Bauwerk
Büroerweiterung und Produktionshalle
Elmar Ludescher - Bregenz (A) - 2004
Glasklare Sache
Die Liegenschaft des kontinuierlich wachsenden Glasereibetriebs wurde innerhalb der letzten dreißig Jahre bereits elfmal erweitert und umgebaut. Mit ihrem gestalterischem Anspruch behaupten sich die Bauten gegenüber den zum Teil sehr viel größeren Nachbarn und tragen zugleich die Kompetenz des Unternehmens in den öffentlichen Raum.
5. August 2006 - Achim Geissinger
Ein wenig wirkt die Situation wie der ungleiche Kampf von David gegen Goliath: Eingezwängt zwischen ausgedehnten Fabrikbauten eines Beschlägeherstellers und dem zwar eleganten, aber quasi in erster Reihe stehenden und damit unübersehbaren Werkkomplex mitsamt Outlet-Center eines Strumpf- und Trikotagen-Konzerns (2002, Architekten fab02 [klas + läßer], Lustenau) nehmen sich die Werksbauten von Glas Marte vergleichsweise bescheiden aus.
Tatsächlich begreift sich der Handwerksbetrieb als mittelständisches Unternehmen und tut sich mit der Rolle des Global Players etwas schwer, obwohl er mit den Produktentwicklungen, die im eigenen Hause und in Kooperationen erarbeitet werden, durchaus in der Oberliga spielt.
Einengung und Chance
Das kleine Grundstück in Bahnhofsnähe, auf dem die Glaserei 1930 gegründet wurde, wird zwar noch genutzt, wurde aber in den siebziger Jahren zu klein. So entstand im Industriegebiet am westlichen Stadtrand zwischen Bregenzer Ache und See ein Isolierglaswerk, das im Lauf der Jahre elf Erweiterungen erlebte. Dazu gehört zum Beispiel eine Zuschneidehalle, die Hermann Kaufmann 1994 im rückwärtigen Bereich erstellte.
Die ursprüngliche Kleinteiligkeit um Höfe herum gruppierter Einzelgebäude wurde 2000 zu Gunsten einer vollflächigen Bebauung aufgegeben. Schließlich ist bebaubarer Grund in Vorarlberg knapp und somit teuer. So führte der Zwang, das Areal effizient ausnutzen zu müssen, zum Beispiel auch zur großflächigen Unterkellerung, was sich im Grundwasserschutzgebiet als nicht ganz triviale Aufgabe erwies.
Die vorerst größte Veränderung nahm 2002 mit der Aufstockung eines Bestandsgebäudes von 1974 ihren Anfang. Der ehedem in Bürotrakt und Halle unterteilte Massivbau direkt an der Straße hatte bereits eine Umgestaltung erfahren, bei der in die Halle ein Bürogeschoss eingehängt worden war. Elmar Ludescher setzte eine Stahlkonstruktion oben auf und fügte in diesem zweiten Obergeschoss im rechten Winkel eine weitere Bürospange ein. Er verband dadurch zwei vormals getrennt voneinander liegende Verwaltungseinheiten und erschloss somit auch die Tiefe des Grundstücks.
Beim Umgang mit der Außenansicht galt es zunächst, ein einheitliches Erscheinungsbild der unterschiedlichen Ausbaustufen zu erzeugen, ohne in die nach wie vor funktionstüchtige Substanz einzugreifen. Mit einer zweiten, vorgehängten Fassadenschicht in den Obergeschossen und etwas Farbe wurde viel erreicht - dass der Bau nicht aus einem Guss ist, fällt erst bei genauerer Betrachtung auf. Wurde das Erdgeschoss mit den Ausstellungsräumen weitgehend so belassen, wie es war, bekamen die Bürogeschosse darüber je eine Reihe beweglicher Ganzglaslamellen vorgesetzt. Deren Konstruktion wurde im Hause selbst entwickelt und zielt darauf ab, die Kosten für Wartung, Pflege und Instandhaltung der Anlage auf ein Minimum zu reduzieren. Die Außenseite der Lamellen wirkt durch ihre Titandioxid-Beschichtung wie ein Katalysator: Unter UV-Strahlung wird an der Oberfläche aktiver Sauerstoff freigesetzt, der organische Verschmutzungen anlöst oder gar ganz zersetzt. Ablaufendes Regenwasser verformt sich nicht zu Tröpfchen, sondern bildet einen dünnen Film, der den gelösten Schmutz unterwandert und wegspült.
