
Das kürzlich fertiggestellte und in Betrieb genommene dreigeschoßige Bauwerk mit zurückgesetztem Dachgeschoß verfügt über einen großzügig geöffneten Eingangsbereich: Nach vorn öffnet sich die breitgelagerte Halle mit Rezeption und einer Bar zur Linken, imHintergrund schließt der um drei Stufen erhöhte Frühstücksbereich an, der von einem Oberlichtstreifen direkt hinter der Rezeption und von einer Glaswand zum Hof morgendliches Licht erhält. Ein großer Konferenzraum, der um einen mittelgroßen Seminarraum erweiterbar ist, und ein Sitzungszimmer füllen die Gebäudeecke hinter der markanten Natursteinverkleidung.
Die in Krems verbreiteten Erkerfenster aus der Biedermeierzeit mit gewölbten Glasscheiben waren den Architekten aufgefallen. Man konnte, als sich das Leben noch auf den Gassen abspielte, seine Neugier befriedigen, ohne den Fensterflügel öffnen zu müssen. Man darf annehmen, daß diese Erkerfenster Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode gekommen waren. - Eine zeitgenössisch interpretierte Form der Beziehung zum Straßenraum sollte für die Hotelzimmer in vergleichbarer Weise versucht werden. Da der Winkel an der freistehenden Gebäudeecke etwas weniger als 90 Grad aufweist, sind die Zimmer, der Schräge der Fassade folgend, entsprechend zurückgestaffelt.
Im Hotelgang dahinter, der in der Breite abnimmt, bleibt dafür vor dem Lift etwas mehr Manövrierfläche. Die Fenster verharren dagegen in der orthogonalen Ordnung, sodaß eine Doppelreihe aus zwei mal sieben Erkerfenstern die Fassade belebt. Im zurückspringenden, von unten kaum wahrnehmbaren Dachgeschoß befinden sich zwei weitere Hotelzimmer und eine Wohnung.
Die Zimmer sind mit einfachen Möbeln aus hellem Birkenholz ausgestattet, ein kecker Sessel mit einseitiger Armlehne aus dem Sortiment der Firma Wittmann rundet die Einrichtung ab. Ein kastenartiger Holzteil birgt die raumsparende Schiebetüre, durch die man ins Bad gelangt. Zwei schmale Glasstreifen in der räumlichen Hülle des Badezimmers lassen Tageslicht eindringen, sodaß der kleine Raum weniger eng wirkt. Die Aus- und Durchblicksmöglichkeiten werten ihn zusätzlich auf. Die Hotelhalle ist ebenfalls mit Fauteuils im Design von Paolo Piva bestückt. Man wagt gar nicht zu raten, woher die romantisierenden Möbel für das erste Projekt wohl gekommen wären.
Die Rückseite des an die Kettensteggasse grenzenden Seitentrakts, an den später die zweite Bauetappe angeschlossen werden soll, ist gesondert bedacht und behandelt worden. Die Architekten stellten Überlegungen an, wie diese Rückseite für die Zwischenzeit zu gestalten sei, damit sie nicht allzu geschlossen und unfreundlich wirkt. Mit Fenstertüren beim Gang und dem vollverglasten Dachgeschoß über dem Stiegenhaus ist dies überzeugend gelungen.
Das Angenehme an diesem Hotelgebäude ist seine unangestrengte Selbstverständlichkeit. Als Gast trifft man auf eine unkomplizierte, aber durchaus hochstehende Übernachtungsmöglichkeit, die frei ist von den Requisiten und dem Beiwerk überladener Hotelromantik, wie es den Hoteliers von Ausstattungsfirmen und Tourismusberatern immer wieder aufgeschwatzt wird. Wie soll man sich in einem Wust von unnützem Gerümpel wohl fühlen, selbst wenn dieser für teures Geld vom Antiquitätenhändler erstanden wurde? Wieviel angenehmer daher die zeitgenössischen Möbel in zeitgenössischer Architektur. Die Gäste fahren mit Automobilen in aktuellem Design vor dem Hotel vor, warum sollte dann das Bauwerk aussehen wie die schlechte Karikatur einer Postkutschenstation des vorigen Jahrhunderts?
Alois Neururer ist 1957 geboren und stammt aus St. Leonhard im Pitztal, Elena Theodorou- Neururer ist zwei Jahre jünger und kommt aus Nikosia, Zypern. Beide haben an der TU Wien studiert, wo Ernst Hiesmayr, bei dem Neururer mehrere Jahre als Assistent wirkte, für ihre Entwicklung bestimmend war. Seit 1985 führen die Neururers gemeinsam ein Atelier. Beide sind mit dem Problem Tourismusarchitektur aus ihrer jeweiligen Heimat - dem östlichen Mittelmeerraum beziehungsweise den Tiroler Alpentälern - bestens vertraut.
