Bauwerk

Kraftwerk Birsfelden
Hans Hofmann - Birsfelden (CH) - 1955
Kraftwerk Birsfelden, Foto: Kraftwerk Birsfelden AG
Kraftwerk Birsfelden, Foto: Kraftwerk Birsfelden AG

Für die Maschinenhalle des oberhalb der Basler Innenstadt gelegenen Wasserkraftwerks entwarf Hans Hofmann Anfang der fünfziger Jahre einen beidseits verglasten Riegel mit gegabelten Pfeilern. Aus den Formen der gesamten Anlage sprechen die Munterkeit und die relative Unbefangenheit jener Zeit.

28. April 2006 - Axel Simon
In Basel pflegt man ein besonderes Verhältnis zum Rhein, der hier die Schweiz verlässt. Winzige Strömungsfähren kreuzen an mehreren Stellen den Flusslauf und dienen den Baslern als alltägliches Transportmittel; ebenso winzige Angelhütten, Fischergalgen genannt, besetzen beidseitig das Ufer, das über durchgehende Fußwege mit zum Teil abenteuerlichen Passagen begangen werden kann; schließlich dient der Rhein vielen Baslern als stadtdurchmessendes Schwimmbecken - was Touristen aus, sagen wir Düsseldorf, mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen quittieren. Sogar die Fußballfans des FC Basel besingen regelmäßig ihren Fluss im so genannten Baslerlied „Z'Basel an mym Rhy“.

Kein Wunder also, dass dem Kraftwerk Birsfelden, als es im Laufe der 1940er Jahre geplant wurde, besondere Aufmerksamkeit zukam. Studien zu einem Wasserkraftwerk bei Birsfelden, einer kleinen Gemeinde rheinaufwärts unmittelbar an der Basler Stadtgrenze gelegen, gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Seitdem verging kein Jahrzehnt, ohne dass ein neues Projekt oder eine Variante desselben diskutiert wurde - schließlich handelt es sich um einen landschaftsräumlich heiklen Ort, der von den Ufern und Brücken der Stadt aus sichtbar ist. In den Jahren von 1942 bis 1947 bat die Basler Sektion der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz ihren Zentralvorstand, den Architekten Hans Hofmann (1897-1957), um Rat. Aus der Beratertätigkeit wurde ein Planauftrag, dessen Ergebnis Technik und anspruchsvolle Architektur mit einem neuen städtischen Naherholungsgebiet verband.

Hofmann, damals Professor an der ETH Zürich, war in Fachkreisen umstritten, außerhalb dieser aber populär wie kein zweiter in seinem Land. Dies hing auch mit seiner Tätigkeit als Chefarchitekt der legendären „Landi“ zusammen, der Landesausstellung 1939 in Zürich, an der die Schweiz Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein demonstrierte. Hofmann verstand es, die Forderungen der Moderne mit dem Bedürfnis nach Repräsentation, monumentalen Raumfolgen aber auch ornamentalen Fassaden zu verbinden. Seine so genannte Höhenstraße - umfangreiches Hauptgebäudeensemble der Landi - wurde zum Publikumserfolg und zum Schlüsselwerk des „Landi-Stils“, der spezifisch schweizerischen Ausprägung einer moderat modernen Architektur, die mit Farbe, Ornament und Leichtigkeit auch Nicht-Architekten-Herzen für sich gewinnen konnte.

Dass dem Architekten die Wahrnehmung des wohlgestimmten Betrachters wichtiger war als irgendeine hehre Theorie, lässt sich gut in seiner Baubeschreibung des Kraftwerks Birsfelden nachlesen, die er 1957, drei Jahre nach Fertigstellung der Hochbauten, in der Zeitschrift „Werk“ veröffentlichte. Sein Vorgehen bezeichnet Hofmann dort als „schöpferische künstlerische Arbeit“, die sich jedoch nicht erklären und noch weniger beweisen ließe, „denn sie ist immer eine Synthese von Verstand, Begabung und Eingebung“. Dass er den Beton der Bauten dunkelgrün streichen und mit weißen Linien und Fensterrahmen einfassen ließ, meinte er später im Text verteidigen zu müssen: „Es gibt eine Theorie, daß man Beton roh belassen soll. Ich bin aber gegen Theorien und die Einengung der künstlerischen Freiheit. Ich liebe den verfleckten und verschmutzten Beton großer Flächen und seine nüchterne, kalte Ausstrahlung nicht.“

Heitere Maschinenwelt

Und tatsächlich ist die Maschinenhalle des Kraftwerks alles andere als nüchtern und kalt. Ebenso expressiv wie leicht ruht das gefaltete Dach auf zwei Reihen Y-förmiger kannelierter Stützen, die sowohl die längs auftretenden Windlasten als auch die enormen Schublasten der Kranbahn aufnehmen, mit der bei Revisionen die vier je 140 Tonnen schweren Turbinen bewegt werden. Er habe sich bei der Turbinenhalle auf die notwendigen Bauelemente „Stützen, Kranbahn und Dach“ beschränkt, so der Architekt - in der Ansicht vom Fluss aus wird die Filigranität der Hallenhülle im Vergleich zur massiven Turbinenwelt darunter deutlich. Nachts schwebt das Gebäude als gleißender Lichtkörper über dem Wasser, dank der sechzig kleinen Punkt-Hängeleuchten und der indirekten Beleuchtung der Decke.

