Bauwerk
Autohaus Pappas
kadawittfeldarchitektur - Salzburg (A) - 2006
Kein Geruch nach Gummi
Eine Mischung aus Autohaus und Museum, KFZ-Werkstätte und Entertainmentcenter: Ein Salzburger Autohändler leistet sich eine neue Konzernzentrale.
1. Oktober 2006 - Christian Kühn
Kaufhausmusik, das ist unter Komponisten ein Schimpfwort, mit dem verkaufsfördernder Hinter grundklang ohne künstlerischen Wert abqualifiziert wird. Analog dazu sollte auch Architektur, die primär dem Verkauf dient, keinen allzu hohen Status genießen. Hier ist die Sachlage aber etwas komplizierter. Die Inszenierung von Konsumerlebnissen ist in den letzten Jahren zu einer immer wichtigeren und unter Architekten zugleich hoch angesehenen und begehrten Bauaufgabe geworden. Luxusmarken wie Prada lassen ihre Flagshipstores bei Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron arbeiten. Coop Himmeb(l)au planen für BMW ein Gebäude, das funktional zwar nicht mehr als ein theatralisch aufgezwirbeltes Auslieferungslager ist, formal aber genauso gut ein Kunstmuseum sein könnte. Ben van Berkel durfte kürzlich in Stuttgart für die Konkurrenz sogar ein echtes Museum errichten, das als das schönste Schaufenster im ganzen Daimler-Chrysler-Konzern gelten darf.
Eine ernst zu nehmende Architekturgeschichte des späten 20. Jahrhunderts wird solchen Bauaufgaben deutlich mehr Raum geben müssen als etwa dem Sakralbau, sofern sie zu Letzterem überhaupt noch nennenswerte Beispiele findet. Sich von Abgrenzungen frei zu machen, wie sie Nikolaus Pevsner im Jahr 1976 formuliert hat („Ein Fahrradschuppen ist ein Gebäude, die Kathedrale von Lincoln ist ein Stück Architektur“), empfiehlt sich für Architekturhistoriker also schon aus Selbsterhaltungstrieb.
Pevsners Verdikt war damals selbst Reaktion auf eine funktionalistische Moderne, die die Gleichheit aller Bauaufgaben vor den Gesetzen der Baukunst postuliert hatte. Auch hier könnte man auf Seiten des Historikers Selbsterhaltungstrieb vermuten: Wenn Kirchen wie Fahrradschuppen aussehen, gibt es für den Historiker nicht mehr viel zu tun, außer vielleicht die eine oder andere Verwechslung aufzuspüren. Charles Jencks hat das in seinem epochemachenden Buch über die „Sprache der postmodernen Architektur“ anhand von Mies van der Rohe vorexerziert, dessen Kapellen aussehen wie Heizhäuser und vice versa.
Mit dem umgekehrten Problem, dass Auto- und Modehäuser heute aussehen wie Kathedralen und Museen, kann die Disziplin jedenfalls besser leben. Die Verwechslungen sind zwar nach wie vor das eigentlich Interessante. Zusätzlich gibt es aber auch für eine Architekturgeschichte, die sich primär als Formengeschichte versteht, wieder reichlich Stoff.
Dass ein Auto- oder Modehaus mit großen formalen Ambitionen geplant wird, ist heute also keine Besonderheit mehr. Spannender ist die Frage, wie weit ein solches Projekt zu einem künstlerischen Eigenwert findet. Bei den Extrembeispielen der architektonischen Kaufhausmusik ist das Teil der Aufgabe. Sie werden dafür von Gucci und Prada mit märchenhaften Budgets und Freiheiten ausgestattet, um Eingang in die Architekturgeschichte zu finden und damit die Marke zu stärken. Das wirkt bis zu einem gewissen Grad ansteckend und hebt in vielen Branchen die Nachfrage nach Architektur, wobei die Ansprüche an Repräsentation und Effekt freilich um einiges schneller wachsen als die Budgets und die Freiheiten.
Die neue Konzernzentrale der Pappas-Gruppe am Salzburger Flughafen ist ein bemerkenswertes Beispiel für diesen Trend. Das durchaus konservative „Familienunternehmen mit 2000 Beschäftigten“ hat sich hier ein Gebäude geleistet, in dem unterschiedliche Funktionen auf insgesamt 36.000 Quadratmeter Nutzfläche übereinander gestapelt sind. Auf der untersten Ebene befindet sich eine KFZ-Werkstätte, darüber eine Verkaufszone für die verschiedenen Marken des Daimler-Chrysler-Konzerns. Über diesem breit gelagerten Baukörper liegt ein schmälerer, zweigeschoßiger Verwaltungstrakt. Wie immer, wenn bei einem Verkaufsgebäude mehrere Geschoße übereinander liegen, stellte sich auch hier die Aufgabe, die Kunden nach oben zu locken. Erschwerend war in diesem Fall die erforderliche Geschoßhöhe der KFZ-Werkstätte, die bis zur Verkaufsebene einen Höhensprung von sechs Metern zu überwinden vorgab.