Die zentral gesteuerten Lamellen werden automatisch der Sonne nachgeführt und fangen bis zu zwanzig Prozent der Sonnenenergie ab. Sie bilden den mechanischen Schutz leicht transparenter Screens, die sich ebenso wie die Lamellen auch individuell von den Rauminsassen steuern lassen - es sei denn, die Außentemperatur fällt unter 3° C; dann bleibt die Fassade zu. Die Lamellen schließen oben, unten und untereinander nicht ganz bündig ab und erlauben so auch in geschlossenem Zustand die Raumlüftung über Schiebefenster in der inneren Fassadenebene. Zudem fangen sie die Windlast ab und ermöglichen damit, dass die großflächigen, selbsttragenden Innenverglasungen mit wenigen, kaum sichtbaren Konstruktionsteilen auskommen.
Im Innern der neuen Büroetage ist die Offenheit der Fassade über die gesamte Raumhöhe erlebbar. Regalborde vor den Glaselementen dienen als Ablageflächen und machen gesonderte Absturzsicherungen unnötig. Die gesamte Innenraumgestaltung wurde sehr diszipliniert ausgeführt und wirkt dennoch nicht aseptisch. Glastrennwände sind rahmenlos in die grauen Filzböden gesenkt, weiße Wandscheiben von etwa einem Meter Breite rhythmisieren die Zimmerfluchten, das Grün von Gläsern und Pflanzen spiegelt sich im Metall von Profilen und Handläufen wider. Wo der Architekt gerne kompromisslose Betontreppen in die Stiegenhäuser eingestellt hätte, nutzte der Bauherr eine weitere Gelegenheit, seine Kompetenzen vor Augen zu führen, und verwendete mit weißen Punkten bedruckte Glastritte.
Vorerst zum Abschluss kamen die Erweiterungen und Umbauten im Sommer 2004, als die etwa 140 Meter lange, mit 5100 Quadratmetern größte Halle des Areals in Betrieb genommen wurde. Dort können seither Isolierglaselemente mit dem Maximalmaß von 3,2 auf 7,2 Meter hergestellt werden. Eines dieser Elemente dient in der Straßenfassade als Schaufenster, durch das ein kleiner Einblick in die Halle und in die Produktpalette des Unternehmens gewährt wird.
Liegende Fensterformate verleihen der Fassade einen ruhigen Charakter und unterstreichen die Länge der Halle. Im Innern ist alles, was dem Prinzip Tragen und Lasten entspricht und sich mit Schwere assoziieren lässt - die Stahlkonstruktion - in Schwarz gehalten, die leichteren Holzsheds im Dach als Lichtquelle in Weiß.
Als letzte Flächenreserve dehnt sich vor der neuen Halle der Parkplatz aus. Erweiterungsmöglichkeiten sind tatsächlich vorgesehen, stehen momentan aber nicht an. Sollten diese in ferner Zukunft ausgereizt sein, bleibt nur noch die Höhe - eine weitere Herausforderung für den Architekten. Aber Elmar Ludescher wird dafür sorgen, dass auch dann aus dem feingliedrigen David kein grobschlächtiger Goliath wird.
Tatsächlich begreift sich der Handwerksbetrieb als mittelständisches Unternehmen und tut sich mit der Rolle des Global Players etwas schwer, obwohl er mit den Produktentwicklungen, die im eigenen Hause und in Kooperationen erarbeitet werden, durchaus in der Oberliga spielt.
Einengung und Chance
Das kleine Grundstück in Bahnhofsnähe, auf dem die Glaserei 1930 gegründet wurde, wird zwar noch genutzt, wurde aber in den siebziger Jahren zu klein. So entstand im Industriegebiet am westlichen Stadtrand zwischen Bregenzer Ache und See ein Isolierglaswerk, das im Lauf der Jahre elf Erweiterungen erlebte. Dazu gehört zum Beispiel eine Zuschneidehalle, die Hermann Kaufmann 1994 im rückwärtigen Bereich erstellte.
Die ursprüngliche Kleinteiligkeit um Höfe herum gruppierter Einzelgebäude wurde 2000 zu Gunsten einer vollflächigen Bebauung aufgegeben. Schließlich ist bebaubarer Grund in Vorarlberg knapp und somit teuer. So führte der Zwang, das Areal effizient ausnutzen zu müssen, zum Beispiel auch zur großflächigen Unterkellerung, was sich im Grundwasserschutzgebiet als nicht ganz triviale Aufgabe erwies.
Die vorerst größte Veränderung nahm 2002 mit der Aufstockung eines Bestandsgebäudes von 1974 ihren Anfang. Der ehedem in Bürotrakt und Halle unterteilte Massivbau direkt an der Straße hatte bereits eine Umgestaltung erfahren, bei der in die Halle ein Bürogeschoss eingehängt worden war. Elmar Ludescher setzte eine Stahlkonstruktion oben auf und fügte in diesem zweiten Obergeschoss im rechten Winkel eine weitere Bürospange ein. Er verband dadurch zwei vormals getrennt voneinander liegende Verwaltungseinheiten und erschloss somit auch die Tiefe des Grundstücks.