Die Transparenz des Baus ist aber nicht nur von der Fernsicht her gedacht: „Nicht nur sollte die Landschaft gleichsam durch die Halle blicken, sondern auch der Bürger und Stromabnehmer sollte in das Innere der Halle schauen können.“ Hofmann hatte sogar geplant, einen öffentlichen Fußweg durch die Halle zu legen - in der gebauten Version führt dieser nun als öffentliche Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer unmittelbar an der Turbinenhalle entlang über das Stauwehr. Über eine elegante Spindeltreppe aus Stahl ist von dieser Brücke aus ein in der Halle liegender Zuschauerbalkon zu erreichen, von dem aus man einen Blick auf Technik und Raum werfen kann. Dem Architekten ist ein heiterer Bau gelungen, der zum populärsten gehört, was die moderne Schweizer Architektur hervorgebracht hat - für die Gemeinde Birsfelden ist das Kraftwerk ein Wahrzeichen, das auf Plakaten und anderen Drucksachen häufig anzutreffen ist.

Hofmanns Haltung einer atheoretischen und empfindungsreichen Architektur findet sich jedoch nicht nur im Juwel der Maschinenhalle, die übrigens in den 1960er Jahren zusammen mit anderen Bauten des Architekten von italienischen Architektursemiotikern für ihr Forschungsgebiet entdeckt und untersucht wurde - auch aus einer ablehnenden Haltung gegenüber Theorien lässt sich Theorie machen. Hofmanns Entwurf gliedert den gesamten Landschaftsraum im Birsfeldener Rheinknie: Zur Energiegewinnung wird der Fluss hier je nach Wasserstand zwischen vier und neun Meter hoch aufgestaut. An das 120 Meter lange Maschinenhaus schließen über 150 Meter Stauwehr an, von sechs markanten Türmchen gegliedert. In diesen figurativen Pfeilern befinden sich die Windwerke, die die fünf Wehre senken und heben. Auf der anderen Seite des Maschinenhauses liegt die Schleuse, die dafür sorgt, dass die Rheinschiffe den Höhensprung überwinden. Zwischen Schleuse und Kraftwerk modellierte Hofmann eine halbmondförmige Insel (im Volksmund „Inseli“), die die Betreiber der Öffentlichkeit als Park zur Verfügung stellen.

Hofmanns „fröhliches“ Kraftwerk, wie er selber es nannte, wurde erstaunlich wenig verändert. Aus ehemals einer Schleuse wurden zwei und am gegenüber liegenden Ufer sorgt eine Fischtreppe dafür, dass auch die Tiere den Höhenunterschied überwinden können. Die Anlage steht nicht unter Schutz, ist aber seit 2002 im Bauinventar der Kantonalen Denkmalpflege in der obersten Kategorie eingestuft, würde also bei geplanten Veränderungen sicher zum Baudenkmal. Doch auch ohne diesen Schutz ging man bei einer umfassenden Modernisierung des Kraftwerks 1999/2000 behutsam vor.

Der Basler Architekt Peter Fierz hatte bereits Hofmanns Basler Mustermesse umgebaut - einen Bau, der gleichzeitig mit dem Kraftwerk entstand. In Birsfelden integrierte Fierz in einen fensterlosen Teil des ehemaligen Dienstgebäudes Räume für Verwaltung und Leitung und gab ihm einen repräsentativen Eingang. Die Turbinenhalle restaurierte er fachgerecht: Die verblassten Farbanstriche (gedecktes Grün außen, gelbe, rote und blaue Teile innen) wurden analysiert und erneuert und die vier Maschinenleitstände neu gestaltet - parallel zu einer umfassenden technischen Modernisierung, die den Arbeitsablauf automatisierte und den Energiegewinn um fünf Prozent steigerte. Was aus dem Kraftwerk Birsfelden auch heute noch ein exemplarisches Bauwerk macht, ist nicht nur seine hochstehende architektonische Gestaltung. Es ist das Ineinandergreifen von Arbeitswelt und öffentlichem Raum, der das Ensemble erlebbar und durchquerbar macht - auch außerhalb der viel besuchten öffentlichen Führungen.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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