Bauwerk
U-Bahnstation „Lohring“
Rübsamen Partner - Bochum (D) - 2006
Licht im Dunkel
Beim Ausbau der Bahnsteighalle gelang es, den typischen Charakter der unterirdischen Tunnelröhre zu bewahren und trotzdem Weite und Großzügigkeit spürbar werden zu lassen. Die Haltestelle bietet das Erlebnis einer ganz eigenen Welt unter Tage.
28. April 2006 - Klaus Englert
Es ist nicht gerade üblich, dass renommierte Architekten, die gewöhnlich repräsentative Bauwerke im städtischen Umfeld errichten, auch einmal „unter Tage“ arbeiten. Eines der Beispiele ist Norman Foster, der in Bilbao eine hochmoderne U-Bahnstation konstruierte. Sie entstand etwa zu jener Zeit, als Frank Gehry der grauen Industriestadt ein glitzerndes Museum baute und damit den „Bilbao-Effekt“ begründete. An Fosters aluminiumverkleidete und großräumige U-Bahnstation erinnert sich leider kaum jemand, obgleich sie die modernste in ganz Spanien ist. In Porto griff Eduardo Souto de Moura nicht auf das High-Tech des britischen Lord, sondern auf Granit zurück, den traditionellen Baustoff, mit dem die italienischen Barockbaumeister die dortige Kathedrale errichteten. Souto de Moura verwendete bei der Gestaltung der Metrostation, die unmittelbar hinter Rem Koolhaas' „Casa da Música“ liegt, matt geschliffene Granitplatten, zudem setzte er in dem äußerst klar geschnittenen Raum linear verlaufendes Kunstlicht und Glasplatten für Lifte und Brüstungen ein.
Die Sensibilität für klare Raumgestaltung und überzeugende Materialwahl ist auch dem Team von Rübsamen + Partner zueigen. Das bewiesen die Architekten bei der überaus gelungenen Gestaltung des Bochumer U-Bahnhofs Lohring, den sie Ende Januar, neun Jahre nach dem gewonnenen Wettbewerb, endlich fertig stellen konnten. Man kann sich durchaus dem euphorischen Kommentar des Bochumer Stadtbaurats Martin zur Nedden anschließen, der während der Eröffnung des U-Bahnhofs sagte: „Das ist ein Meilenstein für die Stadtentwicklung.“ Zunächst fällt auf, dass die Konzeptionen für die Erschließung der beiden U-Bahnhöfe in Bochum und Porto durchaus vergleichbar sind. Dies wird deutlich, wenn man die Treppe hinunter zur Zwischenebene und zu den Bahnsteigen wählt, vorbei an geschliffenen, anthrazitfarbenen Granitplatten und bündig angebrachten Lichtbändern. Dem klaren Raumkonzept gesellt sich ein Farbenspiel hinzu, das unmittelbar verdeutlicht, dass Architektur nicht nur nach Ordnungsverhältnissen ausgerichtet sein soll, sondern auch, wenn sie wirklich gelungen und überzeugend ist, die sinnlichen Reize anspricht.
Holger Rübsamen, der bei Oswald M. Ungers, dem strengsten Verfechter kubischer und orthogonaler Architektur, in die Lehre ging, spricht begeistert vom „grünen Lichtsee“. In diesen Lichtsee taucht der Fahrgast ein, wenn er von der Zwischenebene, unter der roten Ausleuchtung der Betondecke hinweg, die Rolltreppe hinab zum Bahnsteig benutzt. Plötzlich wird er eingehüllt von einer zwölf Meter hohen Halbröhre, vormals ein kahles Betongewölbe, das nun mit schimmernden Aluminiumplatten verkleidet ist. Die Reflexionen auf den Metallplatten entstehen durch die raffinierte Bodenformation, rechteckige Glasplatten, die die Leuchtkörper unterhalb der Oberfläche verbergen. So ist der Fahrgast nirgendwo direkten Lichtquellen ausgesetzt, er nimmt allenfalls das aus dem Boden kommende gefilterte Licht und die Reflexionen an der Decke wahr.
