Bauwerk
Werner Berg Museum
Peter Fleiß - Bleiburg (A) - 2003
Schwimmbad, Wohnhaus, Museum
Ortsbildprägend: Peter Fleiß und seine Bauten in Bleiburg
23. Oktober 2004 - Oliver Elser
In Architektenkreisen kursieren immer wieder Reisetipps weit abseits der üblichen Kulturrouten: Monte Carasso im Tessin, wo Luigi Snozzi versuchte, mit zurückhaltenden Mitteln ein Zentrum zu definieren. Oder das 200-Seelen-Dorf Vrin in Graubünden. Dort entstand zunächst nur eine Telefonzelle in Holzbauweise. Daraus entwickelte der dort geborene Architekt Gion Antoni Caminada eine Strategie, wie der Verfall einer ländlichen Siedlung aufgehalten werden kann, ohne ins Extrem hypertouristischer Ausbeutung zu kippen.
Beide Orte brauchten die Architektur, um wieder zu sich selbst zu finden. In beiden Fällen war es eine einzelne Person, die mit viel Engagement eine labile Situation wieder ins Gleichgewicht brachte. Das ist ein anderes Rezept, als dafür Werbung zu machen, dass auch kleine Gemeinden sich gute Architektur ins Haus holen, indem sie Wettbewerbe veranstalten, in denen dann ein Architekt x aus y gewinnt, der sich nach Fertigstellung wieder dorthin zurückzieht. Dass heißt nun nicht, nur einer „vom Ort“ habe die nötige Sensibilität, vor Ort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber auch in einer vom rituellen Partnertausch bestimmten Branche wie der Architektur sind Bindungen und Enthaltsamkeit manchmal höchst produktiv.
Bleiburg im Kärntner Jauntal ist auf dem besten Wege dorthin, auch ein Ort mit besonderer Prägung zu werden. Dabei erscheint das Städtchen dem Durchreisenden zunächst so banal wie tausende andere auch. Erst wer die Ortstangente verlässt, an der die üblichen Lebensmittelblechkisten sich auffädeln, der gelangt auf den Hauptplatz, der zugleich der einzige Platz ist, den Bleiburg zu bieten hat. Dort sind die notwendigen Zutaten versammelt, die Bleiburg nicht ins Dörfliche abgleiten zu lassen. Kaffee- und Gasthaus haben Tische herausgestellt, es gibt einige, aber im Vergleich zu früheren Zeiten viel zu wenige Fachgeschäfte. In der Trafik gleich um die Ecke sind die wichtigsten Zeitungen aus Deutschland und Österreich auch außerhalb der Sommersaison erhältlich. Ein etwas verwahrlostes Haus am Hauptplatz, leider nicht das einzige, ist der Familiensitz der Kogelniks. Kiki, die früh verstorbene Künstlerin, hat dort gelebt. Den Bleiburgern hinterließ sie den Freyungsbrunnen direkt vor ihrem Geburtshaus und nebenan im Café Stöckl eine Reihe quietschbunter, in New York entstandener Modeamazonenbilder, die den Illustrationen erstaunlich ähnlich sind, mit denen Jahrzehnte später das Magazin Wallpaper für Furore sorgte.
Im Stöckl hängen auch Drucke des Wahlkärntners und Malers Werner Berg, der sich ab 1931 in einem Gehöft in der Nähe niedergelassen hatte. Der gebürtige Rheinländer zählte zu den späten Expressionisten und galt einigen Nazi als entartetet, was einige andere aber nicht davon abhielt, ihn mit der Wehrmacht nach Norwegen zu schicken, Auftrag: Landschaftsmalerei. Werner Berg, dem zur Zeit im Belvedere in Wien zum hundertsten Geburtstag eine Ausstellung gewidmet ist, hat sich selbst noch zu Lebzeiten am Bleiburger Hauptplatz ein bescheidenes Ausstellungshaus eingerichtet. Die Pflege dieses Erbes geht vom Café Stöckl aus. Dort herrscht Gottfried Stöckl in unübersehbarer Leibesfülle über sein Zuckerbäckerreich mit angeschlossener Kulturabteilung. Im Frühjahr konnte er den Bleiburgern sein jüngstes Werk übergeben, die Erweiterung der zuletzt 1995 ausgebauten Werner-Berg-Galerie zu einem kleinen Museumskomplex. Im hofseitigen Anbau sollen künftig Künstler gezeigt werden, die Bergs Werk begleitet und beeinflusst haben: Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner stehen auf der Wunschliste. Gezahlt hat den Bau zu 100 Prozent das Land Kärnten, was einerseits die politischen Kontakte Stöckls illustriert, andererseits aber auch ein Beispiel ist, dass selbst in Kärnten die regionale Kunstförderung nicht nur Stammwählerschichten bedient.
