Bauwerk

Kontor 19
GATERMANN + SCHOSSIG - Köln (D) - 2005
Kontor 19, Foto: moderne stadt Gesellschaft zur Förderung des Städtebaues und der Gemeindeentwicklung mbH
Kontor 19, Foto: GATERMANN + SCHOSSIG Architekten Generalplaner
Kontor 19, Foto: GATERMANN + SCHOSSIG Architekten Generalplaner

Rheingold

Der Bürobau im Rheinauhafen zelebriert das Prinzip der Einheit in der Vielfalt. Schillernd eloxierte Aluminiumpaneele und transparente Fassadenfelder bilden einen spannungsreichen Kontrast im Wechselspiel aus Licht und feinen Farbnuancen. Die vollflächig eben ausgeführte Fassadenhaut betont die kubische Form des Baukörpers und wird durch ausstellbare Lüftungsklappen spielerisch strukturiert.

3. November 2006 - Markus Kilian
Zwischen Bayenturm und dem sanierten Hafengebäude (ebenfalls von Gatermann Schossig), zwischen Rheinuferstraße und Uferbebauung steht das Bürogebäude als einer der ersten fertig gestellten Neubauten des Rheinauhafens im Süden der Kölner Altstadt. Das ehemalige Gelände des Kölner Hafens wird derzeit in ein modernes Büro- und Wohnviertel umgewandelt. Der städtische Rahmenplan, hervorgegangen aus der Wettbewerbsplanung mit markanten Kranhäusern von BRT, Hamburg, sieht auf zwei schmalen Bebauungsstreifen einen Wechsel von historischen Kontor- und Speichergebäuden wie dem berühmten »Siebengebirge« (Umbau: Kister Scheithauer Gross, Köln) mit modernen Wohn- und Bürogebäuden vor.

Sowohl die Nutzung als flexibles Mietbüro als auch die vorgegebene Kostengrenze veranlassten die Architekten, eindeutige Präferenzen zu setzen. Der innere Kern wurde auf ein absolutes Mindestmaß reduziert. Wesentliche Aufgaben fallen somit der Gebäudehülle zu: In ihrer visuellen und haptischen Erscheinung muss sie eine hohe ästhetische und dauerhafte Wertigkeit für die zukünftigen Nutzer repräsentieren. Gleichzeitig soll der Neubau sich zwischen den historischen Nachbarn behaupten und vermitteln. Anstatt des im Rahmenplan vorgesehenen umlaufenden Staffelgeschosses konzentrieren die Architekten das Bauvolumen des obersten Geschosses auf der nördlichen Seite. Zum Bayenturm hin nimmt sich der Baukörper deutlich zurück und verbindet so auf unprätentiöse Weise die unterschiedlichen Bauhöhen der historischen Nachbargebäude Hafenamt und Bayenturm entlang der Rheinuferstraße untereinander. Im Erdgeschoss reagiert das strenge kubische Bauvolumen auf den oberen Rücksprung mit einer transparenten Glasfassade.

Nach innen ist ein Höchstmaß an Flexibilität und Komfort gefordert, um die unterschiedlichen Wünsche zukünftiger Mieter berücksichtigen zu können. Zwei Eingänge von der Binnenstraße des Rheinauhafens her und eine zentrale Versorgungs- und Erschließungsschiene ermöglichen die flexible Aufteilung in Büro- und Geschäftsflächen auf sechs Geschossen mit Nutzungsformen vom Großraum bis zum Einzelbüro in variablen Größen.

Derzeit steht das Gebäude noch leer, obwohl der Rheinauhafen als Toplage vermarktet wird. Im zähen Ringen um die Vermietung von Büroimmobilien scheint auch die beste Architektur die Nähe zur lauten Rheinuferstraße und den verstellten Ausblick auf den Fluss nicht aufwiegen zu können.

Die elementierte Fassade beruht auf dem Prinzip der von Gatermann Schossig entwickelten Integralfassade. Die vorfabrizierten Fassadenelemente vereinen Tageslichtlenkung, manuelle und geregelte Lüftung, Schallabsorption und die komplexen Abläufe der Temperierung, um den flexiblen Innenraum frei von störenden Installationen zu halten. Der erforderliche Lüftungsquerschnitt verteilt sich auf jeweils nach außen kippende Fensterflügel und in den Bodenaufbau integrierte Lüftungsklappen. Innen liegender Sonnenschutz mit sp ezieller Lichtlenkung in Verbindung mit einer geregelten Nachtauskühlung und einer Bauteiltemperierung der massiven Geschossdecken gewährleisten durch die aufeinander abgestimmten Komponenten ein behagliches Büroklima und einen wirtschaftlichen Betrieb.