Lichtkunstwerk
Unterhalb der Decke verlaufen schlangenartig gewundene Neonröhren, entworfen von der Düsseldorfer Künstlerin Eva-Maria Joeressen. Von ihr stammt auch ein gelbes Lichtkreuz, das sie am Ende des Bahnsteigs in eine knallrote Wand integrierte, hinter der sich die Gebäudetechnik verbirgt. Das Lichtkunstwerk ist eine komplexe Farbkomposition, bestehend aus dem „grünen Lichtsee“, den grell erleuchteten Schlangenlinien und der abstrakt gestalteten Wandtafel. Nicht umsonst schrieb die Bochumer Lokalpresse nach der Eröffnung des Bahnhofs von einem „Erlebnisraum“, und Holger Rübsamen fügte hinzu: „Das ist nicht einfach eine U-Bahnstation für uns, sondern mehr.“ Mit diesem „Mehr“ meint er nicht nur den künstlerischen Beitrag von Eva-Maria Joeressen, sondern auch Klaus Kessners Klanginstallation, die durch die Verarbeitung von „in situ“ aufgenommenen Geräuschen den wartenden Fahrgast mit stets veränderten Lauteindrücken überrascht. Holger Rübsamen schwärmt von dem vorgefundenen Betongewölbe, einem völlig stützenfreien Gewölbe mit einem der größten Querschnitte, die jemals in Deutschland unterirdisch gebaut worden sind. Die Raummaße der einseitig erschlossenen, röhrenartigen Halle weisen immerhin eine Höhe von acht, eine Breite von 18 und eine Länge von 97 Metern auf. Für Rübsamen galt es nicht nur, die Gewölbearchitektur zu bewahren, sondern gleichsam ihren Erlebnischarakter zu steigern - „den herabsteigenden Passanten eine eindrucksvolle Perspektive“ zu bieten. Während die Bochumer Architekten die Decke von allen Installationen freihielten, konzentrierten sie sich darauf, den räumlichen Eindruck durch halbtransparente und reflektierende Oberflächen zu steigern. Besonders stolz sind Rübsamen und sein Partner Boris E. Biskamp auf die ungewöhnliche Bodenkonstruktion, die wesentlich das Ambiente des Ortes prägt. Da die Oberfläche der dreilagigen Sicherheits-Glasplatten extrem rutschfest und widerstandfähig sein musste, war es notwendig, das Material einer Sonderbehandlung zu unterziehen, für die eine holländische Firma aus Voorhuizen bei Amsterdam eine besonders effiziente Methode entwickelte. Im Grunde ist das Verfahren relativ einfach, denn die Holländer legen die Glasplatten in ein Quartz-Sandbett und lassen sie dann in einem Ofen erhitzen, bis sich die Schicht aus Quartz und Sand mit den Glasplatten verbindet. Das Resultat ist eine verblüffend rauhe und stumpfe Oberfläche, die sich bestens für begehbare Flächen im städtischen Raum eignet. Weil sich Rübsamen und Biskamp für eine indirekte Bodenbeleuchtung entschieden, befestigten sie die Leuchtkörper unterhalb von Aluminiumgussplatten, die entlang des Gleiskörpers angebracht wurden. Die Glas- und Aluminiumplatten mussten notgedrungen durch kleine „Stempelchen“ aufgeständert werden, um Raum für die Beleuchtung zu schaffen. So hat man den Eindruck einer vollständig illuminierten Bodenformation.
Entscheidend für den atmosphärischen Raumeindruck ist die Verkleidung des Betongewölbes mit schmalen Aluminiumblechen, die die Biegung des Raumkörpers nachzeichnen. Diese perforierten Aluminiumplättchen haben zunächst die Eigenschaft, den Schall aufzunehmen, der schließlich durch ein dahinter liegendes, zwei Millimeter dickes Schallschluckflies vollständig absorbiert wird. Die atmosphärische Natur der Aluminiumbleche entsteht aber erst durch ein, erstmals im Automobilbau angewandtes Eloxierverfahren, das durch den Einsatz von Spectrocolor die Oberflächen leicht changieren lässt. Im U-Bahnhof Lohring strahlt das Licht hinauf und wird von der schimmernden Aluminiumhaut reflektiert, die mit der Längsausrichtung des Fugenschnitts die Gestrecktheit des Tonnendachs hervorhebt. Holger Rübsamen meint, dass die Farben von Glas- und Aluminiumplatten selbstverständlich abgestimmt sein mussten: „Wir konnten erreichen, dass niemals gleiche Lichtreflexionen an der Decke entstehen. Wir wollten keine sterile Oberfläche.“
Es wäre geradezu frevelhaft, wenn Bahnbedienstete auch hier für das handelsübliche Mobiliar gesorgt hätten. Zum Glück konnten sich Rübsamen und Biskamp mit der Stadtverwaltung einigen, den homogenen Raumeindruck zu bewahren und auf konventionelle Bänke und Werbung zu verzichten. Bei der Unterbringung von Fahrkartenautomaten wurde darauf geachtet, die Geräte möglichst bündig anzubringen. Damit ist den Bochumer Architekten in Zusammenarbeit mit Eva-Maria Joeressen und Klaus Kessner ein eindrucksvolles Raumkunstwerk gelungen, das hoffentlich Anreiz bei vergleichbaren Projekten schaffen wird.