Die zurückhaltende Box mit Sägezahnoberlichtern ist in Bleiburg nicht das erste Werk des Architekten Peter Fleiß. Er hat bereits in den neunziger Jahren das Schwimmbad saniert und erweitert, einen modernen Bau von 1930 mit klassischem Einschlag. Unter den kleineren Projekten ragt ein Wohnhaus hervor, das als Anbau im Hof des Kaffeehauses entstand. Beides sind Holzbauten, deren Qualität alles andere in Bleiburg bei weitem überragt. Peter Fleiß ist zwar kein Bleiburger, doch er kennt den Ort seit Jugendzeiten. Sein Onkel, der Künstler Franz Brandl, hatte sein Atelier in der mittlerweile aufgelassen Brauerei.
Die eingeschossige Ausstellungshalle zwischen der bestehenden Werner-Berg-Galerie und der Stadtmauer aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist hingegen ein massiver Block. Die Außenwände bestehen aus Betonfertigteilen, deren Oberfläche mit Dolomitschotter belegt wurde. Quasi eine Waschbetonplatte mit Lokalkolorit, denn der Stein stammt vom Bleiburger Hausberg, der Petzen. Den Übergang zum Altbau bildet ein niedriger Würfel mit Betondecke und zwei großen Glasflächen zum Hof. Statt aber allein auf die Didaktik der trennenden Glasfuge zu setzen, verschleift Fleiß den Übergang mit einer gewundenen Holzwand. Dieses Detail ist typisch für die Arbeitsweise des 1959 geborenen Architekten. Auch das Freibad, neben dem Hauptplatz der einzige wirklich öffentliche Ort Bleiburgs, lebt von solchen Gesten, die gleichermaßen präzise wie lakonisch sind. Fleiß, der mittlerweile im niederösterreichischen Gablitz lebt, ist viel zu bescheiden, um großen Wirbel um seine Arbeit zu machen. Es ist Zeit, Bleiburg auf die Architekturreiserouten zu setzen.
Beide Orte brauchten die Architektur, um wieder zu sich selbst zu finden. In beiden Fällen war es eine einzelne Person, die mit viel Engagement eine labile Situation wieder ins Gleichgewicht brachte. Das ist ein anderes Rezept, als dafür Werbung zu machen, dass auch kleine Gemeinden sich gute Architektur ins Haus holen, indem sie Wettbewerbe veranstalten, in denen dann ein Architekt x aus y gewinnt, der sich nach Fertigstellung wieder dorthin zurückzieht. Dass heißt nun nicht, nur einer „vom Ort“ habe die nötige Sensibilität, vor Ort die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber auch in einer vom rituellen Partnertausch bestimmten Branche wie der Architektur sind Bindungen und Enthaltsamkeit manchmal höchst produktiv.
Bleiburg im Kärntner Jauntal ist auf dem besten Wege dorthin, auch ein Ort mit besonderer Prägung zu werden. Dabei erscheint das Städtchen dem Durchreisenden zunächst so banal wie tausende andere auch. Erst wer die Ortstangente verlässt, an der die üblichen Lebensmittelblechkisten sich auffädeln, der gelangt auf den Hauptplatz, der zugleich der einzige Platz ist, den Bleiburg zu bieten hat. Dort sind die notwendigen Zutaten versammelt, die Bleiburg nicht ins Dörfliche abgleiten zu lassen. Kaffee- und Gasthaus haben Tische herausgestellt, es gibt einige, aber im Vergleich zu früheren Zeiten viel zu wenige Fachgeschäfte. In der Trafik gleich um die Ecke sind die wichtigsten Zeitungen aus Deutschland und Österreich auch außerhalb der Sommersaison erhältlich. Ein etwas verwahrlostes Haus am Hauptplatz, leider nicht das einzige, ist der Familiensitz der Kogelniks. Kiki, die früh verstorbene Künstlerin, hat dort gelebt. Den Bleiburgern hinterließ sie den Freyungsbrunnen direkt vor ihrem Geburtshaus und nebenan im Café Stöckl eine Reihe quietschbunter, in New York entstandener Modeamazonenbilder, die den Illustrationen erstaunlich ähnlich sind, mit denen Jahrzehnte später das Magazin Wallpaper für Furore sorgte.
