Bauwerk
Wohnregal
Helmut Wimmer - Wien (A) - 1999
Selbstdarstellung im Wohnregal
Architekt Helmut Wimmer hindert die Bewohner seiner Bauten nicht daran, das äußere Erscheinungsbild mitzubestimmen. Schönheit soll im Spannungsfeld zwischen Chaos und Ordnung entstehen und nicht durch das Diktat des Architekten.
8. Januar 2000 - Franziska Leeb
Helmut Wimmer bezeichnet seinen Wohnbau in Wien-Ottakring als „Wohnregal“. Eine treffende Beschreibung für die zwei parallel zur Koppstraße liegenden Längsriegel und den Querriegel an der Paltaufgasse, deren gleichförmige Struktur eine dreidimensionale zu besiedelnde Landschaft bildet. Das konstruktive System besteht aus einer in Scheiben, Stützen und Kerne aufgelösten Betonstruktur.
Alle „dienenden“ Räume sind in den U-förmigen Kernen an den Laubengangseiten untergebracht. Zusätzlich erstreckt sich eine Stützenreihe entlang der Loggienwände. Dazwischen sind die Geschoße über die gesamte Länge stützenfrei. Dieses Konzept erlaubt es, die Wohnungen je nach gewünschter Größe wie von einem Kuchen abzuschneiden. Die mit Wohnungen „zu besiedelnden Flächen“ werden als Bauparzellen gesehen. Straßenseitig ist ihnen das Erschließungssystem vorgelagert, das Wimmer als Teil einer vertikalen Stadtlandschaft versteht. Vorgärten, die individuell genutzt werden können dienen als Pufferzonen zum Privatbereich sowie zur nachbarschaftlichen Kommunikation. Diese öffentlichen und halböffentlichen Zonen sind mit einem roten Belag gekennzeichnet.
Entlang der dem Hof zugewandten Seite finden sich als private Pendants zur „roten Zone“ die in grün gehaltenen „Gärten“. Sie sind zwei Meter tief und somit als Aufenthaltsbereich auch tatsächlich nutzbar. Ursprünglich sollten diese farbigen Beläge als glatte Kunstharzböden ausgeführt werden. Hohe Kosten und vor allem die Baustellenlogistik sprachen dagegen. Als günstige Alternative wurden Kunststofffliesen verlegt, wie sie auch auf den Decks von Hochseeschiffen zum Einsatz kommen. Das Material mit seinem dekorativen Lochmuster macht einen etwas provisorischen Eindruck, hat andererseits aber auch einen unbekümmerten Charme, der das strenge Betongerüst mit einer heiteren Schicht überzieht.
Das „Wohnregal“ besteht aus einer harten Primär- und einer weichen Sekundärstruktur. Die Primärstruktur bilden die Betondecks, die zur Inbesitznahme bereitstehen. Die sekundäre Struktur ist jene, die die Bewohner der Anlage hinzufügen. Das können Einbauten oder Spielgeräte in den sogenannten Vorgärten oder Wohnraumerweiterungen in der Loggienzone ebenso sein wie Markisen, Möbel, Pflanzen oder Wäscheleinen, die als lebendige Schicht eine „soziale Fassade“ bilden, die ständiger Veränderung unterworfen ist.
Helmut Wimmer liegt nichts daran, die individuellen Zutaten der Bewohner zu unterbinden. Er geht sogar so weit, diese Selbstdarstellung der einzelnen Nutzer zu provozieren. Ein bisschen angeordnete Gestaltung darf es dann aber doch sein, wenn auch auf freiwilliger Basis: Eigens für die Anlage wurden Schiebesegel entwickelt, die auf Wunsch als Sonnenschutz angebracht werden können. Sie stammen wie das große gelbe Sonnensegel im Hof von Gerald Wurz. Die primäre Struktur bildet einen Rahmen, der stark genug ist, individuellen Darstellungen Raum zu geben. Wimmer sieht diese Entfaltungsmöglichkeit, die sich auch nach außen manifestiert, als Spiegel der Demokratie. Das Leben spielt sich nicht mehr ausschließlich hinter den Mauern ab, wie in den Gründerzeithäusern, den „Spiegelbildern des Absolutismus“. Im Gegensatz zu den älteren Wohnhausanlagen der Gegend mit ihren gleichförmigen und stets gleich bleibenden Lochfassaden, hat der Wimmer-Bau innerhalb kürzester Zeit angefangen zu wuchern. Das Angebot, die Vorzonen und Loggien zu nutzen und nach eigenem Bedarf in Besitz zu nehmen, wird eifrig angenommen.
