Bauwerk

Schulungszentrum mit Betriebsrestaurant
Barkow Leibinger - Neukirch (D) - 2005
Schulungszentrum mit Betriebsrestaurant, Foto: Werner Huthmacher
Schulungszentrum mit Betriebsrestaurant, Foto: Werner Huthmacher

Traditionell modern

Trotz allgemeiner Schrumpfungstendenzen in der Oberlausitz, erlebt die Gemeinde Neukirch bereits seit einigen Jahren eine erstaunliche Reindustrialisierung. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet der Werkzeugmaschinenhersteller »Trumpf«, der in der Region zusätzliche Arbeitsplätze schafft und dabei auch noch neue Maßstäbe in der Industriearchitektur setzt.

14. Oktober 2006 - Matthias Grünzig
Die Oberlausitz im östlichen Sachsen gilt gemeinhin als Krisenregion. Der Landstrich ist vor allem durch Strukturschwäche, eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, Abwanderung und Bevölkerungsschrumpfung geprägt. Umso überraschender ist die Entwicklung der 5600-Einwohner-Gemeinde Neukirch, die südlich von Bautzen liegt. Denn Neukirch konnte in den letzten Jahren einen erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen, der dem Ort rund 800 neue Industriearbeitsplätze beschert hat. Heute produzieren in Neukirch mehrere Maschinenbauunternehmen, metallverarbeitende Betriebe und ein Fahrradhersteller. Der wichtigste Arbeitgeber ist aber der Werkzeugmaschinenhersteller »Trumpf Sachsen GmbH«, der in verschiedener Hinsicht Erfolgsgeschichte schreibt. So konnte die Firma zum einen in den letzten Jahren ein stetes Umsatzwachstum und einen Anstieg der Beschäftigten von 100 auf 327 verzeichnen, zum anderen gelang ihr zwischen 1993 und 2006 eine beispielhafte Neugestaltung ihres Firmengeländes.

Ausgangspunkt dieser Erfolgsgeschichte war ein Fabrikkomplex, der ursprünglich als Rucksack-, Gamaschen- und Pelerinenfabrik und später als Rationalisierungswerkstatt des Landmaschinenherstellers »Fortschritt« diente. Noch 1992 präsentierte sich das Areal als eine disperate »Gemengelage« aus Produktionsgebäuden aus der Zeit um 1900, 1970 und um 1980 sowie einer Fabrikantenvilla von 1921. Doch nach der Übernahme des Werks durch »Trumpf« im Jahr 1992 änderte sich das grundlegend. Bereits 1993 wurde vom Berliner Büro Barkow Leibinger Architekten ein Masterplan für die Neuorganisation des Firmenkomplexes erarbeitet, der eine planmäßige Umgestaltung des Areals »aus einem Guss« sichern sollte.

»Trumpf« produziert hoch entwickelte Wasserstrahlschneidmaschinen, Laserschneidmaschinen und Automatisierungskomponenten für Werkzeugmaschinen, die in Neukirch nicht nur hergestellt, sondern auch entwickelt werden. Für die Fertigung derart anspruchsvoller Produkte sind hoch qualifizierte und motivierte Fachkräfte erforderlich, die ihrerseits hohe Ansprüche an ihren Betrieb und ihr Arbeitsumfeld stellen. Das Anwerben und die langfristige Bindung dieser Fachkräfte wird umso wichtiger, da die Region seit Jahren mit Abwanderung zu kämpfen hat und bis 2008 mit einer Halbierung der Zahl der Schulabgänger zu rechnen ist. Im Konkurrenzkampf um qualifizierte Mitarbeiter setzt das Unternehmen auf ein gutes Betriebsklima und eben auch auf eine anspruchsvolle Architektur. Für die Architekten bedeutete dies eine doppelte Herausforderung: Sie mussten einen Firmenkomplex entwerfen, der nicht nur die besten Voraussetzungen für eine rationelle Produktion, sondern auch hervorragende Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bietet.

Werksgelände mit architektonischem Anspruch

Wie muss ein Firmengelände aussehen, das Mitarbeiter an die Firma bindet und neue Beschäftigte anlockt? Zu dieser Frage gab es intensive Abstimmungen zwischen dem Büro Barkow Leibinger Architekten, der Firmenleitung und den Beschäftigten. Das Ergebnis der rund 60 Millionen Euro teuren Umgestaltung ist ein Komplex, der sich aus einem Arbeitsbereich und einem Erholungsbereich zusammensetzt. Der Arbeitsbereich besteht vor allem aus den sanierten alten Werkhallen und Neubauhallen, die in drei parallelen Reihen angeordnet sind. Bereits 1993 wurde die Mähfingerhalle von 1980 saniert, von 1996 bis 1998 folgte eine um 1970 errichtete Montagehalle, von 1998 bis 1999 wurde eine weitere Montagehalle aus der Zeit um 1970 umgebaut, zwischen 2002 und 2003 die Fabrikantenvilla von 1921 zum Schulungs- und Beratungszentrum umgebaut und -genutzt. Ergänzt wurden die sanierten Gebäude durch Neubauten: Zwischen 1996 und 1998 erfolgte der Neubau der Lackiererei, zwischen 1999 und 2000 entstand die Musterbauhalle; später folgten das von 2001 bis 2002 errichtete Verwaltungsgebäude und eine weitere Montagehalle, die von 2003 bis 2004 erbaut wurde.
Die Gestaltung des Arbeitsbereichs wird ganz von der Produktion beherrscht. Die Neubauhallen sind als Stahl- und Betonkonstruktionen mit großen Stützweiten ausgeführt, die eine hohe Flexibilität der Nutzung erlauben. Die Fassaden aus silbrigen Aluminiumblechen, Sichtbeton und Glasflächen unterstreichen den technischen Charakter der Gebäude. Im Innern sind helle und übersichtliche Arbeitsplätze untergebracht, die zur rationellen Produktion beitragen. Eine besondere Herausforderung war die Sanierung der denkmalgeschützten Fabrikantenvilla. Im Einklang mit der Denkmalpflege wurden die erhaltenen Art-Deco-Decken, farbigen Fenster und Holztäfelungen restauriert.