Der Entwurf für das Gebäude stammt von KadaWittfeldArchitektur, dem Aachener Büro, das Klaus Kada, langjähriger Professor an der Technischen Hochschule Aachen, zusammen mit Gerd Wittfeld betreibt. 2001 hatten sie einen Wettbewerb gewonnen, den Pappas für ein anderes Grundstück ausgeschrieben hatte. Zwei Jahre später folgte der Auftrag, für ein leicht reduziertes Raumprogramm auf dem neuen Grundstück ein Projekt zu entwickeln. Dessen Grundidee besteht darin, die Straße aufs Verkaufsniveau hinauf- und rund um das Gebäude herumzuführen. Damit diese Zufahrt nicht zu banal und vor allem - als offener Schauraum - auch von den umgebenden Straßen aus gut einsehbar ist, neigt sie sich in einer leichten Schleuderbewegung nach außen und dann nach unten, bevor sie artig in die Horizontale übergeht. Dass Kada, dessen Affinität zu schnellen Autos legendär ist, Spaß an dieser Idee hatte, darf angenommen werden.
Interessenten flanieren außen auf dieser Rampe und können über mehrere, den verschiedenen Marken des Konzerns zugeordnete Eingänge die Verkaufshalle betreten, die mit dem Servicefoyer auf der unteren Ebene über Rolltreppen verbunden ist. Die Halle wird von einem ausladenden Dach überspannt, das im mittleren Bereich verglast ist. Die Raumhöhe erlaubt einen zweigeschoßigen Bereich, in dem Büros untergebracht sind, die sich über Glaswände zum Servicefoyer öffnen und auch von dort belichtet werden. In den Verkaufsraum eingebaut ist ein aufwendiger Cafébereich, der nicht von KadaWittfeld, sondern von einem Schauraumspezialisten geplant wurde und den großzügigen Raumeindruck mit seinem halbhohen, dunkel furnierten Wall nicht gerade bereichert.
Eine Erklärung brauchen auch die diagonalen Elemente, die wie Flügel zwischen die Fahrebene der Rampe und die Dachkante gespannt sind. Ursprünglich als Teil des Tragwerks geplant, um das Dach zu stützen, haben sie in der ausgeführten Version keine statische Funktion mehr. Dekor sind sie trotzdem nicht: Ihre raumbildende Wirkung ist wesentlich, um die Aufmerksamkeit der Besucher nach innen zu lenken und dem Baukörper nach außen jene Mehrdeutigkeit zu geben, die ihn erst interessant macht.
Und wie ist das jetzt mit dem künstlerischen Eigenwert, der den Rahmen der Bauaufgabe sprengt? Vielleicht wäre ein bisschen weniger Glanz näher bei der Kunst gewesen, ein bisschen mehr Gummigeruch, asphaltierte Ruppigkeit und verzinktes Blech statt Edelstahl. Vielleicht führt der Weg zur Baukunst ja überhaupt in die andere Richtung und beginnt dort, wo ein Autohaus als Autohaus geplant wird und nicht als Mischung aus Museum und Entertainmentcenter.
Eine ernst zu nehmende Architekturgeschichte des späten 20. Jahrhunderts wird solchen Bauaufgaben deutlich mehr Raum geben müssen als etwa dem Sakralbau, sofern sie zu Letzterem überhaupt noch nennenswerte Beispiele findet. Sich von Abgrenzungen frei zu machen, wie sie Nikolaus Pevsner im Jahr 1976 formuliert hat („Ein Fahrradschuppen ist ein Gebäude, die Kathedrale von Lincoln ist ein Stück Architektur“), empfiehlt sich für Architekturhistoriker also schon aus Selbsterhaltungstrieb.
Pevsners Verdikt war damals selbst Reaktion auf eine funktionalistische Moderne, die die Gleichheit aller Bauaufgaben vor den Gesetzen der Baukunst postuliert hatte. Auch hier könnte man auf Seiten des Historikers Selbsterhaltungstrieb vermuten: Wenn Kirchen wie Fahrradschuppen aussehen, gibt es für den Historiker nicht mehr viel zu tun, außer vielleicht die eine oder andere Verwechslung aufzuspüren. Charles Jencks hat das in seinem epochemachenden Buch über die „Sprache der postmodernen Architektur“ anhand von Mies van der Rohe vorexerziert, dessen Kapellen aussehen wie Heizhäuser und vice versa.
Mit dem umgekehrten Problem, dass Auto- und Modehäuser heute aussehen wie Kathedralen und Museen, kann die Disziplin jedenfalls besser leben. Die Verwechslungen sind zwar nach wie vor das eigentlich Interessante. Zusätzlich gibt es aber auch für eine Architekturgeschichte, die sich primär als Formengeschichte versteht, wieder reichlich Stoff.