Im Stöckl hängen auch Drucke des Wahlkärntners und Malers Werner Berg, der sich ab 1931 in einem Gehöft in der Nähe niedergelassen hatte. Der gebürtige Rheinländer zählte zu den späten Expressionisten und galt einigen Nazi als entartetet, was einige andere aber nicht davon abhielt, ihn mit der Wehrmacht nach Norwegen zu schicken, Auftrag: Landschaftsmalerei. Werner Berg, dem zur Zeit im Belvedere in Wien zum hundertsten Geburtstag eine Ausstellung gewidmet ist, hat sich selbst noch zu Lebzeiten am Bleiburger Hauptplatz ein bescheidenes Ausstellungshaus eingerichtet. Die Pflege dieses Erbes geht vom Café Stöckl aus. Dort herrscht Gottfried Stöckl in unübersehbarer Leibesfülle über sein Zuckerbäckerreich mit angeschlossener Kulturabteilung. Im Frühjahr konnte er den Bleiburgern sein jüngstes Werk übergeben, die Erweiterung der zuletzt 1995 ausgebauten Werner-Berg-Galerie zu einem kleinen Museumskomplex. Im hofseitigen Anbau sollen künftig Künstler gezeigt werden, die Bergs Werk begleitet und beeinflusst haben: Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner stehen auf der Wunschliste. Gezahlt hat den Bau zu 100 Prozent das Land Kärnten, was einerseits die politischen Kontakte Stöckls illustriert, andererseits aber auch ein Beispiel ist, dass selbst in Kärnten die regionale Kunstförderung nicht nur Stammwählerschichten bedient.
Die zurückhaltende Box mit Sägezahnoberlichtern ist in Bleiburg nicht das erste Werk des Architekten Peter Fleiß. Er hat bereits in den neunziger Jahren das Schwimmbad saniert und erweitert, einen modernen Bau von 1930 mit klassischem Einschlag. Unter den kleineren Projekten ragt ein Wohnhaus hervor, das als Anbau im Hof des Kaffeehauses entstand. Beides sind Holzbauten, deren Qualität alles andere in Bleiburg bei weitem überragt. Peter Fleiß ist zwar kein Bleiburger, doch er kennt den Ort seit Jugendzeiten. Sein Onkel, der Künstler Franz Brandl, hatte sein Atelier in der mittlerweile aufgelassen Brauerei.
Die eingeschossige Ausstellungshalle zwischen der bestehenden Werner-Berg-Galerie und der Stadtmauer aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist hingegen ein massiver Block. Die Außenwände bestehen aus Betonfertigteilen, deren Oberfläche mit Dolomitschotter belegt wurde. Quasi eine Waschbetonplatte mit Lokalkolorit, denn der Stein stammt vom Bleiburger Hausberg, der Petzen. Den Übergang zum Altbau bildet ein niedriger Würfel mit Betondecke und zwei großen Glasflächen zum Hof. Statt aber allein auf die Didaktik der trennenden Glasfuge zu setzen, verschleift Fleiß den Übergang mit einer gewundenen Holzwand. Dieses Detail ist typisch für die Arbeitsweise des 1959 geborenen Architekten. Auch das Freibad, neben dem Hauptplatz der einzige wirklich öffentliche Ort Bleiburgs, lebt von solchen Gesten, die gleichermaßen präzise wie lakonisch sind. Fleiß, der mittlerweile im niederösterreichischen Gablitz lebt, ist viel zu bescheiden, um großen Wirbel um seine Arbeit zu machen. Es ist Zeit, Bleiburg auf die Architekturreiserouten zu setzen.
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