Bauwerk

Umbau Galerie Image
Geiswinkler & Geiswinkler - Wien (A) - 1997
Umbau Galerie Image, Foto: Mischa Erben
Umbau Galerie Image, Foto: Mischa Erben

Sandwich mit Aluminiumfülle

Einheitlichkeit bei den Materialien, Verzicht auf jedes inhaltlich nicht begründete „Detail“, vorgefertigte Elemente: von diesen Grundsätzen ließen sich Markus Geiswinkler und Kinayeh Aziz beim Umbau einer Galerie in der Wiener Innenstadt leiten.

28. März 1998 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eigentlich geht es um einen Laden, nicht einmal nur um eine Galerie. Obwohl - es sind beide Funktionen gemischt. Es geht um einen Laden, in dem Postkarten, Poster, Kunstdrucke verkauft werden, auch die dazu gehörigen Rahmen; es geht aber ebenso um eine Galerie, in der diese Ware adäquat präsentiert werden sollte. Insofern also doch ein Ausstellungsraum. Und zwar einer in einer wahrhaftig speziellen Lage: Man kommt durch die Wiener Innenstadt bergauf an der Synagoge vorbei und auf den Platz vor der Ruprechtskirche - links das Restaurant „Salzamt“ von Hermann Czech, rechts die Galerie der Geiswinklers.

Städtebau ist ein großes Wort, speziell wenn es um eine so kleine Bauaufgabe geht. Andererseits: Als das Haus in den siebziger Jahren gebaut wurde - man merkt es ihm übrigens kaum an, denn es „historisiert“ ausgesprochen konsequent - , hat man daran gedacht, den Blick auf die Ruprechtskirche immerhin so in Szene zu setzen, daß er sich auch schon von weitem eröffnet. Daher gab es eine durchlässige Arkade, die allerdings nun, nach dem Umbau, flächenmäßig der Galerie zugeschlagen ist.

Das hätte zu einer städtebaulichen Schwachstelle werden können. Aber Markus Geiswinkler und Kinayeh Geiswinkler-Aziz haben dieses Problem mit einem unauffälligen, umso raffinierteren Kunstgriff gelöst. Sie haben die Arkaden verglast, wobei die Arkadenbögen außen unangetastet blieben und sich von innen die neu eingesetzten großen Glasscheiben als orthogonale Einheit abbilden. Ungewöhnlich: Das Lokal hat nicht einen, sondern zwei Eingänge, die an den Zugängen zur ehemaligen Arkade plaziert und in der warmen Jahreszeit vollständig zu öffnen sind: eine Aufforderung an die Passanten, einfach durchzugehen und einen Eindruck vom Verkaufsangebot der Galerie Image mitzunehmen.

Man könnte sagen, die Galerie ist eine Art Loggia, die in den Bestand, in die Potemkinsche Fassade dieses Siebziger-Jahre-Baus hineingesetzt wurde. Tagsüber besticht sie durch Leichtigkeit und Transparenz, nachts verwandelt sie sich in ein leuchtend-kristallines Gebilde.

Das war natürlich nicht ohne konstruktiven Kunstgriff zu erreichen. Denn im Bestand gab es eine tragende Stütze, die den Innenraum praktisch in vier Teilbereiche gegliedert hat. Aber was können gute Statiker - in diesem Fall heißen sie Gmeiner und Hafner - nicht alles erreichen! Daher gibt es den massiven, 60 Zentimeter dicken Pfeiler jetzt nicht mehr, an seiner Stelle ist nun eine nur noch 15 Zentimeter starke Stahlstütze, die auf einem nicht einmal zigarettenschachtelgroßen Auflager ruht und immerhin 90 Tonnen trägt.

Die Frage des Umgangs mit einer bislang offenen Arkade, die zur räumlich, aber nicht visuell geschlossenen „Loggia“ uminterpretiert ist, war ein Hauptthema. Ein zweites Thema wird in der innenräumlichen Lösung offenbar. Auf einen kurzen und bündigen Nenner gebracht: ein Raum wie ein Sandwich.

Anders gesagt: Die Architekten haben Boden und Decke - beides Holz - spiegelbildlich formuliert. In der Diktion der Architekten: Die Decke anders, das wäre schon ein Element zuviel gewesen. Und zwischen beide haben sie genau jene Einbauten hineingesetzt, die für den Geschäftsablauf der Galerie notwendig sind. Dazu gehören: Präsentationswände, auf denen sich Kunstdrucke et cetera magnetisch beliebig fixieren lassen; auffaltbare Paneele, die sich ganz spielerisch handhaben lassen und das ganze Rahmen-Sortiment übersichtlich präsentieren; ebenso große horizontale Präsentationsflächen, unter denen vorhandene Ladenschränke eingeschoben sind; schließlich eigene, schmale Wandelemente für die optimale Darstellung des Postkarten-Angebots.

Die räumliche Strukturierung ist so simpel - und praktikabel - wie möglich. Der eigentliche Galerie- beziehungsweise Verkaufsraum mit seinen beiden Eingängen hat die Form eines Rechtecks, an dessen hinterer Längsseite die multifunktionale, dreischichtige Präsentationswand als Hauptelement plaziert ist. Sie erfüllt übrigens eine zusätzliche Funktion, denn sie deckt gleichzeitig einen kleinen Arbeitsplatz auf der einen Seite und auf der anderen Stau- und Technikraum, Teeküche und das WC ab. Diese dienenden Bereiche sind dabei als sehr schlichte Box formuliert, die in den Raum hineingestellt wurde.

