Bauwerk

Traisengasse Wien
PPAG - Wien (A) - 2006

Glamour im sozialen Wohnbau

Beim neuen sozialen Wohnbau der Architekten PPAG wird die finanziell bedingte Reduktion zum gestalterischen Leitmotiv. Kreuz und quer verteilt, zeigen unterschiedliche Normfenster, was sie alles können. Silbriger Glitter hüllt das Haus in einen unverwechselbaren Schleier.

2. September 2006 - Isabella Marboe
Tief hat sich eine soziale Grundeinstellung ins Brigittenauer Straßenbild eingeschrieben: Eine Fabrik der MA 48 und Gemeindebauten der Nachkriegszeit säumen die Traisengasse. Billig, rasch und solide gebaut, bieten die Häuser mit ihren glatten Lochfassaden und Loggien bis heute gediegene Lebensqualität. Auch der neue Gesiba-Wohnbau auf der Eckparzelle zur Vorgartenstraße entstand unter hohem Kostendruck, was die PPAG-Architekten zum Gestaltungsprinzip mit identitätsstiftendem Mehrwert erhoben.

Der bewusst unorthodoxe Einsatz typisierter Standardelemente wird zum Stilmittel, das das Haus zu einem Hingucker und jede Wohnung zum Unikat macht. Lose verteilt bereichern stehende und liegende Fenster den örtlichen Architekturkanon um eine neue Facette. Für einen Hauch Glamour sorgt der Glitter auf dem Silikatputz der Vollwärmeschutzfassade, der das Haus je nach Sonnenstand vom zarten Schimmern bis zum gleißenden Strahlen bringt.

Fixglasquadrate, Schwing-, Wende-, Dreh- oder Kippflügel erweitern das Fensterrepertoire um eine plastische Komponente. Jede Fensteröffnung sitzt anders im Raum, fokussiert einen speziellen Blick und entwickelt so einen ausgeprägten Eigencharakter. Keine der 32 Wohnungen gleicht dabei einer anderen.

Thema in Variationen

Raffiniert wurden Erker, Loggien, Giebel und Gaupen locker übers Haus verteilt. Zu breiten Feldern zusammengefasst springen die Erker 60 Zentimeter auf die Straße vor oder ragen in den sonnigen Innenhof. Dieser ist mit einer langen Eckbank, Kies, Sandkiste, Hüpfplatten und Tischtennistisch ein idealer sozialer Umschlagplatz für die Bewohner. Von der verglasten Waschküche, der ein darüber liegender Erker einen schattigen Vorplatz schafft, überblickt man den gesamten Hof. Blickdurchlässig stechen die zwei transparenten Eingänge zu den Straßen durch.

Spiel der Loggien

Wie ein grüner Teppich säumt ein breiter Vorgartenstreifen den Gehsteig vor der prominenten Schauseite des Hauses: Hier hält das elegant verglaste Hauptportal mit dem integrierten Postkasten die Stellung, hier sticht die Garagenzufahrt ein, hier hat auch das Jugendheim der MA 11 seinen Zugang ins Haus. Darüber zeigen die zweiseitig verglasten Loggien, die seitlich aus dem Mittelerker ragen, eindrucksvoll, was sie können: Dem Hauseck an der Traisengasse schenkt eine zweiseitig verglaste Loggia grüne Blicke in die ausladende Baumkrone einer alten Rubinie. Im ersten Stock wiederum springt eine Loggia über den Eingang vor und belichtet so durch einen Luftraum das großzügige Foyer, in dem übrigens auch eine Internet-Workstation Platz gefunden hat.

Ein ausgeklügeltes Farbkonzept, das in Zartlila, Beige, Grau und Knallgelb die Wände überzieht, lässt auch keine Gangseite der anderen gleichen und vereinfacht so die Orientierung im Haus. Dem Reglement zum Trotz ist das Stiegenhausgeländer hier um 45 Grad geneigt und bietet ein weiteres augenzwinkerndes Detail. Das Prinzip, das auf der schimmernden Fassade beginnt und jedem Raum seine speziell gerahmte Perspektive bietet, sorgt also auch in den Gängen des Systemwohnbaus für Vielfalt. In den Loggien, die in farbgetauchte Lufträume ragen, werden Privat-, Haus- und Stadtraum dann zum Ganzen.

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