Die Innenseiten der geschlossenen Elemente lassen sich zusätzlich mit Akustikpaneelen oder Kühlelementen bestücken, um so auch erhöhte Komfortansp rüche berücksichtigen zu können. Die vollflächige Glasfassade des zurückgesetzten Dachgeschosses, die ebenfalls auf einen außen liegenden Sonnenschutz verzichtet, beeindruckt durch ihre filigrane, flächenbündige Oberfläche. Hier muss jedoch der Sonneneinstrahlung mit integrierten Kühlelementen entgegengesteuert werden.

Durch den Verzicht auf außen liegende Verschattungselemente wird eine absolut flächenbündige Fassade mit extrem schmalem Fugenbild möglich. Die Minimierung der Paneel- und Elementfugen auf nur 15 mm Breite und den unregelmäßigen Wechsel von offenen und geschlossenen vertikalen Elementen lässt eine lebendige, vibrierende Oberfläche entstehen. Durch die hohe Präzision und Bündigkeit verschmelzen die Elemente aus eloxierten Alupaneelen und Glasflächen zu einem objekthaften, solitären Körper aus einem Guss.
Je nach Blickwinkel und Sonneneinstrahlung spiegelt sich die Umgebung darin wider oder wird das Innere sichtbar.

Das Spiel der sich öffnenden Lüftungsklappen und Kippflügel – mal manuell unregelmäßig oder gleichmäßig im Takt – wecken Assoziationen an die Rhythmen der »Sinfonie der Großstadt« von Walter Ruttmann und Jacques Tatis »Mon Oncle«.

Für die Gestaltung der Oberfläche der Aluminium-Fassadenpaneele haben sich die Architekten nach intensiver Recherche für ein besonderes Verfahren entschieden. Um den Baukörper mit seiner absolut planen Außenhaut noch stärker als visuelle Einheit erscheinen zu lassen, überzieht ein organisch kristallines Muster die geschlossenen Fassadenelemente.

Ein vorgefertigtes, auf Pixeln basierendes Endlosmuster hebt sich mit glänzender Oberfläche vom matten, messingfarbenen Grund ab, so dass sich je nach Lichteinfall eine fast einheitliche Oberfläche ergibt oder das Muster in deutlichem Kontrast hervortritt. Erreicht wird diese Struktur durch eine leicht erhabene und eine weniger starke Materialschicht, die jeweils in unterschiedlichen Farbtönen bzw. Oberflächen (matt/glanz-) eloxiert ist. Dass dieses patentierte Verfahren derzeit nur von einer spezialisierten Firma in Neuseeland angewandt werden kann, hat die Bauherren trotz höherer Kosten und der Risiken der Lieferfristen nicht abgeschreckt. Die visuelle Wirkung der eigens angefertigten Musterfassade ließ die Bedenken in den Hintergrund treten.

Die an gefrorenes Eis auf Glasscheiben erinnernde Struktur erzeugt durch ihre richtungslosen Fasern« eine reflektierende visuelle Haut, deren Muster die Orthogonalität der Fassadenelemente bricht und sie mit einem abstrakten Rauschen überlagert.

Die gold-messing-farbenen Aluminiumpaneele und die grüntürkisen Glasscheiben erinnern an die rheinische Variante der Nachkriegsmoderne mit ihren verspielten Oberflächen und edel gefassten Messingprofilen und interpretieren sie neu.

Kann man von einer ornamentierten Fassade sprechen? Dazu wird es sicherlich unterschiedliche Interpretationsansätze geben. Der Grat zwischen reinem Dekor und Ornament als Träger eines integrierten symbolischen Systems ist bekanntlich recht schmal.

Die Frage nach dem Bildcharakter des solitären Gebäudes dagegen ist vielversprechend: Die Komposition der Fassaden als Ganzes mit ihrem vielschichtigen Äußeren fasziniert in ihrer komplexen visuellen Erscheinung. Sie ist weniger eine Addition einzelner funktionaler und gestalterischer Elemente als vielmehr ein bildhaftes, sich im wechselnden Licht wandelndes Objekt.

Der visuelle Reiz des absolut flächenbündigen Baukörpers liegt in dieser Vielschichtigkeit. Mit seinen schimmernden und glänzenden Oberflächen, seiner wechselnden Farbigkeit, dem spielerischen Wechsel geschlossener und transparenter Elemente und dem individuellen Öffnen und Schließen der Lüftungsflügel und -klappen erzeugt das Gebäude eine komplexe visuelle Poesie, die sich dazu wie selbstverständlich in die Umgebung einfügt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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