Bauwerk
Erweiterung der Wirtschaftsschule KV Baden-Zurzach
Neff Neumann Architekten - Baden (CH) - 2006
Schulhaus zwischen Stadt und Wald
Für die Wirtschaftsschule KV Baden-Zurzach haben die Architektinnen Barbara Neff und Bettina Neumann eine Erweiterung erstellt. Der Betonbau sitzt an der Hangkante, wo die Stadt aufhört und der Wald anfängt. Herzstück des kantigen Baus ist die dreigeschossige Halle.
30. Juni 2006 - Werner Huber
Die Gegend um den Bahnhof Oberstadt ist eine vergessene Ecke Badens, erst recht, seit die SBB vor zwei Jahren den Personenverkehr auf der Linie zwischen Baden und Lenzburg einstellten. Noch fünf Güterzüge fahren täglich an dem funktionslos gewordenen Bahnhof vorbei. Etwas Leben ins Quartier bringen die 1500 Schülerinnen und Schüler der Wirtschaftsschule KV Baden-Zurzach, die täglich über die Passerelle in ihr Schulhaus jenseits der Gleise strömen. Anfang der Achtzigerjahre stellte die Architektengemeinschaft Meier+Kern und Obrist+Partner eine grün befensterte braune Kiste zwischen die Gleise und den Wald. Der Pausenplatz beschränkte sich auf eine schmale Terrasse im Winkel zwischen dem Schulhaus und den zur Hälfte in den Boden eingelassenen Turnhallen.
Für eine Erweiterung der Schule stand also nicht viel Platz zur Verfügung. Eines der zentralen Anliegen von Barbara Neff und Bettina Neumann, die 2001 den Wettbewerb für den Erweiterungsbau gewannen, war die Verbesserung des Aussenraums. Sie gaben dem Pausenplatz mit einem scharf geschnittenen Betonkörper eine räumliche Fassung. Er entwickelt sich aus dem Sockel heraus, der als Rampe zur tiefer gelegenen Kreuzlibergstrasse vermittelt. Nach Osten definiert der Neubau einen präzisen Abschluss des Schulareals. Nach Westen hingegen - zum Altbau und zum Pausenplatz - öffnet er sich mit der Geste der spektakulären Auskragung der beiden Obergeschosse über das Erdgeschoss. Damit vergrössern die Architektinnen den knappen Aussenraum, schaffen einen gedeckten Pausenplatz und verschränken das Äussere mit dem Innern. Präzise sichtbar wird dadurch auch die Lage des Gebäudes im Gelände: Von hinten her fliesst der Waldboden bis unter die Auskragung, entlang der Gleise reicht Vegetation bis an die Gebäudekante.
Im Herz die Halle
Eine halb in den Beton eingelassene Uhr, eine künstlerische Arbeit von Guido Nussbaum, markiert den Eingang und macht den Bau zum Schulhaus. Der öffentliche Raum des Pausenplatzes setzt sich im Innern des Neubaus fort und erklimmt auch die oberen Geschosse. Die dreigeschossige, im Grundriss quadratische Halle ist das Herz des Hauses. Zwei Treppen ermöglichen vielfältige Promenaden durchs Haus und die Galerien öffnen den Durchblick von Geschoss zu Geschoss. Eine Raumausweitung auf jedem Stock öffnet die introvertierte Halle nach aussen und bietet Platz für Tische mit Pausen- oder Arbeitsplätzen. Die Halle bildet den idealen Rahmen für eine der Lieblingsbeschäftigungen der KV-Schülerinnen und -Schüler während den Pausen: dem Sehen und Gesehenwerden. „Das haben wir doch damals auch gemacht“, erinnert sich Bettina Neumann. Die Bühne für diese im Rhythmus der Pausenglocke stattfindenden Auftritte haben die Architektinnen neutral gehalten; Beton beherrscht die Szene an Wänden und Decken und am Boden liegt betongrauer Terrazzo. Doch Beton ist nicht gleich Beton, wie die haushohe Wand gleich nach dem Betreten der Halle demonstriert. Hier wechseln sich schalungsrohe mit gestockten Betonflächen ab. Ein aufmerksamer Gang durchs Haus zeigt erstens, dass sich die beiden unterschiedlichen Oberflächen wie eine Schlaufe den Wänden entlang durchs ganze Gebäude ziehen, und zweitens, dass die schalungsrohen Flächen mit einer Farbe gestrichen sind, die die Wand je nach Lichteinfall geheimnisvoll schimmern lässt. Der Künstler Mayo Bucher hat die Behandlung der Oberflächen als Kunst-am-Bau-Arbeit zusammen mit den Architektinnen entwickelt. Es ist eine feine Arbeit, die man an der grossen Hallenwand zwar auf Anhieb erkennt, die sich aber in ihrer Gesamtheit erst allmählich erschliesst.
