Bauwerk

Tiroler Fachberufsschule für Bautechnik und Malerei Absam
Hanno Schlögl - Absam (A) - 1998
Tiroler Fachberufsschule für Bautechnik und Malerei Absam, Foto: Margherita Spiluttini
Tiroler Fachberufsschule für Bautechnik und Malerei Absam, Foto: Margherita Spiluttini

Moderne, pragmatisch

Zeitenübergreifender Dialog: Mit seiner Landesberufsschule für das Bau- und Malergewerbe in Absam, Tirol, knüpft Hanno Schlögl an einen Schulbau aus den sechziger Jahren – und an die Landschaft der Umgebung an.

26. Juni 1999 - Margit Ulama
Jedes Jahrzehnt vermittelt ein spezifisches Lebensgefühl und schafft einen immer wieder neuen ästhetischen Ausdruck. – Dieser Gedanke vereinfacht sicherlich komplexe Zusammenhänge und Entwicklungen, und doch stellt gerade die Architektur die jeweilige Entstehungszeit visuell dar und materialisiert gleichsam die für das Jahrzehnt charakteristische Atmosphäre. Bezüglich der Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg vermischen sich für uns Nähe und Ferne. Sie sind uns vertraut und fremd zugleich, aber der Blick aus der zeitlichen Distanz rahmt die Dinge neu.

Heute interessieren bereits die sechziger und siebziger Jahre wieder. Die Architektur nimmt Themen auf und transponiert sie, und einen solchen zeitenübergreifenden Dialog führte Hanno Schlögl in Absam. Die unterschiedlichen Jahrzehnte stehen hier gewissermaßen direkt nebeneinander. Die Landesberufsschule für das Gastgewerbe manifestierte sich in den sechziger Jahren dominant in einer beeindruckenden Landschaft. Während das „Philipshaus“ von Karl Schwanzer an der Wiener Triester Straße zu den prominenten Bürohochhäusern der Zeit zählt, ist dieser Bau quasi ein anonymer, aber dennoch zeittypischer. Bei der Komposition einfacher Volumen liegt ein Quertrakt auf dem Erdgeschoß und schaut mit der Stirnseite zum Tal. Das Ende kragt aus, was sicherlich keinen subtilen Akt des Schwebens darstellt (beim Philipshaus formulierte Schwanzer dieses Thema hingegen prägnant).

Für Schlögl, respektive seine Landesberufsschule für das Bau- und Malergewerbe, bildete dieser Bau mit seinen spezifischen Themen jedenfalls genauso wie die Landschaft eine Vorgabe. Schlögl respektierte beides. Vom Tal aus betrachtet, verdoppelt sich jetzt der horizontale, langgestreckte Bauteil, er fügt sich ein, indem er die Grenze zwischen den ansteigenden Wiesen und dem Bergmassiv dahinter markiert. Der auffällige Quertrakt erhielt so ein adäquates „leises“ Gegengewicht, das bis zu einer auffälligen Hügelkuppe mit drei Bäumen reicht. Diese künstlich erscheinende, trotzdem natürliche Topographie faßt den gesamten Bau im Osten. Schlögl verwendete zwar wieder ein langgestrecktes Volumen mit Bandfenstern, dennoch präsentiert sich der Neubau mit den dezent rötlichvioletten Betonsteinen ungleich eleganter als der ältere Bau. Und er ist durchgehend horizontal organisiert, wobei diese Geste in schwebende Dächer und Vordächer ausläuft.

Im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit setzte Schlögl viele architektonische Akzente, immer in einer zurückhaltenden Handschrift, die sich jedoch langsam wandelte. In jüngerer Zeit entstanden einfache Gebäudekonfigurationen mit genauer Durchbildung im Detail. Bei dem Wohn- und Pflegeheim Unterperfuss, das in Zusammenarbeit mit Karlheinz Peer entstand und 1997 eingeweiht wurde, handelt es sich um die Differenzierung eines einfachen Winkels.

Der Entwurf löste einzelne Wandflächen als selbständige Elemente aus dem kompakten Volumen, ergänzte raumgreifende, schwebende Dächer und ließ den Bau in einzelne Sichtbetonflächen, die als Gartenmauern dienen, auslaufen. Bei der Schule in Absam ist der Winkeltypus Teil eines Gesamtgefüges, das im Grundriß einem Rechteck folgt. Der höhere Winkel tritt klar in Erscheinung, wobei der vordere, lange Trakt leicht versetzt hinter dem östlichen Flügel des Altbaus die Hauptansicht prägt. Der Entwurf, 1995 in einem Gutachterverfahren prämiert, zeigt die „Schlichtheit einer architektonischen Großform“. Dennoch entstehen angenehme Freiräume: einerseits der intime Gartenhof zwischen den beiden Schulbauten, in den der verglaste Mehrzwecksaal ragt, andererseits der Grünraum zum Tal hin.

Eingefaßt von Alt- und Neubau sowie der prägnanten Hügelkuppe, öffnet sich dieser Bereich nach Süden, ist geschützt und frei zugleich und profitiert vom schönen Baumbestand. Ähnlich selbstverständlich wie diese Freiräume wirkt die Gliederung des gesamten Baus. Nur der Eingangstrakt steht quer zum Hang, die übrigen Funktionen sind – beginnend mit dem Längstrakt –parallel hintereinander gestaffelt, und die Erschließung erfolgt zum Teil in weiten Schleifen. Ins Auge sticht die offene Anlieferungszone für den Bauhoftrakt, wo in die horizontale Dachfläche große, runde Öffnungen geschnitten sind. Diese weitausgreifende Dachfläche definiert das Gebäude innerhalb des Winkels, und sie referiert zwei architektonische Topoi: das Schweben sowie die Fläche als selbständiges Element.

Was die Moderne programmatisch formulierte, findet man hier pragmatisch umgesetzt, und beides spielt in der aktuellen Architekturentwicklung in unterschiedlichster Weise eine Rolle. Schlögl variiert diese Themen bei den Vordächern und den südseitigen Sonnenschutzlamellen, die in ihrer strukturellen Auflösung zur Prägnanz der langen Fassade beitragen. Zusätzlich greifen – ähnlich wie beim Altenheim in Unterperfuss – vertikale Flächen vom Baukörper in die Umgebung, sie begrenzen eine Treppe oder Parkplätze und binden gleichzeitig die Landschaft an.

Die einzige Inkonsequenz findet man im Bereich des verglasten Mehrzwecksaales, der in den Innenhof ragt. Denn dieses vorspringende Element deutet eine Axialität an, die einer Hauptfassade entsprechen würde; tatsächlich befindet man sich hier aber an der Schmalseite.

Doch ausschlaggebend sind letztlich die Qualitäten, unter anderem die räumlichen Qualitäten des Baus. So sind im Hauptteil die einzelnen Funktionen – Klassen, Gang, Bauhoftrakt, Anlieferung und Parkplätze –zwar einfach parallel hintereinander gestaffelt, doch es entstehen räumliche Übergriffe und visuelle Verbindungen. Die Gänge sind in vertikaler Richtung offen, und gleichzeitig blickt man durch großflächige Fenster direkt in die angrenzenden, tieferliegenden Werkstattbereiche.

Eine typologisch vergleichbare, im Detail natürlich unterschiedliche Lösung realisierten Regina und Rainer Noldin bei ihrem noblen Altenheim in Feldkirch. Doch insbesondere atmosphärisch unterscheiden sich diese beiden Bauten. In seiner direkten Materialästhetik wird der neue Bau in Absam seinem Thema – dem Bau- und Malergewerbe – gerecht.

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