Bauwerk

FIFA-Hauptsitz
Tilla Theus und Partner - Zürich (CH) - 2006
FIFA-Hauptsitz, Foto: Hans Ege
FIFA-Hauptsitz, Foto: Hans Ege

Zu Hause im Weltfußball

Außen schlicht, innen ein Hochhaus. Die 208 Fifa-Mitgliedsländer haben am noblen Zürichberg ein neues Zuhause bekommen - realisiert von der Architektin Tilla Theus.

3. Juli 2010 - Michael Marek
Fifa-Straße am Zürichberg: Hier, wo die Grundstücke am teuersten sind, steht das Vereinsheim des Weltfußballverbandes. Für umgerechnet 145 Millionen Euro haben sich die 208 Mitgliedsländer ein Zuhause gegeben. Das „Home of FIFA“ erscheint von außen wie ein dunkler, drahtverhangener Monolith, der sich „in die Waldlichtung duckt, bereit zum Sprung“. So zumindest beschreibt die Zürcher Architektin Tilla Theus ihren Entwurf. Und sie erklärt: „Es ist ein Privathaus für die Familie.“

An seinen abgesenkten, 134 Meter langen Seitenflügeln reihen sich die gläsernen, wabenartigen Büroparzellen der Belegschaft. Manchem Fifa-Exekutiv-Mitglied muss dieser architektonische Gestus ein Dorn im Auge gewesen sein: So wenig machtvolle Erhabenheit strahlt das Gebäude aus. „Das Haus, wo wir früher waren, war natürlich viel schöner“, sagt Fifa-Präsident Joseph Blatter, „da hatte ich Ausblick auf den See. Aber wir wollen ja nicht imponieren, sondern in einem Haus leben, wo man sich wohlfühlt.“

Dass es sich bei dem Gebäude um ein Hochhaus handelt, erkennt man erst von innen, denn Zwei Drittel der Fifa-Zentrale liegen unter der Erde. Dazu gehören Archiv und Dokumentationszentrum, Parkplätze, Technik-, Parlaments- und Andachtsraum. Von außen sichtbar sind allein die Empfangshalle, die Büros für 300 Mitarbeiter und der Konferenzsaal mit seinem zu kleinen Foyer. Dagegen wurde die Einfahrt in die Tiefgarage so großzügig bemessen, dass selbst Lkws und Stretch-limousinen schwungvoll hineinfahren können.

Schlicht erscheint dagegen der mit schwarzen Türen gestaltete Eingangbereich, der in die riesige, elegante Empfangshalle führt. Von hier aus gelangt man über ein Treppenhaus oder einen spektakulär beleuchteten Glaslift ins Auditorium. Es gibt gewiss berauschendere Beispiele, wie sich institutionelle Größe mit Raumdramatik inszenieren lässt. Aber „nicht das Gold, sondern der leere Raum ist der Luxus“, hält Tilla Theus entgegen. „Wo ist es noch möglich, Leere zu bauen, die nicht gleich dekorativ gefüllt wird? Sie sehen es hier in der Fifa: Sie wirkt nicht dekorativ gefüllt.“

Während das Gebäude sich nach außen unscheinbar der Landschaft anpasst, harmonisch integriert in ein Naherholungsgebiet und eine Parklandschaft mit heimischer und exotischer Vegetation, herrscht im Inneren filigran inszenierte Pracht: kostbare Glasarbeiten, Schiefersteine aus Brasilien und edles US-amerikanisches Nussbaumholz. An der Wand: gehämmerte Aluminiumwände, Chromstahlhandläufe, die das Licht kunstvoll reflektieren. Bescheidenheit war sicher nicht das leitende Prinzip des Bauherrn. Zumal es die Fifa unter Blatters straffer Führung von einem kränkelnden Unternehmen zu einem weltweit operierenden Konzern geschafft hat - sicher auch dank der erfolgreichen WM in Deutschland.

Hausmeister Blatter

Wo sonst Transparenz im Vordergrund steht, wo beispielsweise Glas in Parlamentsbauten das Gefühl vermitteln soll, den gewählten Vertretern kontrollierend bei der Arbeit zuschauen zu können, da verschließt sich die Fifa der Öffentlichkeit: Das Nervenzentrum des Weltverbandes liegt versteckt unter der Erde. Im dritten von fünf Untergeschoßen tagt, abgeschottet von der Außenwelt, im Sitzungssaal das Exekutivkomitee. Die Verkleidung aus Aluminium-Platten, der kühle Lapislazuli-Boden - alles besitzt die Aura eines hermetisch abgeriegelten Schweizer Banktresors und fördert den Mythos oder das Vorurteil von den geheimen Fifa-Geschäften.