Dass ein Auto- oder Modehaus mit großen formalen Ambitionen geplant wird, ist heute also keine Besonderheit mehr. Spannender ist die Frage, wie weit ein solches Projekt zu einem künstlerischen Eigenwert findet. Bei den Extrembeispielen der architektonischen Kaufhausmusik ist das Teil der Aufgabe. Sie werden dafür von Gucci und Prada mit märchenhaften Budgets und Freiheiten ausgestattet, um Eingang in die Architekturgeschichte zu finden und damit die Marke zu stärken. Das wirkt bis zu einem gewissen Grad ansteckend und hebt in vielen Branchen die Nachfrage nach Architektur, wobei die Ansprüche an Repräsentation und Effekt freilich um einiges schneller wachsen als die Budgets und die Freiheiten.
Die neue Konzernzentrale der Pappas-Gruppe am Salzburger Flughafen ist ein bemerkenswertes Beispiel für diesen Trend. Das durchaus konservative „Familienunternehmen mit 2000 Beschäftigten“ hat sich hier ein Gebäude geleistet, in dem unterschiedliche Funktionen auf insgesamt 36.000 Quadratmeter Nutzfläche übereinander gestapelt sind. Auf der untersten Ebene befindet sich eine KFZ-Werkstätte, darüber eine Verkaufszone für die verschiedenen Marken des Daimler-Chrysler-Konzerns. Über diesem breit gelagerten Baukörper liegt ein schmälerer, zweigeschoßiger Verwaltungstrakt. Wie immer, wenn bei einem Verkaufsgebäude mehrere Geschoße übereinander liegen, stellte sich auch hier die Aufgabe, die Kunden nach oben zu locken. Erschwerend war in diesem Fall die erforderliche Geschoßhöhe der KFZ-Werkstätte, die bis zur Verkaufsebene einen Höhensprung von sechs Metern zu überwinden vorgab.
Der Entwurf für das Gebäude stammt von KadaWittfeldArchitektur, dem Aachener Büro, das Klaus Kada, langjähriger Professor an der Technischen Hochschule Aachen, zusammen mit Gerd Wittfeld betreibt. 2001 hatten sie einen Wettbewerb gewonnen, den Pappas für ein anderes Grundstück ausgeschrieben hatte. Zwei Jahre später folgte der Auftrag, für ein leicht reduziertes Raumprogramm auf dem neuen Grundstück ein Projekt zu entwickeln. Dessen Grundidee besteht darin, die Straße aufs Verkaufsniveau hinauf- und rund um das Gebäude herumzuführen. Damit diese Zufahrt nicht zu banal und vor allem - als offener Schauraum - auch von den umgebenden Straßen aus gut einsehbar ist, neigt sie sich in einer leichten Schleuderbewegung nach außen und dann nach unten, bevor sie artig in die Horizontale übergeht. Dass Kada, dessen Affinität zu schnellen Autos legendär ist, Spaß an dieser Idee hatte, darf angenommen werden.
Interessenten flanieren außen auf dieser Rampe und können über mehrere, den verschiedenen Marken des Konzerns zugeordnete Eingänge die Verkaufshalle betreten, die mit dem Servicefoyer auf der unteren Ebene über Rolltreppen verbunden ist. Die Halle wird von einem ausladenden Dach überspannt, das im mittleren Bereich verglast ist. Die Raumhöhe erlaubt einen zweigeschoßigen Bereich, in dem Büros untergebracht sind, die sich über Glaswände zum Servicefoyer öffnen und auch von dort belichtet werden. In den Verkaufsraum eingebaut ist ein aufwendiger Cafébereich, der nicht von KadaWittfeld, sondern von einem Schauraumspezialisten geplant wurde und den großzügigen Raumeindruck mit seinem halbhohen, dunkel furnierten Wall nicht gerade bereichert.
Eine Erklärung brauchen auch die diagonalen Elemente, die wie Flügel zwischen die Fahrebene der Rampe und die Dachkante gespannt sind. Ursprünglich als Teil des Tragwerks geplant, um das Dach zu stützen, haben sie in der ausgeführten Version keine statische Funktion mehr. Dekor sind sie trotzdem nicht: Ihre raumbildende Wirkung ist wesentlich, um die Aufmerksamkeit der Besucher nach innen zu lenken und dem Baukörper nach außen jene Mehrdeutigkeit zu geben, die ihn erst interessant macht.
Und wie ist das jetzt mit dem künstlerischen Eigenwert, der den Rahmen der Bauaufgabe sprengt? Vielleicht wäre ein bisschen weniger Glanz näher bei der Kunst gewesen, ein bisschen mehr Gummigeruch, asphaltierte Ruppigkeit und verzinktes Blech statt Edelstahl. Vielleicht führt der Weg zur Baukunst ja überhaupt in die andere Richtung und beginnt dort, wo ein Autohaus als Autohaus geplant wird und nicht als Mischung aus Museum und Entertainmentcenter.
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