Bauwerk

Parco della Memoria, Mailand
Paolo Bürgi - Mailand (I) - 2004

Vor den Toren Mailands ist diese Lebenslandschaft nicht als Friedhof im ursprünglichen Sinne gedacht, sondern als Park, der als Ort des Erinnerns auch geistige Erholung bietet.

10. März 2007 - Paolo Bürgi
Ein Park als Ort des Erinnerns, um sich selbst wieder zu finden und am Seeufer auszuruhen. Ein Park mit Waldwegen und Blick auf das Bergmassiv des Monte Rosa in der Ferne. Ein Park für einen Moment der Einsamkeit und Reflexion oder für einen einfachen Spaziergang auf den zahlreichen Wegen und Pfaden, die sich durch das Grün winden.

Die Entdeckung des Parks
Jenseits des Haupteingangs mit seinem Tor als von der Strasse aus sichtbarem architektonischen Zeichen befinden sich auf beiden Seiten Parkplätze. Von diesem zentralen Punkt gehen zwei Wege aus: der den Park umfassende ringförmige Fahrweg, auf dem alle Bereiche der Anlage schnell und bequem zu erreichen sind und der es erlaubt, in unmittelbarer Nähe des Besuchsziels zu parken, sowie der Fussweg, Rückgrat und Leitmotiv für das landschaftliche Erleben des Parks, konzipiert als eine Sequenz von Themen.

Das Haupttor hinter sich lassend, geht man einer breiten, sanft ansteigenden Rampe entgegen, eine perspektivische Täuschung lässt sie tiefer erscheinen. Ein von hohen Bäumen flankierter Kiesweg führt weiter auf einen Aussichtspunkt zu. Von dieser Terrasse aus überschaut und geniesst man den Park als Ganzes: Zwischen den Hügeln liegt der See, Baumreihen und Baumhaine säumen sie, während in der Ferne über den Baumkronen das Massiv des Monte Rosa das Bild vollendet und der Park mit dem Horizont verschmilzt. Der Platz bietet die Möglichkeit zum Ausruhen, er ist Ort der Begegnung, ist Ausgangspunkt der Wege des Parks, ist aber auch Ort der Meditation.
Im Dialog miteinander stehend, liegt auf jeder Seite der Rampe jeweils ein besonderer Raum. Der erste ist ein Volumen, geschaffen durch die Gegenwart einer Kapelle, der zweite hingegen ist die Leere, ein Raum inmitten des Waldes, ein mysteriöser, dem Unbekannten gewidmeter Ort.

Die Kapelle
Am Rande einer Ebene von beträchtlichen Ausmassen, von einer waldähnlichen Vegetation umgeben, hat die Kappelle eine privilegierte Lage im Gesamtkontext. Dieses Fenster im Wald verleiht der Kappelle die nötige Entrücktheit, um sie zu einem Ort der Spiritualität zu machen.

L’Ignoto – das Unbekannte
Ein zweites Fenster im Wald, eine Wiesenlichtung, bildet das Peristyl eines geheimnisvollen Ortes. Mysteriös umschliesst dieser Ort einen starken Gedanken, die Idee des Verzichts auf das Erinnern in jeglicher Form, Erinnern ausschliesslich in Gedanken.

Der Park, die Topografie
Im Zentrum des Parks, wo man den Boden bis zum Grundwasser ausgehoben hat, befindet sich eine spiegelnde Wasserfläche, ein sich selbst überlassenes, sich frei entwickelndes Biotop, anspruchslos im Unterhalt. Dieser See liegt mindestens sieben Meter unterhalb des jetzigen Terrains. Der Höhenunterschied wird durch die aus dem Aushub aufgeschütteten Hügel ringsum noch verstärkt. Man wird also den Park auf dem jetzigen Niveau betreten, nach oben steigen, auf dieser Höhe den Blick über die Kuppeln der Hügel schweifen lassen, um dann hinunterzugehen in die kraterförmige, nur leicht betonte Talsenke, an den von Hügeln, Baumreihen, Wegen und Wäldern umgebenen See.

Die Grabfelder
Die Grabfelder liegen parallel zu den Höhenlinien der Topographie. Durch hohe Gräser entlang der Grabplatten werden diese vom Betrachter als grüne Felder wahrgenommen. Baumreihen ermöglichen Zurückgezogenheit für die Andacht und Ungestörtheit durch die den Park durchwandernden Besucher. Eine Gelegenheit, um Individualität vor Menschenmengen zu schützen.

Der «Percorso d’Arte»
In einem Waldstreifen, der sich über einen Kilometer durch die Felder mit den Gräbern zieht, stehen Kunstwerke, Skulpturen.

Vom ersten Grün zum gewachsenen Park
Während in einer ersten Phase vor allem schnell wachsende Pflanzen wie Pappeln, Eschen und Birken bevorzugt werden, dominieren in einer zweiten Phase eher hochwertige, langsam wachsende und langlebige Bäume: Eichen, Linden, Ulmen und Kastanien.
Zwischen den Grabfeldern, gleichsam um sie zu differenzieren, werden verstreut Obstbäume wachsen: Äpfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen. Ihre verschiedenartige Blüte schafft ein immer anderes Ambiente, verleiht den einzelnen Grabfeldern ihre Individualität.

Das etappenweise Entstehen des Parks
Nach Erstellung der Eingangsbereiche mit ihrer Infrastruktur entwickelt sich der Park aus seinem Zentrum heraus in Richtung der Randbereiche. Auf diese Weise wird schon zu Beginn ein starker Anziehungspunkt geschaffen, der auch eine flexible Planung der Erweiterung ermöglicht.

Intention und Fazit
Der Mensch schafft eine Landschaft, er vereint sie mit dem Horizont und lässt sich in ihr nieder, um dort zu leben. Ein Ort, an dem man sich auch ausruht, lebt und meditiert, wo man sich trifft und wohin man wiederkommen möchte. Eine aus dem Bestehenden heraus neu geschaffene Landschaft mit starken Linien, klar und deutlich, die bei der Suche nach dem Wesentlichen das Überflüssige hinter sich lässt. Ein Ort, so stark, dass man ihn fühlt.

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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