„Ein Raum, wo man Entscheidungen trifft, der darf dort sein, wo nur indirektes Licht hinkommt“, sagt Blatter, „denn das Licht sollte ja von den Leuten kommen, die da drinnen sind.“ Und von einem Kristallleuchter, der, einer Fußball-Arena nachempfunden, wie ein Ufo über den Köpfen der Funktionäre schwebt. Kunstlicht dominiert - auch wenn jeder Korridor ans Licht führt, in kleinen Lounges mündet, mit Blick in die Landschaft. In der Mitte des Raums, im Boden eingelassen, liegt der Grundstein des „Home of FIFA“: ein Betonkubus, der einen überdimensionalen Fußball umfasst. Darin hat man Säcke mit Erde aus Ländern aller Fifa- Verbände verstaut. Man zitiert gerne das medienwirksame Bild einer glücklichen, einträchtigen Familie.

Hier, im unzugänglichen Herzen des Fifa-Baus, wird im kleinen Kreis über die Vergabe von Weltmeisterschaften, Reformen und Sanktionen entschieden, über rechtliche Angelegenheiten und neue Spielregeln - manchmal über Dinge, die die Grundpfeiler des weltweiten Fußballs erschüttern. Dann redet Präsident Blatter Klartext. Und manch einer sehnt sich nach Frischluft und Sonnenlicht: „Es ist mir wichtiger, dass die Angestellten der Fifa direkten Zugang zum Licht haben und nicht die Exekutivmitglieder, die nur periodisch in der Fifa sind“, erläutert Blatter und ergänzt: „Wir haben dort auch noch etwas anderes arrangiert: Der ist abgeschlossen, damit das Resultat einer Abstimmung nicht schon bekannt ist, bevor man aus dem Saal kommt.“ Vertrauen sieht anders aus.

Zu den Kuriositäten des Gebäudes gehört der im Untergeschoß gelegene Meditationsraum: „Mitten in der Bausituation wurde ein Meditationsraum gewünscht, der für alle fünf Weltreligionen Gültigkeit haben sollte“, erzählt Theus. Im Fifa-Andachtsraum steht ein sich nach oben öffnender Onyxkörper, der durch indirektes Licht wie ein überdimensionaler Edelstein leuchtet. Er ist hineingestellt in einen mit grauen Steinwänden ausgekleideten Raum und auf zwei Seiten begehbar. Türen fehlen. Dafür weist ein grüner Pfeil des US-Land-Art-Künstlers James Turrell, der sowohl für die sechs Innenhöfe, die Fassade als auch für die Innenräume ein eigenes Lichtspiel geschaffen hat, in den Durchgängen gen Mekka - als Service für die islamischen Fifa-Mitglieder. Ansonsten ist der Raum nackt. „Alle fünf Religionen haben auf die eigenen Zeichen verzichtet, um Gültigkeit für alle zu erreichen“, sagt die Architektin. Lediglich zwei Bänke suggerieren klösterliche Ruhe und Einkehr.

Im „Home of FIFA“ sind jetzt erstmals alle Mitarbeiter unter einem Dach vereint. Bisher verteilten sich die Beschäftigten in Zürich auf sechs verschiedene Gebäude. Durch ständig wachsende Mitarbeiterzahlen und Aufgaben reichte der erst 2000 bezogene Hauptsitz am Sonnenberg nicht mehr aus. Heute liegt das neue Domizil des Weltfußballverbandes an der „Fifa-Straße“, die von der Stadt eigens für den Neubau bewilligt wurde. „Hier baut die Fifa im Auftrag von 207 Nationen“, so stand es vor der Fertigstellung auf einem Schild. Heute hat die Fifa 208 Mitglieder, die Uno bringt es nur auf 192.

„Wir sind nicht wichtiger“, so Blatter, sondern „populärer als die Uno.“ Und erklärt auch, warum: Wenn die Uno Resolutionen verabschiedet, dann würden diese ja nicht immer angewendet. In der eigenen Familie läge die Quote der angewendeten Entscheidungen hingegen bei 99 Prozent. „Da bin ich ja sehr stolz, dass ich irgendwie der Hausmeister von diesem ,Home of FIFA' bin“, bemerkt Blatter und schmunzelt. Man kann nicht anders, als ihm zu glauben.

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