Nach den Hotels im Pitztal, für die sie außer mit dem „Internationalen Architekturpreis für Neues Bauen in den Alpen 1992“ auch mit dem Staatspreis für Architektur und Tourismus ausgezeichnet wurden, zeigen sie mit dem Stadthotel in Krems einen Weg aus der Krise der Tourismusarchitektur. Der Gast wird als mündiger Zeitgenosse betrachtet, das Übernachtungsangebot als reelle Dienstleistung. Dafür bedarf es weder kindischer Scheinwelten noch eines servilen Klimas wie im Schmierentheater der einschlägigen Fernsehserien. Sich von diesem Unsinn zu befreien ist ein Leistung, für die nicht nur den Architekten, sondern vor allem auch den Gastgebern, das heißt der Hoteliersfamilie, größte Anerkennung gebührt.
Der Bauplatz für das neue Hotel Klinglhuber befand sich in der östlich des Kremsflüßchens gelegenen Vorstadt mit mittelalterlich geprägter Struktur und geschlossener Bauweise. Das Geviert Wiener Straße - Kettensteggasse - Hohensteinstraße war früher vor allem mit Ökonomie- und Nebengebäuden besetzt, Teile davon sollten dem Hotelneubau weichen. Die Hohensteinstraße weitet sich vor der neuen Südfront zu einem kleinen Platz, sodaß diese etwas mehr städtebauliches Gewicht erhält und zur Hauptfassade wird.
Ein Blick auf die abgelehnte Fassade zeigt einen Mittelgiebel, dessen Großform in den Gaupen wiederholt wird; weiters einen Turmerker an der einen Ecke, das Ganze kombiniert mit einem Krüppelwalmdach, woraus sich allerlei interessante Verschneidungen für den Spengler ergeben hätten. Der bereits bewilligte Grundriß, mit dem sich die neubestellten Fassadenentwerfer befassen mußten - schließlich sollte die neue Fassade dazupassen -, hatte eine ebenfalls romantisierende Struktur, mit eher dunklen, labyrinthischen Gängen und fürstlich mit Raumreserven versorgten Hotelzimmern an der Hauptfront. Zur Kompensation gab es für weniger bemittelte Gäste ein paar kleine Zimmer zum engen Lichthof.
Die Architekten Elena und Alois Neururer erkannten rasch, daß hier ein Mißverständnis vorlag. Die Zimmergrößen waren auf den Betrieb eines Ferienhotels abgestimmt, in dem die Gäste ein bis zwei Wochen bleiben. In Krems benötigte man jedoch ein Stadthotel für Geschäftsleute, die ein bis drei Tage im Haus logieren und tagsüber die meiste Zeit unterwegs sind. Dank ihrer Erfahrung mit Hotelbauten im Tiroler Pitztal, von wo Alois Neururer auch stammt, konnten sie die Bauherrschaft, die alteingesessene Hotelier- und Gastwirtfamilie Klinglhuber, auf den Fehler aufmerksam machen.
Mit einem völlig neuen Entwurf zeigten sie auf, daß im zulässigen Bauvolumen um einige Zimmer mehr unterzubringen waren; diese Tatsache dürfte auch für den Weiterbestand des Unternehmens nicht ganz bedeutungslos sein. Auf dem Normalgeschoß der ersten Bauetappe waren es statt sieben Zimmern deren zehn, mit 20 an Stelle von nur 15 Betten. Helle und übersichtliche Gänge erschließen die Zimmer. Nach der Präsentation dieser Zahlen und Grundrisse setzte bei der Bauherrschaft ein Umdenken ein. Man einigte sich darauf, das neukonzipierte Projekt weiterzuverfolgen, obwohl gegenüber dem architektonischen Ausdruck noch Skepsis bestand.
Das kürzlich fertiggestellte und in Betrieb genommene dreigeschoßige Bauwerk mit zurückgesetztem Dachgeschoß verfügt über einen großzügig geöffneten Eingangsbereich: Nach vorn öffnet sich die breitgelagerte Halle mit Rezeption und einer Bar zur Linken, imHintergrund schließt der um drei Stufen erhöhte Frühstücksbereich an, der von einem Oberlichtstreifen direkt hinter der Rezeption und von einer Glaswand zum Hof morgendliches Licht erhält. Ein großer Konferenzraum, der um einen mittelgroßen Seminarraum erweiterbar ist, und ein Sitzungszimmer füllen die Gebäudeecke hinter der markanten Natursteinverkleidung.
