Bauwerk
Freestyle-Anlage
planivers - Zürich (CH) - 2003
Transformation einer Landschaft
In den nächsten Jahren wird sich die Allmend Brunau, eine Restfläche am Stadtrand von Zürich, grundlegend verändern. Neben einem bukolisch anmutenden Landschaftsbild wird die Essenz einer innerstädtischen Szenerie entstehen. Und beides zusammen spiegelt unsere veränderten Ansprüche an eine Landschaft.
25. September 2006 - Hansjörg Gadient
Bis vor fünfzig Jahren war die Allmend ein landschaftlich geprägtes Gebiet ausserhalb der Stadt Zürich. Als Wald, Weide, Obsthain und militärisches Übungsgelände genutzt, unterlag seine Gestaltung nie ästhetischen Kriterien. Die Nutzung bestimmte die Form. Mitten durch das Gebiet zog die Sihl zwei geschwungene Schleifen, begleitet von einem Industriekanal, der eine Papiermühle antrieb. Auch der Vegetation schenkte man wenig Aufmerksamkeit. Einzig entlang der Militärstrasse waren noch vor 1900 Kastanien als Schatten spendende Reihe gepflanzt worden. Im Übrigen wuchs an den Flussufern, was nicht durch Beweidung und Mahd niedrig gehalten wurde. So entwickelte sich parallel zur Sihl eine Auengesellschaft. Die Nutzung entsprach lange Zeit dem Wort Allmend. Man verbindet mit ihm die Vorstellung einer einvernehmlich gemeinschaftlichen Nutzung. Das war aber kaum je der Fall. Nutzungskonflikte gab es in Allmenden immer. Aus solchen Konflikten entstanden Nutzungsvereinbarungen, wie sie auch heute notwendig sind.
Die Allmend kultivieren
Anlass für die Umgestaltung war die Fertigstellung der Autobahnbauten und damit die Aufhebung der grossen Baustelleninstallationen. 2008 sollen die Flächen wieder der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Ausserdem genügt der Hochwasserschutz nicht mehr. Das Freibord ist zu niedrig, und das Retentionsvolumen reicht nicht aus. So beauftragten Kanton und Stadt 2003 nach einem eingeladenen Studienauftrag das Büro Raderschall Landschaftsarchitekten mit Dr. Lüchinger und Meier Bauingenieure mit der Neugestaltung. Dem Studienauftrag war eine breite Bürgerbeteiligung vorausgegangen, aus der ein Nutzungskonzept hervorging. Es sollte dazu beitragen, die Konflikte auf der Allmend zu entschärfen. Zurzeit überwiegt die Gruppe der Hundehalter; Familien mit Kindern und ältere Leute nutzen das Gebiet zu wenig. Um beiden Interessengruppen entgegenzukommen, ist die Sihl als Trennung vorgesehen. Der kleinere Teil östlich vom Fluss wird mit einem Hundeverbot belegt und der grössere westliche steht für Hundespaziergänge zur Verfügung.
Ziel der Umgestaltung ist auch die Renaturierung des Flussraumes und damit die ökologische Aufwertung des ganzen Bereiches. Bereits heute gibt es einen Tümpel, dessen Fauna und Flora schweizweit ein herausragendes Biotop darstellt. Die Renaturierung am Flusslauf soll zu Vernetzungen mit diesem Lebensraum führen und die Biodiversität auch am Fluss erhöhen.
In Schichten denken
Der Entwurf von Raderschall Landschaftsarchitekten könnte auf den ersten Blick als englischer Landschaftspark gelesen werden. Die Deutung griffe aber zu kurz. Vielmehr geht es um eine Schichtung verschiedener Bezugssysteme: funktionale Anforderungen, Überlegungen zur Interpretation des Flussraumes und zur räumlichen Neuordnung, Naturschutz und ökologische Aufwertung des Gebietes. In dieser Überlagerung spiegelt sich auch ein Charakteristikum von Freiflächen in der Stadt oder der Stadtnähe. Im Gegensatz zu Flächen auf dem Land, die meist einer Nutzung genügen müssen, sind städtische Freiflächen vielfältigen Anforderungen – sie sind Naherholungsraum, Biotop und Abstandsgrün – ausgesetzt und stellen höhere Anforderungen an Planung und Gestaltung.