Die Sensibilität für klare Raumgestaltung und überzeugende Materialwahl ist auch dem Team von Rübsamen + Partner zueigen. Das bewiesen die Architekten bei der überaus gelungenen Gestaltung des Bochumer U-Bahnhofs Lohring, den sie Ende Januar, neun Jahre nach dem gewonnenen Wettbewerb, endlich fertig stellen konnten. Man kann sich durchaus dem euphorischen Kommentar des Bochumer Stadtbaurats Martin zur Nedden anschließen, der während der Eröffnung des U-Bahnhofs sagte: „Das ist ein Meilenstein für die Stadtentwicklung.“ Zunächst fällt auf, dass die Konzeptionen für die Erschließung der beiden U-Bahnhöfe in Bochum und Porto durchaus vergleichbar sind. Dies wird deutlich, wenn man die Treppe hinunter zur Zwischenebene und zu den Bahnsteigen wählt, vorbei an geschliffenen, anthrazitfarbenen Granitplatten und bündig angebrachten Lichtbändern. Dem klaren Raumkonzept gesellt sich ein Farbenspiel hinzu, das unmittelbar verdeutlicht, dass Architektur nicht nur nach Ordnungsverhältnissen ausgerichtet sein soll, sondern auch, wenn sie wirklich gelungen und überzeugend ist, die sinnlichen Reize anspricht.
Holger Rübsamen, der bei Oswald M. Ungers, dem strengsten Verfechter kubischer und orthogonaler Architektur, in die Lehre ging, spricht begeistert vom „grünen Lichtsee“. In diesen Lichtsee taucht der Fahrgast ein, wenn er von der Zwischenebene, unter der roten Ausleuchtung der Betondecke hinweg, die Rolltreppe hinab zum Bahnsteig benutzt. Plötzlich wird er eingehüllt von einer zwölf Meter hohen Halbröhre, vormals ein kahles Betongewölbe, das nun mit schimmernden Aluminiumplatten verkleidet ist. Die Reflexionen auf den Metallplatten entstehen durch die raffinierte Bodenformation, rechteckige Glasplatten, die die Leuchtkörper unterhalb der Oberfläche verbergen. So ist der Fahrgast nirgendwo direkten Lichtquellen ausgesetzt, er nimmt allenfalls das aus dem Boden kommende gefilterte Licht und die Reflexionen an der Decke wahr.