Die in Krems verbreiteten Erkerfenster aus der Biedermeierzeit mit gewölbten Glasscheiben waren den Architekten aufgefallen. Man konnte, als sich das Leben noch auf den Gassen abspielte, seine Neugier befriedigen, ohne den Fensterflügel öffnen zu müssen. Man darf annehmen, daß diese Erkerfenster Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode gekommen waren. - Eine zeitgenössisch interpretierte Form der Beziehung zum Straßenraum sollte für die Hotelzimmer in vergleichbarer Weise versucht werden. Da der Winkel an der freistehenden Gebäudeecke etwas weniger als 90 Grad aufweist, sind die Zimmer, der Schräge der Fassade folgend, entsprechend zurückgestaffelt.
Im Hotelgang dahinter, der in der Breite abnimmt, bleibt dafür vor dem Lift etwas mehr Manövrierfläche. Die Fenster verharren dagegen in der orthogonalen Ordnung, sodaß eine Doppelreihe aus zwei mal sieben Erkerfenstern die Fassade belebt. Im zurückspringenden, von unten kaum wahrnehmbaren Dachgeschoß befinden sich zwei weitere Hotelzimmer und eine Wohnung.
Die Zimmer sind mit einfachen Möbeln aus hellem Birkenholz ausgestattet, ein kecker Sessel mit einseitiger Armlehne aus dem Sortiment der Firma Wittmann rundet die Einrichtung ab. Ein kastenartiger Holzteil birgt die raumsparende Schiebetüre, durch die man ins Bad gelangt. Zwei schmale Glasstreifen in der räumlichen Hülle des Badezimmers lassen Tageslicht eindringen, sodaß der kleine Raum weniger eng wirkt. Die Aus- und Durchblicksmöglichkeiten werten ihn zusätzlich auf. Die Hotelhalle ist ebenfalls mit Fauteuils im Design von Paolo Piva bestückt. Man wagt gar nicht zu raten, woher die romantisierenden Möbel für das erste Projekt wohl gekommen wären.
Die Rückseite des an die Kettensteggasse grenzenden Seitentrakts, an den später die zweite Bauetappe angeschlossen werden soll, ist gesondert bedacht und behandelt worden. Die Architekten stellten Überlegungen an, wie diese Rückseite für die Zwischenzeit zu gestalten sei, damit sie nicht allzu geschlossen und unfreundlich wirkt. Mit Fenstertüren beim Gang und dem vollverglasten Dachgeschoß über dem Stiegenhaus ist dies überzeugend gelungen.
Das Angenehme an diesem Hotelgebäude ist seine unangestrengte Selbstverständlichkeit. Als Gast trifft man auf eine unkomplizierte, aber durchaus hochstehende Übernachtungsmöglichkeit, die frei ist von den Requisiten und dem Beiwerk überladener Hotelromantik, wie es den Hoteliers von Ausstattungsfirmen und Tourismusberatern immer wieder aufgeschwatzt wird. Wie soll man sich in einem Wust von unnützem Gerümpel wohl fühlen, selbst wenn dieser für teures Geld vom Antiquitätenhändler erstanden wurde? Wieviel angenehmer daher die zeitgenössischen Möbel in zeitgenössischer Architektur. Die Gäste fahren mit Automobilen in aktuellem Design vor dem Hotel vor, warum sollte dann das Bauwerk aussehen wie die schlechte Karikatur einer Postkutschenstation des vorigen Jahrhunderts?
Alois Neururer ist 1957 geboren und stammt aus St. Leonhard im Pitztal, Elena Theodorou- Neururer ist zwei Jahre jünger und kommt aus Nikosia, Zypern. Beide haben an der TU Wien studiert, wo Ernst Hiesmayr, bei dem Neururer mehrere Jahre als Assistent wirkte, für ihre Entwicklung bestimmend war. Seit 1985 führen die Neururers gemeinsam ein Atelier. Beide sind mit dem Problem Tourismusarchitektur aus ihrer jeweiligen Heimat - dem östlichen Mittelmeerraum beziehungsweise den Tiroler Alpentälern - bestens vertraut.
Nach den Hotels im Pitztal, für die sie außer mit dem „Internationalen Architekturpreis für Neues Bauen in den Alpen 1992“ auch mit dem Staatspreis für Architektur und Tourismus ausgezeichnet wurden, zeigen sie mit dem Stadthotel in Krems einen Weg aus der Krise der Tourismusarchitektur. Der Gast wird als mündiger Zeitgenosse betrachtet, das Übernachtungsangebot als reelle Dienstleistung. Dafür bedarf es weder kindischer Scheinwelten noch eines servilen Klimas wie im Schmierentheater der einschlägigen Fernsehserien. Sich von diesem Unsinn zu befreien ist ein Leistung, für die nicht nur den Architekten, sondern vor allem auch den Gastgebern, das heißt der Hoteliersfamilie, größte Anerkennung gebührt.
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