Eine Landschaft malen und eine Fläche bestücken
Raderschall Landschaftsarchitekten haben als Leitgedanken einen ästhetischen Zugang gewählt. Sie gehen von einem Bild der Landschaft aus und stellen sich in die Tradition des Bezuges zwischen Landschaftsmalerei und Gartenarchitektur. Bemerkenswert ist im Fall der Allmend, dass der gestalterische Blick nicht aus der Stadt in Richtung Landschaft zielt, sondern umgekehrt aus der Landschaft in Richtung Stadt. Das Gebiet wird als vorstädtisch interpretiert und vor dem Hintergrund einer städtischen Silhouette gesehen und gestaltet.
Hauptziel der Massnahmen ist die Schaffung einer durchgehenden Fläche, die mit Baumgruppen und grossen Einzelbäumen strukturiert und akzentuiert wird. Dazu soll die Trennung aufgehoben werden, die der Fluss heute bildet. Den Blick über den Flusslauf hinaus behindern die Dämme und der Aufwuchs entlang der Ufer, der – wie es Sibylle Aubort vom Büro Raderschall schonungslos formuliert – als «grüne Wurst» durch die Landschaft läuft und alle Querblicke verunmöglicht. Dieser Baumsaum soll ausgelichtet werden, sodass nicht nur Blicke in die Tiefe möglich werden, sondern auch der Fluss selbst wieder sichtbar wird. Die zweite Massnahme ist die Aufhebung der Dämme, welche die Sicht behindern. Dafür müssen der Retentionsraum erweitert und die Flusssohle abgesenkt werden.
Die neu geschaffene durchgehende Fläche wird mit zwei Elementen bestückt. Zum einen sind dies grosse, allein stehende Stieleichen (Quercus robur). Sie sind der Inbegiff von «Baum». Gross und knorrig stehen sie frei auf der Wiesenfläche. In die Tiefe gestaffelt, betonen sie die räumliche Weite, und weil sie alle gleich gross gepflanzt werden, geben sie auch ein Gefühl für Massstab und Entfernung. Das zweite Element sind die verschiedenen Baumgruppen, die so platziert werden, dass sich Sichtachsen über die gesamte Dimension des Raumes ergeben. Dazu schaffen sie dem Beschauer Vorder-, Mittel- und Hintergrund und funktionieren so wie die Elemente eines klug gestalteten Landschaftsbildes. Diese Baumgruppen, «Clumps», sind in der englischen Landschaftsgärtnerei ein beliebtes Element. Als «Bosket» oder «Remise» haben sie den Weg auf den Kontinent geschafft. Meist bestehen sie aus mehreren Arten. Auf der Allmend sind sie jeweils aus einer einzigen Baumart zusammengesetzt, um die Künstlichkeit der Anordnung zu betonen. Verwendet werden die für diesen Standort typischen Auenarten wie Zitterpappel (Populus tremula) oder Silberweide (Salix alba) – leicht erkennbare Baumarten, die es erleichtern sollen, sich zu orientieren und die jedem «Clump» einen starken eigenen Charakter geben.
Am Fluss flanieren, in Baumkronen wandeln
In dieser grossen Fläche mit ihren Clumps und Solitäreichen soll sich der Fluss in einer recht naturähnlichen Weise ausbreiten können. Der Flussraum wird erweitert und die Flusssohle abgesenkt. Die bestehenden Wehre sollen wegfallen, um den Retentionsraum zu vergrössern. So wird auch in Zukunft verhindert, dass Saalsporthalle und Unterführung bei Hochwasser überflutet werden. Weil der Fluss auch nach dem Entfallen der Wehre die gleiche Höhendifferenz aufweisen muss und damit die Strömungsgeschwindigkeit nicht zu hoch wird, sind an zwei Stellen befestigte Sohlrampen vorgesehen. Das sind Stellen, an denen das Flussbett ein stärkeres Gefälle aufweist. Auch bei niedrigem Wasserstand sollen sie als schäumendes Wasserspiel die Menschen anziehen. Spazieren, Flanieren, Promenieren, Joggen, Trotten, Traben und Galoppieren sind die Tätigkeiten, die sich auf den Wegen der neuen Allmend nebeneinander entfalten sollen. Dafür wird ein neues Wegenetz angelegt, das aus einem Hauptsystem und verschiedenen Nebenwegen besteht. Zwei äussere Hauptwege folgen dem Waldrand und der unteren Kante des Lärmschutzwalls an der Autobahn und entsprechen damit dem klassischen «Belt-Walk» des englischen Landschaftsparks. Zwei innere Hauptwege folgen den Flussufern und schliessen an die äusseren an. So entsteht ein weitmaschiges Netz, das lange Spazierwege in Varianten ermöglicht.