Alle „dienenden“ Räume sind in den U-förmigen Kernen an den Laubengangseiten untergebracht. Zusätzlich erstreckt sich eine Stützenreihe entlang der Loggienwände. Dazwischen sind die Geschoße über die gesamte Länge stützenfrei. Dieses Konzept erlaubt es, die Wohnungen je nach gewünschter Größe wie von einem Kuchen abzuschneiden. Die mit Wohnungen „zu besiedelnden Flächen“ werden als Bauparzellen gesehen. Straßenseitig ist ihnen das Erschließungssystem vorgelagert, das Wimmer als Teil einer vertikalen Stadtlandschaft versteht. Vorgärten, die individuell genutzt werden können dienen als Pufferzonen zum Privatbereich sowie zur nachbarschaftlichen Kommunikation. Diese öffentlichen und halböffentlichen Zonen sind mit einem roten Belag gekennzeichnet.
Entlang der dem Hof zugewandten Seite finden sich als private Pendants zur „roten Zone“ die in grün gehaltenen „Gärten“. Sie sind zwei Meter tief und somit als Aufenthaltsbereich auch tatsächlich nutzbar. Ursprünglich sollten diese farbigen Beläge als glatte Kunstharzböden ausgeführt werden. Hohe Kosten und vor allem die Baustellenlogistik sprachen dagegen. Als günstige Alternative wurden Kunststofffliesen verlegt, wie sie auch auf den Decks von Hochseeschiffen zum Einsatz kommen. Das Material mit seinem dekorativen Lochmuster macht einen etwas provisorischen Eindruck, hat andererseits aber auch einen unbekümmerten Charme, der das strenge Betongerüst mit einer heiteren Schicht überzieht.
Das „Wohnregal“ besteht aus einer harten Primär- und einer weichen Sekundärstruktur. Die Primärstruktur bilden die Betondecks, die zur Inbesitznahme bereitstehen. Die sekundäre Struktur ist jene, die die Bewohner der Anlage hinzufügen. Das können Einbauten oder Spielgeräte in den sogenannten Vorgärten oder Wohnraumerweiterungen in der Loggienzone ebenso sein wie Markisen, Möbel, Pflanzen oder Wäscheleinen, die als lebendige Schicht eine „soziale Fassade“ bilden, die ständiger Veränderung unterworfen ist.
Helmut Wimmer liegt nichts daran, die individuellen Zutaten der Bewohner zu unterbinden. Er geht sogar so weit, diese Selbstdarstellung der einzelnen Nutzer zu provozieren. Ein bisschen angeordnete Gestaltung darf es dann aber doch sein, wenn auch auf freiwilliger Basis: Eigens für die Anlage wurden Schiebesegel entwickelt, die auf Wunsch als Sonnenschutz angebracht werden können. Sie stammen wie das große gelbe Sonnensegel im Hof von Gerald Wurz. Die primäre Struktur bildet einen Rahmen, der stark genug ist, individuellen Darstellungen Raum zu geben. Wimmer sieht diese Entfaltungsmöglichkeit, die sich auch nach außen manifestiert, als Spiegel der Demokratie. Das Leben spielt sich nicht mehr ausschließlich hinter den Mauern ab, wie in den Gründerzeithäusern, den „Spiegelbildern des Absolutismus“. Im Gegensatz zu den älteren Wohnhausanlagen der Gegend mit ihren gleichförmigen und stets gleich bleibenden Lochfassaden, hat der Wimmer-Bau innerhalb kürzester Zeit angefangen zu wuchern. Das Angebot, die Vorzonen und Loggien zu nutzen und nach eigenem Bedarf in Besitz zu nehmen, wird eifrig angenommen.
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