Verweise und Zitate

Einen deutlichen Kontrast zum Arbeitsbereich bildet der neu geschaffene Erholungsbereich, der den Beschäftigten die Pausen versüßen soll. Sein Kernstück ist das zwischen 2003 und 2006 errichtete Restaurantgebäude: Eine Remise aus der Zeit um 1900, ein Anbau aus der Zeit um 1980 und ein Neubau wurden hier zu einem zweigeschossigen Gebäude zusammengefasst, das unterschiedliche Funktionen beherbergt. Im Erdgeschoss befinden sich Ausstellungsräume und Werkstätten, während im Obergeschoss Veranstaltungssäle und Schulungsräume untergebracht sind. Den Höhepunkt aber markiert das ebenfalls im Obergeschoss gelegene Betriebsrestaurant, dessen lichte, mit hellem Lärchenholz ausgekleideten Räume eine angenehme Atmosphäre verbreiten. Die großen Panoramafenster erlauben einen wunderbaren Ausblick auf das Lausitzer Bergland und die beiden in das Dach eingeschnittenen Terrassen bieten im Sommer Freiluftplätze. Die Architektur unterstreicht den besonderen Charakter des Betriebsrestaurants. Im Gegensatz zu den anderen Werksgebäuden wurde dieser Bau mit anthrazitfarbenen Zinkblech-Schindeln verkleidet, die einen Bezug zu den schieferverkleideten Häusern der Nachbarschaft herstellen. Ergänzt wird der regionale Bezug durch die tieflaibigen Kastenfenster aus hellem Holz.

Die der Erholung dienenden Freiflächen auf dem Gelände sind nach Entwürfen des Berliner Landschaftsplanungsbüros Kiefer entstanden. Die Planer schufen gleich neben dem Restaurantgebäude eine Promenade mit edelstahlgerahmten Terrassen, Sichtbetoneinfassungen, Pflanzungen und Bänken; auf der anderen Seite des Betriebsrestaurants wurden Mitarbeitergärten angelegt, in denen im Sommer sogar Liegestühle zum Sonnenbaden bereitstehen.

Das Resultat der Um- und Neugestaltung ist ein Firmenkomplex, der von den Beschäftigten akzeptiert wird und zugleich beim Anwerben neuer Beschäftigter »enorm weiterhilft«, wie Bernd Wechler, der Produktionsleiter der Trumpf Sachsen GmbH, betont. Ergänzt wird die werbewirksame Architektur durch weitere Bemühungen für die Anwerbung neuer Mitarbeiter. So knüpft »Trumpf« Kontakte zu Schulen, um schon frühzeitig für eine Arbeit im Unternehmen zu begeistern, und veranstaltet regelmäßig Tage der offenen Tür, an denen sich Schüler und Studenten technischer Fachrichtungen über Ausbildungsmöglichkeiten informieren können. Aber auch Lehrer und Eltern werden von »Trumpf« eingeladen, damit sie sich ein eigenes Bild von dem Unternehmen machen können. »Wir wollen erreichen, dass die Bevölkerung mehr über den Werkzeugmaschinenbau und die damit verbundenen Zukunftschancen erfährt«, erklärt Bernd Wechler die Strategie. Zudem kooperiert das Unternehmen mit der TU Dresden, der TU Chemnitz und der Hochschule Zittau-Görlitz, um Fachkräfte auch außerhalb der Region für eine Tätigkeit in Neukirch zu interessieren. Und nicht zuletzt betreibt »Trumpf« eine vorausschauende Ausbildungspolitik: Um für den künftigen Mangel an Lehrlingen gewappnet zu sein, bildet das Unternehmen derzeit besonders viele Lehrlinge aus. »Während wir früher jedes Jahr nur vier bis fünf Lehrlinge hatten, bilden wir in diesem Jahr acht aus«, berichtet Wechler.

Besonders wichtig ist der Firma aber die Einbindung in die Region Oberlausitz. Nicht zuletzt deshalb vergibt sie jedes Jahr Aufträge im Wert von rund 19 Millionen Euro an Unternehmen vor Ort. Auch durch dieses Engagement beweist die Trumpf Sachsen GmbH, dass selbst eine vermeintliche Krisenregion eine wirtschaftliche Zukunft haben kann.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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