Bauwerk

PA1 - Das Haus mit der Elefantenhaut
PPAG - Zurndorf (A) - 2005
PA1 - Das Haus mit der Elefantenhaut, Foto: Margherita Spiluttini
PA1 - Das Haus mit der Elefantenhaut, Foto: Margherita Spiluttini

Raue Schale, hölzerner Kern

Inmitten alter Obstbäume entwarfen die PPAG-Architekten ein Haus mit einer grauen Spritzfolienhaut. Das sperrholzverkleidete Innere entfaltet eine warme, behagliche Atmosphäre.

20. Mai 2006 - Isabella Marboe
Die Baufrau lebt und arbeitet in Wien, ihr Glück liegt auf dem Rücken der Pferde. Oft fuhr sie zum Reiten auf den Friedrichshof, um in der Weite des pannonischen Flachlands den Alltag weit hinter sich und die Seele baumeln zu lassen. Hohes Gras wuchs über das Areal von Otto Muehls Kommune und seine bewegte Geschichte. Heute wird es von einer Genossenschaft als weltoffenes Dorf mit etwa 150 Einwohnern verwaltet. Es gibt eine Sozialeinrichtung, neue Wohnhäuser, Hotel, Gasthaus, Badeteich, Föhrenwäldchen, Pferde, Spiel-Sportplätze und sehr viel Landschaft. Für Menschen mit großem Bewegungs- und Naturdrang ist der Friedrichshof ein kleines Paradies, für Pferde auch: ihre Ställe, Koppeln und Weiden liegen am Nordsaum des Areals.

Als die Baufrau einmal aus der Reithalle trat, stach ihr der Obstgarten gegenüber ins Auge. Die Apfel-, Kirschen-, Ringlottenbäume, die sich vor Himmel, Wasserturm und puristischem Krischanitz-Hofhaus aufreihten, strahlten tiefen Frieden aus. Der Gedanke, dass sich jemand der guten Aura dieses Ortes bemächtigen und sie zerstören könnte, ließ sie ihn kaufen und flugs zur Baufrau werden.

Binnen zwei Jahren musste ein Haus draufstehen, für das sie ein Minibudget und klare Vorgaben hatte: 100 m² Wohnfläche, die mit der gewachsenen Schönheit des Gartens und ihrer Persönlichkeit in Einklang standen. Kein Baum sollte fallen, als Bauplatz blieb ein Stück Wiese im schmalen Garten, dessen südöstliche Längsseite strategisch günstig die Zufahrt säumt.

Die PPAG Architekten entwarfen eine Behausung, die wie ein friedlich schlummerndes Wesen leicht schwebend zwischen Obstbäumen ruht. Der Straße zeigt es seine graue Kehrseite, die mit gut dämmendem Zweikomponentenschaum bespritzt ist und in ihrer unregelmäßigen Struktur an gerunzelte Elefantenhaut erinnert. Wie ein Auge blinzelt das WC-Fenster aus der Fassade, unmissverständlich signalisiert die rote Schiebetür: offen oder zu.

An der Rampe in den höhlenartig grauen Vorbereich dahinter wird man schlammige Stiefel los, an der Schnittstelle aller Lebensbereiche tritt man ins Haus. Durch die Wohnraumschiebetür winkt der Garten, gegenüber das weißgekachelte Bad. Gleichsam als Mini-Arena für private Auf-und Abtritte führen differenziert gestaltete Stufen zu Schlafzimmer und Studio, wo durch große Fensterscheiben die Baumkronen schwingen und in Augenhöhe Pferde vorüberziehen. Souverän hebt sich die aufgeständerte Fundamentplatte über Schlamm und Kleingetier hinweg, um mit einem Niveausprung die private Wohnzone der ersten morgensonnenbeschienenen Baumreihe entgegenwachsen zu lassen.

Auch das raffiniert verschnittene Sparrendach, das ein archetypisches Dorfthema zur organisch anmutenden Form umwandelt, fügt sich Garten und Hauscharakter. Sein tragendes Gerippe ist eine Pfosten-Riegel-Holzkonstruktion, die sich mit Regalelementen an der Wand zur Stellfläche auswächst.

Wie das Geäst eines Baumes streben die Dachsparren mit ihren Querträgern zum weiten, schrägen Über-Eck-Panoramaglas himmelwärts. Es lässt den Garten gleichsam hereinkippen und mündet mit zwei Türen im Freien.

Vom Boden, aus dem die frei stehende Küchenzeile zu sprossen scheint, bis zur Decke ist alles mit Pappelsperrholz verkleidet und verströmt so eine ruhig-warme Behaglichkeit, vor der sich die grüne Pracht unterm weiten Himmel voll entfalten kann. Mit seinem lauschigen Leseeck unterm Diagonalsparren und der offenen Mitte am Panoramaglas wird dieser Wohnraum allein nicht zu groß, zu mehrt nicht zu klein.

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