Als besonderes Element kommt der «Tree-Top-Walk» dazu. Damit meinen die Verfasser einen aufgeständerten Steg, der vom benachbarten und höher gelegenen Quartier Wollishofen herkommend die Autobahn quert und bis zum westlichen Flussufer führt. Auf etwa 8 m Höhe wird der Weitblick über die Wiesenflächen mit dem Nahblick in die Baumkronen der «Clumps» abwechseln. Schon heute besteht ein Steg als Provisorium, das die Baustelleninstallation überbrückt. Dieser Steg soll erhalten und erst, wenn er baufällig wird, durch den neuen ersetzt werden. An den bestehenden wird eine Verlängerung angesetzt, die als Fussgängerbrücke auch die Sihl überspannen und die Funktion der maroden Militärbrücke übernehmen wird. Der elegante Entwurf von Dr. Lüchinger und Meier Bauingenieure stelzt als leichte und teilweise transparente Konstruktion – einem Insekt nicht unähnlich – über die Ebene. Der Fussweg darauf ist aus zweierlei Material gebildet. Der Mittelteil wird befestigt und die beiden äusseren Streifen werden aus Gitterrosten erstellt: eine Spur für die Menschen, eine für die Hunde.
Den Frontside Heelflip üben
Ein Frontside Heelflip ist kein Drink, sondern ein akrobatischer Sprung auf einem Rollbrett. Für Sprünge dieser Art und weitere sportliche Höchstleistungen von Jugendlichen wird an der Grenze der Allmend Brunau eine aussergewöhnliche Anlage geplant. Der Gegensatz zu den oben beschriebenen könnte nicht grösser sein. Zwischen dem Landschaftsteil und der Stadt wird ein völlig neues Element eingeführt – ein «Freestylepark». Dies ist nicht nur für die Schweiz eine Premiere, sondern ein an sich eigenartiges Ding. Hier werden Ausschnitte von innerstädtischen Situationen als Skaterpark neu addiert und verdichtet. Es werden gleichsam einzelne Elemente der Stadt explantiert und an einem zentralen Ort neu kombiniert. Daraus entsteht der Traum des begeisterten Rollbrettfahrers in Beton und Asphalt: eine Welt aus Rampen, Stufen Geländern und Blöcken, frei von Autos, Hauswarten, Polizisten und störenden Passanten und den akrobatischen Bedürfnissen einer europaweit erfolgreichen Skaterschaft angepasst, eine ideale urbane Landschaft, konsequent auf ihre skaterische Essenz kondensiert.
Noch müssen sich die Freestyler in Geduld üben, weil Einsprachen den Bau bis heute verzögert haben. Da die Stadt kein Risiko eingehen will, strebt sie eine Änderung des Zonenplans an. Denn heute liegt ein Teil der geplanten Anlage in einer Freihaltezone. Rechtlich bietet das eine Angriffsfläche für Einsprachen, die entschärft werden soll. Das bedeutet aber ein weiteres Verfahren, das verzögert werden kann. Wenn alles glatt liefe, könnte Ende 2007 mit dem Bau begonnen werden; bei seiner Fertigstellung wäre es Ende 2008. Kaum jemand rechnet mit diesem optimistischen Szenario, weil das Vorhaben zähe Gegner hat. Ein Verein und private Anwohner befürchten Immissionen und verfolgen einen Einsprachemarathon. Früher oder später wird die Anlage aber realisiert. Die Zürcher Skater sind nicht nur Schweizer Meister, sondern auch an Weltmeisterschaften erfolgreich. Sie haben sich in einem Verein organisiert und betreiben intensive Lobbyarbeit.
