Bauwerk

Rettungsstation Hernals
Geiswinkler & Geiswinkler - Wien (A) - 2006
Rettungsstation Hernals, Foto: Manfred Seidl
Rettungsstation Hernals, Foto: Manfred Seidl
Rettungsstation Hernals, Foto: Manfred Seidl

Couturiers der Flächen

Wie man, dem rotierenden Rotstift zum Trotz, banale historische Architektur in ein zeitgenössiches Highlight verwandelt. Die umgebaute Rettungsstation in Wien-Hernals.

23. Juli 2006 - Liesbeth Waechter-Böhm
Sparen ist angesagt. Was der Ge werkschaftsbund erst noch ler nen muss, das wissen Architekten schon länger. Welche Sinnhaftigkeiten auch immer sie aufzeichnen, der Rotstift schlägt trotzdem zu. Das Kunststück besteht darin, die Abstriche mit Würde zu bewältigen. Und die (zeitlich) langen Durststrecken zu verkraften: Für den Umbau - und viel mehr ist es ja nicht - der Rettungsstation Hernals fand der Wettbewerb im Jahr 2002 statt. Jetzt schreiben wir 2006.

Geiswinkler & Geiswinkler haben die Wartezeit und das Sparprogramm aber souverän weggesteckt. Ihre Intervention im ziemlich verkorksten Altbestand weist sie als sensible Meister im Umgang mit Problemsituationen aus, die durch unaufdringliche Eleganz in Material- und Formensprache auch in banaler historischer Architektur ein ausgesprochen edles zeitgenössisches Highlight setzen. Zum Nutzen und Gewinn des Objekts insgesamt. Bauhistorisch ist der Bestand sicher nicht sehr bedeutend, auch wenn er unter Denkmalschutz steht. Der villenartige Kernbau war früher einmal ein Armenspital, 1905 - da wurde das Haus schon als Rettungsstation genutzt - hat der Architekt, ein gewisser Poppovits, zwei niedrigere Seitenflügel darangebaut und einen Pavillon in den Hof gestellt. Diese Bauteile haben Sichtziegelfassaden.

Was diese Zubauten in ein geradezu rätselhaftes Licht taucht, das ist der Umstand, dass sie überhaupt nicht ans Hauptgebäude anschließen. Die Niveaus sind einfach nicht gleich. Und es gab im Kernbau einen mickrigen Eingang, auch noch irgendwelche Nebeneingänge in den Seitentrakten. Wie auch immer, der Bau war orientierungslos. Und genau diesen Schwachpunkt haben Geiswinkler & Geiswinkler schon im Wettbewerb erfolgreich zum Thema gemacht. Neben dem Raumprogramm, das es natürlich zu erfüllen galt, ging es hauptsächlich darum, eine übersichtliche Raumabfolge zu schaffen, eine Durchwegung, die den verwinkelten Bestand in eine offene und praktikable Struktur transformiert. Man muss sich vor Augen halten, wozu dieses Gebäude dient: Hier steht eine spezifisch ausgebildete Belegschaft sozusagen in Warteposition, abrufbereit. Solang sie nicht gebraucht werden, haben diese Leute relativ wenig zu tun. Aber dann kommt ein Einsatz, und es geht um Zeit. Das ist über verwinkelte und ausgesprochen enge Treppen nur strapaziös zu schaffen. Das Thema der Geiswinkler-Intervention trifft insofern ins Schwarze.

Und sie haben städtebaulich gedacht und einen klar definierten Zugang geschaffen - der nicht nur durch den Schriftzug weithin erkennbar ist, sondern auch durch eine dezente, aber wirkungsvolle räumliche Lösung, die unter Arkaden auf einen verglasten Eingang hinführt. Man musste natürlich heftig entkernen und entsprechende statische Maßnahmen setzen, um so weit zu kommen. Das Kellergeschoß zum Beispiel: Das war vorher nichts und ist jetzt etwas. Nämlich einer der Hauptschauplätze des gewünschten Rettungsmuseums, das ebenfalls zum Raumprogramm gehörte. Übrigens das einzige Rettungsmuseum in Wien, zwar, was die Exponate betrifft, nicht sonderlich spektakulär, aber einen Klassenausflug für Volksschüler wird es schon wert sein. Zitat Markus Geiswinkler: „Auch wenn die Exponate im Grund unbedeutend sind - es ging trotzdem darum, einen würdevolle Rahmen zu schaffen.“

Toll ist der Hauptraum, der jetzt das ganze Gebäude aufschließt. 20 Meter hoch, mit einer Freitreppe, für die sich die Geiswinklers eine spezielle Handlauf-Lösung haben einfallen lassen, lichtdurchflutet (Oberlichten), großzügig, freundlich und offen. Es ist geradezu rührend, wenn man sieht, wie die Leute, die hier arbeiten, mit dieser Architektur umgehen: Sie ziehen die Schuhe aus.

Räumlich dominant: die gläserne „Führungskanzel“, eine Raumbox, von der man praktisch das gesamte Geschehen überblickt. Sie ist mit einer Lamellenjalousie „bekleidet“, die offen, aber auch geschlossen sein kann. Überhaupt muss man den Geiswinklers attestieren, dass sie sich über das konzeptuelle, strukturelle Denken hinaus längst auch als Bekleidungskünstler, als Couturiers der Oberflächen profiliert haben. Ein Beispiel: Kein Steinboden im ganzen Haus, weil zu teuer. Man hat sich mit schieferfarbigen, großformatigen Fliesen beholfen. Aber nicht auf der Treppe. Da liegt wirklich Schiefer. Die Fugenteilungen der Fliesen waren für die Architekten inakzeptabel. Das haben sie auch durchgesetzt. Und es ist gut so.

Wunderbar ist die Beleuchtung im Haus. Die Geiswinklers haben Leuchtbalken genommen, die man in beliebiger Länge bekommt und die fugenlos versenkt werden können. Irgendwie werden hier Boden, Wände und Decken zu regelrechten Häuten. Man fühlt sich angenehm umhüllt - sei es nun durch die alte Bausubstanz, durch die silbrigen Metall- oder auch Plattenverkleidungen der Geiswinklers, sei es durch Glas und Licht - das natürlich ebenfalls die Geiswinklers ins Haus gebracht haben.

Es ist müßig, darüber zu debattieren, wie toll es noch gewesen wäre, wenn man die Dachterrasse umgesetzt hätte, die im Projekt der Geiswinklers vorgesehen war. Der berühmte Rotstift. Jetzt gibt es eben nur einen wundervollen Vorgarten, heftig begrünt, leider nicht ganz so uneinsehbar zu nutzen, wie das auf dem Dach der Fall gewesen wäre. Außerdem könnte man das ja immer noch machen, wenn irgendwann die Gelder wieder üppiger fließen. Veränderungen, Nutzungsverschiebungen, die auf die jetzige räumliche Lösung Auswirkungen haben, haben die Geiswinklers angedacht.

Es ist nicht gesagt, dass irgendjemand in der Rettungsstation - sie haben die Bauleitung selbst gemacht - weiß, wie viel Gutes ihnen da widerfährt. Aber sie werden es noch einsehen. Sie werden begreifen, dass es eben doch ein Vorteil ist, Leute vom Fach zur Hand zu haben. Im Übrigen soll bei der Eröffnung - allen widrigen Vorkommnissen in der Vergangenheit zum Trotz - allgemeines Einvernehmen geherrscht haben.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft

Tragwerksplanung

Fotografie