Einen Kontrapunkt zum kantigen Beton setzen die runden Oberlichter der Halledecke und die ebenfalls runden Leuchten auf den Galerien; mit mattem Glas gedeckte, violett schimmernde Öffnungen im Hallenboden weisen darauf hin, dass auch im Untergeschoss etwas los ist. Die gestockten und die schimmernd gestrichenen Betonwände leiten über die Treppen nach unten in den Gymnastik- und Kraftraum, dessen professionelle Ausrüstung die Bedeutung illustriert, die die Schulleitung dem Sport zumisst. Nun löst sich auch das Rätsel des violetten Lichts, das durch die fünf runden Oberlichter in die Halle schimmerte: Auf dem Boden liegt ein dunkelvioletter Belag.
Eine andere, lichtere Stimmung als in der kargen kantigen Halle herrscht in den Unterrichtszimmern, deren Wände und Decken in Weiss strahlen und auf deren Boden ein gelber Linoleum liegt. „Wir wollten ein neutrales Gefäss schaffen“, erläutert Bettina Neumann die Absicht der Architektinnen. Alle Zimmer sind identisch gestaltet, einzig durch ihre Grösse unterscheiden sie sich - die Informatikzimmer sind etwas grösser als die Klassenzimmer, die Gruppenräume etwas kleiner. Trotz der einheitlichen Farben und Oberflächen ist die Atmosphäre in jedem Raum anders, je nach dem, ob vor dem schwarz gerahmten Fenster der Wald aufragt oder sich die Weite der Stadt ausbreitet. Während des Unterrichts sind die beiden Welten von Halle und Zimmer hermetisch voneinander getrennt. Während der Pause jedoch, wenn die Türen geöffnet sind, überträgt sich dank dem gelben Boden die heitere Raumatmosphäre auch auf die Halle, die dann vom Leben der pausierenden Schülerinnen und Schüler erfüllt ist.
In den innen ausgekleideten Zimmern ahnt man auch, wie das ganze Haus konstruiert ist: aus innen gedämmtem Beton, bei dem die Anschlussprobleme so gut gelöst wurden, dass das Haus den Minergie-Standard erfüllt. Monolithischer Beton war von Anfang an der Wunsch der Architektinnen und die Auskragung über dem Erdgeschoss hätte eine andere Konstruktion gar nicht zugelassen. Erst als die letzte Wand und die letzte Decke betoniert waren, durfte man die Spriessen unter der Auskragung entfernen.
Frisch, statt verzagt
Der Neubau von Barbara Neff und Bettina Neumann macht aus dem etwas verloren in der Gegend sitzenden Schulhaus der Achtzigerjahre ein präzis definiertes Ensemble aus zwei Bauten. 25 Jahre liegen zwischen den beiden Teilen und der Unterschied ist offensichtlich: Dem Altbau ist die Verzagtheit und Orientierungslosigkeit der Architektur seiner Zeit anzusehen. Er ist zwar ein in der Tradition- der Moderne stehender Kubus, zeigt aber mit seinen auf dem Quadratraster aufgebauten Fensterteilungen auch Attribute der Postmoderne. Wie viel frischer und selbstbewusster tritt da der Neubau auf und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Kein Wunder, musste die Schulleitung für Ortsunkundige an der Zugangspasserelle eiligst ein Schild montieren: ‹Verwaltung› steht drauf, und es weist - wie schade - nach rechts, zum Altbau.
Für eine Erweiterung der Schule stand also nicht viel Platz zur Verfügung. Eines der zentralen Anliegen von Barbara Neff und Bettina Neumann, die 2001 den Wettbewerb für den Erweiterungsbau gewannen, war die Verbesserung des Aussenraums. Sie gaben dem Pausenplatz mit einem scharf geschnittenen Betonkörper eine räumliche Fassung. Er entwickelt sich aus dem Sockel heraus, der als Rampe zur tiefer gelegenen Kreuzlibergstrasse vermittelt. Nach Osten definiert der Neubau einen präzisen Abschluss des Schulareals. Nach Westen hingegen - zum Altbau und zum Pausenplatz - öffnet er sich mit der Geste der spektakulären Auskragung der beiden Obergeschosse über das Erdgeschoss. Damit vergrössern die Architektinnen den knappen Aussenraum, schaffen einen gedeckten Pausenplatz und verschränken das Äussere mit dem Innern. Präzise sichtbar wird dadurch auch die Lage des Gebäudes im Gelände: Von hinten her fliesst der Waldboden bis unter die Auskragung, entlang der Gleise reicht Vegetation bis an die Gebäudekante.