Ein städtisches Kondensat bauen
Bisher wurden hierzulande Skaterparks aus vorgefertigten Elementen zusammengestellt. Dass eine solche Anlage von Grund auf geplant und für rund 4.5 Millionen Franken gebaut wird, ist neu. Auch ihre Grösse ist mit 10000 m² aussergewöhnlich. Der Auftrag für die Planung ging nach einer Ausschreibung an das Zürcher Büro Planivers Landschaftsarchitekten. Die zu beplanende Fläche setzt sich aus drei spitzwinklig aneinander gereihten Dreiecken zusammen.
Planivers schlägt eine dreiteilige Anlage vor: Im ersten Dreieck befindet sich der Street-Bereich mit dem Hauptzugang, im mittleren der Pavillon (Architekt: Vital Streiff) mit dem zweiten Zugang und im letzten der Pool-Bereich. Der Street-Bereich ist eine Art simulierte Innenstadt, ein Parcours aus Stufen, Rampen, Geländern, Bänken und Hindernissen aller Art, auf denen die Radfahrer und Skater ihre akrobatischen Übungen absolvieren. Sie ist in drei Ebenen gegliedert, die absteigend die Höhendifferenz zum zweiten Zugang überwinden. Dort stösst die Unterführung von der Sihlcity her in den Freestylepark und befindet sich auch der Pavillon mit dem Betreuungsteam. Rampen und Stufen werden in Beton ausgeführt, die Flächen in Asphalt. Beschattet wird die Anlage von kleinen Baumgruppen am Rand, die das Konzept der Clumps weiterführen. Der Pool-Bereich ist eine Landschaft aus Halfpipes, Senken, in denen die Fahrer ihre Geschicklichkeit üben können. Während der Street-Bereich von Dreiecken und linearen Formen geprägt ist, dominieren im Pool-Bereich Rundungen. Im Plan gleichen sie den Darmschlingen eines Monsters, in der Ansicht Kratern einer Mondlandschaft. Eine befahrbare Brücke verbindet die beiden Bereiche. Darunter verläuft der Weg von der Unterführung in die Allmend. So werden Fussgänger-und Skaterströme entflochten und Konflikte vermieden.
Die Landschaft transformieren
Das Nebeneinander der geplanten neuen Teile der Allmend scheint auf den ersten Blick unvereinbar. Ein fast gänzlich versiegeltes Stück Beton und Asphalt, das als Essenz der versteinerten Stadt gelesen werden kann, stösst auf ein grünes naturnahes Landschaftsbild, das an Idyllen einer bukolischen Szenerie erinnnert. Schärfer kann der Schnitt nicht sein. Aber beide Teile spiegeln im Grunde die gleiche Entwicklung. Es sind die differierenden Vorstellungen von Freizeit und Erholung, die so unterschiedliche Formen hervorbringen. Aus einer stadtnahen Restfläche wird in den nächsten Jahren eine exakt den gewandelten Ansprüchen an die Freizeitgestaltung angepasste Landschaft.
Die Allmend kultivieren
Anlass für die Umgestaltung war die Fertigstellung der Autobahnbauten und damit die Aufhebung der grossen Baustelleninstallationen. 2008 sollen die Flächen wieder der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Ausserdem genügt der Hochwasserschutz nicht mehr. Das Freibord ist zu niedrig, und das Retentionsvolumen reicht nicht aus. So beauftragten Kanton und Stadt 2003 nach einem eingeladenen Studienauftrag das Büro Raderschall Landschaftsarchitekten mit Dr. Lüchinger und Meier Bauingenieure mit der Neugestaltung. Dem Studienauftrag war eine breite Bürgerbeteiligung vorausgegangen, aus der ein Nutzungskonzept hervorging. Es sollte dazu beitragen, die Konflikte auf der Allmend zu entschärfen. Zurzeit überwiegt die Gruppe der Hundehalter; Familien mit Kindern und ältere Leute nutzen das Gebiet zu wenig. Um beiden Interessengruppen entgegenzukommen, ist die Sihl als Trennung vorgesehen. Der kleinere Teil östlich vom Fluss wird mit einem Hundeverbot belegt und der grössere westliche steht für Hundespaziergänge zur Verfügung.