Beim Umgang mit der Außenansicht galt es zunächst, ein einheitliches Erscheinungsbild der unterschiedlichen Ausbaustufen zu erzeugen, ohne in die nach wie vor funktionstüchtige Substanz einzugreifen. Mit einer zweiten, vorgehängten Fassadenschicht in den Obergeschossen und etwas Farbe wurde viel erreicht - dass der Bau nicht aus einem Guss ist, fällt erst bei genauerer Betrachtung auf. Wurde das Erdgeschoss mit den Ausstellungsräumen weitgehend so belassen, wie es war, bekamen die Bürogeschosse darüber je eine Reihe beweglicher Ganzglaslamellen vorgesetzt. Deren Konstruktion wurde im Hause selbst entwickelt und zielt darauf ab, die Kosten für Wartung, Pflege und Instandhaltung der Anlage auf ein Minimum zu reduzieren. Die Außenseite der Lamellen wirkt durch ihre Titandioxid-Beschichtung wie ein Katalysator: Unter UV-Strahlung wird an der Oberfläche aktiver Sauerstoff freigesetzt, der organische Verschmutzungen anlöst oder gar ganz zersetzt. Ablaufendes Regenwasser verformt sich nicht zu Tröpfchen, sondern bildet einen dünnen Film, der den gelösten Schmutz unterwandert und wegspült.
Die zentral gesteuerten Lamellen werden automatisch der Sonne nachgeführt und fangen bis zu zwanzig Prozent der Sonnenenergie ab. Sie bilden den mechanischen Schutz leicht transparenter Screens, die sich ebenso wie die Lamellen auch individuell von den Rauminsassen steuern lassen - es sei denn, die Außentemperatur fällt unter 3° C; dann bleibt die Fassade zu. Die Lamellen schließen oben, unten und untereinander nicht ganz bündig ab und erlauben so auch in geschlossenem Zustand die Raumlüftung über Schiebefenster in der inneren Fassadenebene. Zudem fangen sie die Windlast ab und ermöglichen damit, dass die großflächigen, selbsttragenden Innenverglasungen mit wenigen, kaum sichtbaren Konstruktionsteilen auskommen.
Im Innern der neuen Büroetage ist die Offenheit der Fassade über die gesamte Raumhöhe erlebbar. Regalborde vor den Glaselementen dienen als Ablageflächen und machen gesonderte Absturzsicherungen unnötig. Die gesamte Innenraumgestaltung wurde sehr diszipliniert ausgeführt und wirkt dennoch nicht aseptisch. Glastrennwände sind rahmenlos in die grauen Filzböden gesenkt, weiße Wandscheiben von etwa einem Meter Breite rhythmisieren die Zimmerfluchten, das Grün von Gläsern und Pflanzen spiegelt sich im Metall von Profilen und Handläufen wider. Wo der Architekt gerne kompromisslose Betontreppen in die Stiegenhäuser eingestellt hätte, nutzte der Bauherr eine weitere Gelegenheit, seine Kompetenzen vor Augen zu führen, und verwendete mit weißen Punkten bedruckte Glastritte.
Vorerst zum Abschluss kamen die Erweiterungen und Umbauten im Sommer 2004, als die etwa 140 Meter lange, mit 5100 Quadratmetern größte Halle des Areals in Betrieb genommen wurde. Dort können seither Isolierglaselemente mit dem Maximalmaß von 3,2 auf 7,2 Meter hergestellt werden. Eines dieser Elemente dient in der Straßenfassade als Schaufenster, durch das ein kleiner Einblick in die Halle und in die Produktpalette des Unternehmens gewährt wird.
Liegende Fensterformate verleihen der Fassade einen ruhigen Charakter und unterstreichen die Länge der Halle. Im Innern ist alles, was dem Prinzip Tragen und Lasten entspricht und sich mit Schwere assoziieren lässt - die Stahlkonstruktion - in Schwarz gehalten, die leichteren Holzsheds im Dach als Lichtquelle in Weiß.
Als letzte Flächenreserve dehnt sich vor der neuen Halle der Parkplatz aus. Erweiterungsmöglichkeiten sind tatsächlich vorgesehen, stehen momentan aber nicht an. Sollten diese in ferner Zukunft ausgereizt sein, bleibt nur noch die Höhe - eine weitere Herausforderung für den Architekten. Aber Elmar Ludescher wird dafür sorgen, dass auch dann aus dem feingliedrigen David kein grobschlächtiger Goliath wird.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Glas Marte GmbH
Tragwerksplanung
Fotografie