Im Herz die Halle
Eine halb in den Beton eingelassene Uhr, eine künstlerische Arbeit von Guido Nussbaum, markiert den Eingang und macht den Bau zum Schulhaus. Der öffentliche Raum des Pausenplatzes setzt sich im Innern des Neubaus fort und erklimmt auch die oberen Geschosse. Die dreigeschossige, im Grundriss quadratische Halle ist das Herz des Hauses. Zwei Treppen ermöglichen vielfältige Promenaden durchs Haus und die Galerien öffnen den Durchblick von Geschoss zu Geschoss. Eine Raumausweitung auf jedem Stock öffnet die introvertierte Halle nach aussen und bietet Platz für Tische mit Pausen- oder Arbeitsplätzen. Die Halle bildet den idealen Rahmen für eine der Lieblingsbeschäftigungen der KV-Schülerinnen und -Schüler während den Pausen: dem Sehen und Gesehenwerden. „Das haben wir doch damals auch gemacht“, erinnert sich Bettina Neumann. Die Bühne für diese im Rhythmus der Pausenglocke stattfindenden Auftritte haben die Architektinnen neutral gehalten; Beton beherrscht die Szene an Wänden und Decken und am Boden liegt betongrauer Terrazzo. Doch Beton ist nicht gleich Beton, wie die haushohe Wand gleich nach dem Betreten der Halle demonstriert. Hier wechseln sich schalungsrohe mit gestockten Betonflächen ab. Ein aufmerksamer Gang durchs Haus zeigt erstens, dass sich die beiden unterschiedlichen Oberflächen wie eine Schlaufe den Wänden entlang durchs ganze Gebäude ziehen, und zweitens, dass die schalungsrohen Flächen mit einer Farbe gestrichen sind, die die Wand je nach Lichteinfall geheimnisvoll schimmern lässt. Der Künstler Mayo Bucher hat die Behandlung der Oberflächen als Kunst-am-Bau-Arbeit zusammen mit den Architektinnen entwickelt. Es ist eine feine Arbeit, die man an der grossen Hallenwand zwar auf Anhieb erkennt, die sich aber in ihrer Gesamtheit erst allmählich erschliesst.
Einen Kontrapunkt zum kantigen Beton setzen die runden Oberlichter der Halledecke und die ebenfalls runden Leuchten auf den Galerien; mit mattem Glas gedeckte, violett schimmernde Öffnungen im Hallenboden weisen darauf hin, dass auch im Untergeschoss etwas los ist. Die gestockten und die schimmernd gestrichenen Betonwände leiten über die Treppen nach unten in den Gymnastik- und Kraftraum, dessen professionelle Ausrüstung die Bedeutung illustriert, die die Schulleitung dem Sport zumisst. Nun löst sich auch das Rätsel des violetten Lichts, das durch die fünf runden Oberlichter in die Halle schimmerte: Auf dem Boden liegt ein dunkelvioletter Belag.
Eine andere, lichtere Stimmung als in der kargen kantigen Halle herrscht in den Unterrichtszimmern, deren Wände und Decken in Weiss strahlen und auf deren Boden ein gelber Linoleum liegt. „Wir wollten ein neutrales Gefäss schaffen“, erläutert Bettina Neumann die Absicht der Architektinnen. Alle Zimmer sind identisch gestaltet, einzig durch ihre Grösse unterscheiden sie sich - die Informatikzimmer sind etwas grösser als die Klassenzimmer, die Gruppenräume etwas kleiner. Trotz der einheitlichen Farben und Oberflächen ist die Atmosphäre in jedem Raum anders, je nach dem, ob vor dem schwarz gerahmten Fenster der Wald aufragt oder sich die Weite der Stadt ausbreitet. Während des Unterrichts sind die beiden Welten von Halle und Zimmer hermetisch voneinander getrennt. Während der Pause jedoch, wenn die Türen geöffnet sind, überträgt sich dank dem gelben Boden die heitere Raumatmosphäre auch auf die Halle, die dann vom Leben der pausierenden Schülerinnen und Schüler erfüllt ist.
In den innen ausgekleideten Zimmern ahnt man auch, wie das ganze Haus konstruiert ist: aus innen gedämmtem Beton, bei dem die Anschlussprobleme so gut gelöst wurden, dass das Haus den Minergie-Standard erfüllt. Monolithischer Beton war von Anfang an der Wunsch der Architektinnen und die Auskragung über dem Erdgeschoss hätte eine andere Konstruktion gar nicht zugelassen. Erst als die letzte Wand und die letzte Decke betoniert waren, durfte man die Spriessen unter der Auskragung entfernen.
Frisch, statt verzagt
Der Neubau von Barbara Neff und Bettina Neumann macht aus dem etwas verloren in der Gegend sitzenden Schulhaus der Achtzigerjahre ein präzis definiertes Ensemble aus zwei Bauten. 25 Jahre liegen zwischen den beiden Teilen und der Unterschied ist offensichtlich: Dem Altbau ist die Verzagtheit und Orientierungslosigkeit der Architektur seiner Zeit anzusehen. Er ist zwar ein in der Tradition- der Moderne stehender Kubus, zeigt aber mit seinen auf dem Quadratraster aufgebauten Fensterteilungen auch Attribute der Postmoderne. Wie viel frischer und selbstbewusster tritt da der Neubau auf und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Kein Wunder, musste die Schulleitung für Ortsunkundige an der Zugangspasserelle eiligst ein Schild montieren: ‹Verwaltung› steht drauf, und es weist - wie schade - nach rechts, zum Altbau.
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