Ziel der Umgestaltung ist auch die Renaturierung des Flussraumes und damit die ökologische Aufwertung des ganzen Bereiches. Bereits heute gibt es einen Tümpel, dessen Fauna und Flora schweizweit ein herausragendes Biotop darstellt. Die Renaturierung am Flusslauf soll zu Vernetzungen mit diesem Lebensraum führen und die Biodiversität auch am Fluss erhöhen.
In Schichten denken
Der Entwurf von Raderschall Landschaftsarchitekten könnte auf den ersten Blick als englischer Landschaftspark gelesen werden. Die Deutung griffe aber zu kurz. Vielmehr geht es um eine Schichtung verschiedener Bezugssysteme: funktionale Anforderungen, Überlegungen zur Interpretation des Flussraumes und zur räumlichen Neuordnung, Naturschutz und ökologische Aufwertung des Gebietes. In dieser Überlagerung spiegelt sich auch ein Charakteristikum von Freiflächen in der Stadt oder der Stadtnähe. Im Gegensatz zu Flächen auf dem Land, die meist einer Nutzung genügen müssen, sind städtische Freiflächen vielfältigen Anforderungen – sie sind Naherholungsraum, Biotop und Abstandsgrün – ausgesetzt und stellen höhere Anforderungen an Planung und Gestaltung.
Eine Landschaft malen und eine Fläche bestücken
Raderschall Landschaftsarchitekten haben als Leitgedanken einen ästhetischen Zugang gewählt. Sie gehen von einem Bild der Landschaft aus und stellen sich in die Tradition des Bezuges zwischen Landschaftsmalerei und Gartenarchitektur. Bemerkenswert ist im Fall der Allmend, dass der gestalterische Blick nicht aus der Stadt in Richtung Landschaft zielt, sondern umgekehrt aus der Landschaft in Richtung Stadt. Das Gebiet wird als vorstädtisch interpretiert und vor dem Hintergrund einer städtischen Silhouette gesehen und gestaltet.
Hauptziel der Massnahmen ist die Schaffung einer durchgehenden Fläche, die mit Baumgruppen und grossen Einzelbäumen strukturiert und akzentuiert wird. Dazu soll die Trennung aufgehoben werden, die der Fluss heute bildet. Den Blick über den Flusslauf hinaus behindern die Dämme und der Aufwuchs entlang der Ufer, der – wie es Sibylle Aubort vom Büro Raderschall schonungslos formuliert – als «grüne Wurst» durch die Landschaft läuft und alle Querblicke verunmöglicht. Dieser Baumsaum soll ausgelichtet werden, sodass nicht nur Blicke in die Tiefe möglich werden, sondern auch der Fluss selbst wieder sichtbar wird. Die zweite Massnahme ist die Aufhebung der Dämme, welche die Sicht behindern. Dafür müssen der Retentionsraum erweitert und die Flusssohle abgesenkt werden.
Die neu geschaffene durchgehende Fläche wird mit zwei Elementen bestückt. Zum einen sind dies grosse, allein stehende Stieleichen (Quercus robur). Sie sind der Inbegiff von «Baum». Gross und knorrig stehen sie frei auf der Wiesenfläche. In die Tiefe gestaffelt, betonen sie die räumliche Weite, und weil sie alle gleich gross gepflanzt werden, geben sie auch ein Gefühl für Massstab und Entfernung. Das zweite Element sind die verschiedenen Baumgruppen, die so platziert werden, dass sich Sichtachsen über die gesamte Dimension des Raumes ergeben. Dazu schaffen sie dem Beschauer Vorder-, Mittel- und Hintergrund und funktionieren so wie die Elemente eines klug gestalteten Landschaftsbildes. Diese Baumgruppen, «Clumps», sind in der englischen Landschaftsgärtnerei ein beliebtes Element. Als «Bosket» oder «Remise» haben sie den Weg auf den Kontinent geschafft. Meist bestehen sie aus mehreren Arten. Auf der Allmend sind sie jeweils aus einer einzigen Baumart zusammengesetzt, um die Künstlichkeit der Anordnung zu betonen. Verwendet werden die für diesen Standort typischen Auenarten wie Zitterpappel (Populus tremula) oder Silberweide (Salix alba) – leicht erkennbare Baumarten, die es erleichtern sollen, sich zu orientieren und die jedem «Clump» einen starken eigenen Charakter geben.