Lichtkunstwerk
Unterhalb der Decke verlaufen schlangenartig gewundene Neonröhren, entworfen von der Düsseldorfer Künstlerin Eva-Maria Joeressen. Von ihr stammt auch ein gelbes Lichtkreuz, das sie am Ende des Bahnsteigs in eine knallrote Wand integrierte, hinter der sich die Gebäudetechnik verbirgt. Das Lichtkunstwerk ist eine komplexe Farbkomposition, bestehend aus dem „grünen Lichtsee“, den grell erleuchteten Schlangenlinien und der abstrakt gestalteten Wandtafel. Nicht umsonst schrieb die Bochumer Lokalpresse nach der Eröffnung des Bahnhofs von einem „Erlebnisraum“, und Holger Rübsamen fügte hinzu: „Das ist nicht einfach eine U-Bahnstation für uns, sondern mehr.“ Mit diesem „Mehr“ meint er nicht nur den künstlerischen Beitrag von Eva-Maria Joeressen, sondern auch Klaus Kessners Klanginstallation, die durch die Verarbeitung von „in situ“ aufgenommenen Geräuschen den wartenden Fahrgast mit stets veränderten Lauteindrücken überrascht. Holger Rübsamen schwärmt von dem vorgefundenen Betongewölbe, einem völlig stützenfreien Gewölbe mit einem der größten Querschnitte, die jemals in Deutschland unterirdisch gebaut worden sind. Die Raummaße der einseitig erschlossenen, röhrenartigen Halle weisen immerhin eine Höhe von acht, eine Breite von 18 und eine Länge von 97 Metern auf. Für Rübsamen galt es nicht nur, die Gewölbearchitektur zu bewahren, sondern gleichsam ihren Erlebnischarakter zu steigern - „den herabsteigenden Passanten eine eindrucksvolle Perspektive“ zu bieten. Während die Bochumer Architekten die Decke von allen Installationen freihielten, konzentrierten sie sich darauf, den räumlichen Eindruck durch halbtransparente und reflektierende Oberflächen zu steigern. Besonders stolz sind Rübsamen und sein Partner Boris E. Biskamp auf die ungewöhnliche Bodenkonstruktion, die wesentlich das Ambiente des Ortes prägt. Da die Oberfläche der dreilagigen Sicherheits-Glasplatten extrem rutschfest und widerstandfähig sein musste, war es notwendig, das Material einer Sonderbehandlung zu unterziehen, für die eine holländische Firma aus Voorhuizen bei Amsterdam eine besonders effiziente Methode entwickelte. Im Grunde ist das Verfahren relativ einfach, denn die Holländer legen die Glasplatten in ein Quartz-Sandbett und lassen sie dann in einem Ofen erhitzen, bis sich die Schicht aus Quartz und Sand mit den Glasplatten verbindet. Das Resultat ist eine verblüffend rauhe und stumpfe Oberfläche, die sich bestens für begehbare Flächen im städtischen Raum eignet. Weil sich Rübsamen und Biskamp für eine indirekte Bodenbeleuchtung entschieden, befestigten sie die Leuchtkörper unterhalb von Aluminiumgussplatten, die entlang des Gleiskörpers angebracht wurden. Die Glas- und Aluminiumplatten mussten notgedrungen durch kleine „Stempelchen“ aufgeständert werden, um Raum für die Beleuchtung zu schaffen. So hat man den Eindruck einer vollständig illuminierten Bodenformation.
Entscheidend für den atmosphärischen Raumeindruck ist die Verkleidung des Betongewölbes mit schmalen Aluminiumblechen, die die Biegung des Raumkörpers nachzeichnen. Diese perforierten Aluminiumplättchen haben zunächst die Eigenschaft, den Schall aufzunehmen, der schließlich durch ein dahinter liegendes, zwei Millimeter dickes Schallschluckflies vollständig absorbiert wird. Die atmosphärische Natur der Aluminiumbleche entsteht aber erst durch ein, erstmals im Automobilbau angewandtes Eloxierverfahren, das durch den Einsatz von Spectrocolor die Oberflächen leicht changieren lässt. Im U-Bahnhof Lohring strahlt das Licht hinauf und wird von der schimmernden Aluminiumhaut reflektiert, die mit der Längsausrichtung des Fugenschnitts die Gestrecktheit des Tonnendachs hervorhebt. Holger Rübsamen meint, dass die Farben von Glas- und Aluminiumplatten selbstverständlich abgestimmt sein mussten: „Wir konnten erreichen, dass niemals gleiche Lichtreflexionen an der Decke entstehen. Wir wollten keine sterile Oberfläche.“
Es wäre geradezu frevelhaft, wenn Bahnbedienstete auch hier für das handelsübliche Mobiliar gesorgt hätten. Zum Glück konnten sich Rübsamen und Biskamp mit der Stadtverwaltung einigen, den homogenen Raumeindruck zu bewahren und auf konventionelle Bänke und Werbung zu verzichten. Bei der Unterbringung von Fahrkartenautomaten wurde darauf geachtet, die Geräte möglichst bündig anzubringen. Damit ist den Bochumer Architekten in Zusammenarbeit mit Eva-Maria Joeressen und Klaus Kessner ein eindrucksvolles Raumkunstwerk gelungen, das hoffentlich Anreiz bei vergleichbaren Projekten schaffen wird.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
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