Neben der Funktionalität ist vor allem auf die Materialwahl hinzuweisen: Auffallend sind schon einmal die beiden Sandwich-Ebenen aus Buchensperrholz, die so umgesetzt sind, daß sie sich - eine Reminiszenz an Scarpa? - von der Substanz absetzen. Und dann gibt es die „Fülle“ dazwischen, die aus Aluminium besteht oder - aus ökonomischen Gründen - in Nebenbereichen auch aus MDF-Platten, die im gleichen Farbton und irgendwo in der Art einer Autokarosserie gespritzt wurden; sofern es um vorhandenes Mobiliar ging - etwa die Posterständer oder die Planschränke - , ist dieses nun in Schiefergrau gehalten.

Die Idee, die diesem Innenausbau zugrunde liegt, basiert nicht auf handwerklicher Arbeitsweise, nicht darauf, daß ein „Meister“ kommt und anfängt zu basteln, sondern auf vorfabrizierten Elementen, die per LKW angeliefert und auf der Baustelle nur noch montiert werden. Anders ausgedrückt: Geiswinkler und Aziz träumen den alten Traum der Moderne von der industriellen Bauweise, die - ist das am Ende des 20. Jahrhunderts womöglich recht und billig? - das kostspielige und zeitaufwendige Handwerk ablöst. Geiswinkler: „Auch Rolls Royce denkt schließlich daran, weniger mit der Hand und mehr mit Robotern zu arbeiten.“

Tatsächlich lassen sich mit dieser Methode - im Gegensatz zu den Pioniertagen - ausgezeichnete Ergebnisse erzielen. Sie haben allerdings eines zur Voraussetzung: sehr viel und sehr genaue Planungsarbeit. Und bei einem Umbau vorhandener Bausubstanz stößt man damit möglicherweise immer wieder an Grenzen, weil es dabei zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten, zu Unregelmäßigkeiten kommt. Darauf muß man dann flexibel und rasch reagieren. Die Wandpaneele zwischen den Arkadenpfeilern etwa sind alle vorgefertigt und gleich dimensioniert, die Pfeiler selbst - wiewohl aus den siebziger Jahren - sind das nicht. Daher gibt es stellenweise einen kleinen Überstand, der den Eindruck erweckt, diese Paneele seien verschiebbar. Das ist ein Effekt, der den Betrachter in die Irre leitet und keineswegs reizlos ist. Oder: Der neue, durch eine Fuge vom Bestand abgesetzte Sperrholzboden wurde über den alten gebaut und mußte durch eine minimale Schräge auf das Niveaugefälle zum Gehsteig draußen übergeleitet werden. Schließlich sind plötzlich Kellerbelüftungen aufgetaucht, die in keinem Plan verzeichnet waren und nun als „neue“ Elemente in „alter“ (aber nicht historisierender, sondern eher selbstverständlicher) Manier in die Fassade integriert sind, einfach so, als wären sie immer schon da gewesen.

Der Fassadenbestand sollte prinzipiell nicht angetastet werden. Und mit einer geringfügigen, eigentlich vernachlässigbaren Einschränkung ist das auch gelungen. Ursprünglich wollten sie die Fassade nicht einmal neu malen, aber durch die Bauarbeiten kam es doch zu kleinen Beschädigungen, sodaß ein neuer Anstrich notwendig wurde. Davon wird man allerdings (Umweltverschmutzung hat in Ausnahmefällen offenbar auch positive Seiten) bald gar nichts mehr merken.

Wichtig bei diesem Umbau ist vor allem die grundlegende architektonische Strategie: rigorose Einheitlichkeit bei der Verwendung der Materialien, Verzicht auf jedes inhaltlich nicht begründete „Detail“, Vorfertigung der einzelnen Elemente, keine Ressentiments gegenüber vorhandenem Mobiliar und - der Blick dafür, worauf es langfristig wirklich ankommt und was von sekundärer Bedeutung ist, weil es sich bei Gelegenheit ganz leicht modifizieren läßt. Also: Ob die (schon vorhandenen) Ständer für die Poster designerisch auf dem letzten Stand sind oder nicht, das hat die Architekten zuletzt beschäftigt: Sie sind nicht umwerfend gut, sie sind auch nicht schlecht, sie sind einfach ganz normal. Und gegebenenfalls kann man sie immer noch austauschen.

Das darf man als Architekt im Dienst eines privaten Bauherrn gerade bei kleineren Bauaufgaben nicht aus dem Auge verlieren. Es ist, bei strengen ökonomischen Vorgaben, viel Leistung gefragt, und da kann es nicht um den Entwurf einer neuen Türschnalle gehen. Geiswinkler und Aziz haben an diesem kleinen Projekt zwei Jahre gearbeitet und dabei eng mit dem Bauherrn kooperiert, um dahinterzukommen, worin die substantiellen Anforderungen einer solchen Galerie bestehen. Und sie waren dabei selbst nicht so eitel, jedes Detail neu erfinden zu wollen. Für das Logo der Galerie haben sie den Graphiker Schedle beauftragt, für die Lichtplanung - und die spielt bei einer Galerie eine ganz besondere Rolle - wandten sie sich an Zumtobel. Wir können das alles selber, sagen die Architekten, aber in solchen Spezialbereichen gibt es eben Leute, die können es noch besser.

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