Am Fluss flanieren, in Baumkronen wandeln
In dieser grossen Fläche mit ihren Clumps und Solitäreichen soll sich der Fluss in einer recht naturähnlichen Weise ausbreiten können. Der Flussraum wird erweitert und die Flusssohle abgesenkt. Die bestehenden Wehre sollen wegfallen, um den Retentionsraum zu vergrössern. So wird auch in Zukunft verhindert, dass Saalsporthalle und Unterführung bei Hochwasser überflutet werden. Weil der Fluss auch nach dem Entfallen der Wehre die gleiche Höhendifferenz aufweisen muss und damit die Strömungsgeschwindigkeit nicht zu hoch wird, sind an zwei Stellen befestigte Sohlrampen vorgesehen. Das sind Stellen, an denen das Flussbett ein stärkeres Gefälle aufweist. Auch bei niedrigem Wasserstand sollen sie als schäumendes Wasserspiel die Menschen anziehen. Spazieren, Flanieren, Promenieren, Joggen, Trotten, Traben und Galoppieren sind die Tätigkeiten, die sich auf den Wegen der neuen Allmend nebeneinander entfalten sollen. Dafür wird ein neues Wegenetz angelegt, das aus einem Hauptsystem und verschiedenen Nebenwegen besteht. Zwei äussere Hauptwege folgen dem Waldrand und der unteren Kante des Lärmschutzwalls an der Autobahn und entsprechen damit dem klassischen «Belt-Walk» des englischen Landschaftsparks. Zwei innere Hauptwege folgen den Flussufern und schliessen an die äusseren an. So entsteht ein weitmaschiges Netz, das lange Spazierwege in Varianten ermöglicht.
Als besonderes Element kommt der «Tree-Top-Walk» dazu. Damit meinen die Verfasser einen aufgeständerten Steg, der vom benachbarten und höher gelegenen Quartier Wollishofen herkommend die Autobahn quert und bis zum westlichen Flussufer führt. Auf etwa 8 m Höhe wird der Weitblick über die Wiesenflächen mit dem Nahblick in die Baumkronen der «Clumps» abwechseln. Schon heute besteht ein Steg als Provisorium, das die Baustelleninstallation überbrückt. Dieser Steg soll erhalten und erst, wenn er baufällig wird, durch den neuen ersetzt werden. An den bestehenden wird eine Verlängerung angesetzt, die als Fussgängerbrücke auch die Sihl überspannen und die Funktion der maroden Militärbrücke übernehmen wird. Der elegante Entwurf von Dr. Lüchinger und Meier Bauingenieure stelzt als leichte und teilweise transparente Konstruktion – einem Insekt nicht unähnlich – über die Ebene. Der Fussweg darauf ist aus zweierlei Material gebildet. Der Mittelteil wird befestigt und die beiden äusseren Streifen werden aus Gitterrosten erstellt: eine Spur für die Menschen, eine für die Hunde.
Den Frontside Heelflip üben
Ein Frontside Heelflip ist kein Drink, sondern ein akrobatischer Sprung auf einem Rollbrett. Für Sprünge dieser Art und weitere sportliche Höchstleistungen von Jugendlichen wird an der Grenze der Allmend Brunau eine aussergewöhnliche Anlage geplant. Der Gegensatz zu den oben beschriebenen könnte nicht grösser sein. Zwischen dem Landschaftsteil und der Stadt wird ein völlig neues Element eingeführt – ein «Freestylepark». Dies ist nicht nur für die Schweiz eine Premiere, sondern ein an sich eigenartiges Ding. Hier werden Ausschnitte von innerstädtischen Situationen als Skaterpark neu addiert und verdichtet. Es werden gleichsam einzelne Elemente der Stadt explantiert und an einem zentralen Ort neu kombiniert. Daraus entsteht der Traum des begeisterten Rollbrettfahrers in Beton und Asphalt: eine Welt aus Rampen, Stufen Geländern und Blöcken, frei von Autos, Hauswarten, Polizisten und störenden Passanten und den akrobatischen Bedürfnissen einer europaweit erfolgreichen Skaterschaft angepasst, eine ideale urbane Landschaft, konsequent auf ihre skaterische Essenz kondensiert.
Noch müssen sich die Freestyler in Geduld üben, weil Einsprachen den Bau bis heute verzögert haben. Da die Stadt kein Risiko eingehen will, strebt sie eine Änderung des Zonenplans an. Denn heute liegt ein Teil der geplanten Anlage in einer Freihaltezone. Rechtlich bietet das eine Angriffsfläche für Einsprachen, die entschärft werden soll. Das bedeutet aber ein weiteres Verfahren, das verzögert werden kann. Wenn alles glatt liefe, könnte Ende 2007 mit dem Bau begonnen werden; bei seiner Fertigstellung wäre es Ende 2008. Kaum jemand rechnet mit diesem optimistischen Szenario, weil das Vorhaben zähe Gegner hat. Ein Verein und private Anwohner befürchten Immissionen und verfolgen einen Einsprachemarathon. Früher oder später wird die Anlage aber realisiert. Die Zürcher Skater sind nicht nur Schweizer Meister, sondern auch an Weltmeisterschaften erfolgreich. Sie haben sich in einem Verein organisiert und betreiben intensive Lobbyarbeit.
Ein städtisches Kondensat bauen
Bisher wurden hierzulande Skaterparks aus vorgefertigten Elementen zusammengestellt. Dass eine solche Anlage von Grund auf geplant und für rund 4.5 Millionen Franken gebaut wird, ist neu. Auch ihre Grösse ist mit 10000 m² aussergewöhnlich. Der Auftrag für die Planung ging nach einer Ausschreibung an das Zürcher Büro Planivers Landschaftsarchitekten. Die zu beplanende Fläche setzt sich aus drei spitzwinklig aneinander gereihten Dreiecken zusammen.
Planivers schlägt eine dreiteilige Anlage vor: Im ersten Dreieck befindet sich der Street-Bereich mit dem Hauptzugang, im mittleren der Pavillon (Architekt: Vital Streiff) mit dem zweiten Zugang und im letzten der Pool-Bereich. Der Street-Bereich ist eine Art simulierte Innenstadt, ein Parcours aus Stufen, Rampen, Geländern, Bänken und Hindernissen aller Art, auf denen die Radfahrer und Skater ihre akrobatischen Übungen absolvieren. Sie ist in drei Ebenen gegliedert, die absteigend die Höhendifferenz zum zweiten Zugang überwinden. Dort stösst die Unterführung von der Sihlcity her in den Freestylepark und befindet sich auch der Pavillon mit dem Betreuungsteam. Rampen und Stufen werden in Beton ausgeführt, die Flächen in Asphalt. Beschattet wird die Anlage von kleinen Baumgruppen am Rand, die das Konzept der Clumps weiterführen. Der Pool-Bereich ist eine Landschaft aus Halfpipes, Senken, in denen die Fahrer ihre Geschicklichkeit üben können. Während der Street-Bereich von Dreiecken und linearen Formen geprägt ist, dominieren im Pool-Bereich Rundungen. Im Plan gleichen sie den Darmschlingen eines Monsters, in der Ansicht Kratern einer Mondlandschaft. Eine befahrbare Brücke verbindet die beiden Bereiche. Darunter verläuft der Weg von der Unterführung in die Allmend. So werden Fussgänger-und Skaterströme entflochten und Konflikte vermieden.
Die Landschaft transformieren
Das Nebeneinander der geplanten neuen Teile der Allmend scheint auf den ersten Blick unvereinbar. Ein fast gänzlich versiegeltes Stück Beton und Asphalt, das als Essenz der versteinerten Stadt gelesen werden kann, stösst auf ein grünes naturnahes Landschaftsbild, das an Idyllen einer bukolischen Szenerie erinnnert. Schärfer kann der Schnitt nicht sein. Aber beide Teile spiegeln im Grunde die gleiche Entwicklung. Es sind die differierenden Vorstellungen von Freizeit und Erholung, die so unterschiedliche Formen hervorbringen. Aus einer stadtnahen Restfläche wird in den nächsten Jahren eine exakt den gewandelten Ansprüchen an die Freizeitgestaltung angepasste Landschaft.
Für den Beitrag verantwortlich: TEC21
Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Solt
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