Bauwerk
Schlosserhalle mit Bar
pool Architektur - Trumau (A) - 2000
Wozu an der Schachtel rütteln?
Roh, ruppig, rauh: so steht sie am Ortsrand von Trumau, Niederösterreich, die Schatulle von „Pool“. Und bringt optische Erscheinung und Nutzung perfekt zur Deckung: Sie beherbergt eine Schlosserei.
10. März 2001 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eine Schachtel. Eine eiserne Schatulle auf der Wiese. Natürlich zerschnitten, aufgeschnitten und verglast: Denn drinnen spielt sich ja etwas ab, drinnen arbeiten Menschen, da ist nicht nur toter Lagerraum. Trotzdem: im Prinzip nicht mehr als äußere Hülle und drinnen Raum.
Es geht um das Haus für eine kleine Schlosserei im niederösterreichischen Trumau. Gelegen ist sie an einer Ausfahrt, im peripheren Bereich des Orts, wo sich die Betriebe ansiedeln. Und sie ist sozusagen das „freigestellte“ Schlußlicht, die letzte dieser Architekturen, sogar die Nachbarparzelle ist noch frei.
Wie geht man im architektonisch bekanntlich so unsäglichen Ambiente mit dieser Aufgabe um? Wo (architektonisch, substantiell) nichts ist, da gibt es auch keine Bezugspunkte. Keine Rücksichtnahmen. Da muß man sich von vornherein selbst genügen. Das war die eine entwerferische Voraussetzung. Die Logik dieser Argumentation greift allerdings nicht wirklich. Denn - ich getraue mich das zu behaupten - auch in einer anderen Situation hätten die Architekten von „Pool“ wohl nicht grundsätzlich anders reagiert.
Tatsache ist: Da steht jetzt eine eiserne Schachtel, innen mit Heraklit verkleidet, alles roh. Die Verglasung sitzt bündig in der Fassade. Vorne streckt sich eine eiserne Zunge aus dem Gebäude heraus. Eine schräge Ebene, die die Architekten kühn als „Garten“ bezeichnen. Als eine Heurigen-Situation, wo die temporär aufgestellten Tische dann eben schräg stehen - was ja bei „richtigen“ Heurigen tatsächlich oft der Fall ist. Nachtrag: Der Schlosser, der hier seinen Betrieb errichtet hat, betreibt nebenbei und im selben Haus auch eine kleine Bar. Einen Treff für die Trumauer. Als kombinierte Nutzung ist das schon kurios genug.
Überhaupt ist dieses Gebäude ein Kuriosum. Nicht nur wegen dieser Verschränkung aus Schlosserei und Gastwirtschaft (die Bezeichnung Bar ist vergleichsweise hoch gegriffen, wo es doch nur um den Ausschank eher bodenständiger Getränke geht). Es ist vor allem architektonisch ein Kuriosum.
Zur Konstruktion ist nichts Besonderes zu vermelden. Es ist eine freispannende Stahlrahmenkonstruktion, der die drei Millimeter dicken, unbehandelten Stahlplatten an der Fassade vorgehängt sind. Drinnen sind die Niveaus räumlich ein wenig verschnitten. Da ist ein Kleinteillager unter einer Schräge verborgen, da geht es in geradezu sehenswerte Waschräume, es gibt einen bescheidenen Verwaltungsbereich, und da geht es auch weiter in die Schlosserei-Halle, die eigentliche Produktionsstätte. Wobei das alles räumlich fließt. Sehr angenehm.
Ein solches Schächtelchen an der grauslichen Peripherie egal welchen Ortes fällt immer wohltuend auf. Das muß man schon bilanzieren. Andererseits: Nicht nur die Formensprache, auch das gesamte räumliche Konzept hat viel mit dem - nennen wir es - computergenerierten Entwerfen zu tun. Das ist wirklich Architektur aus dem Computer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Handskizze von diesem Ding existiert.
Und es ist ein „Ding“. Ein Ding, das, wenn es nicht gebaut wäre, man sich auch gut als Image vorstellen könnte, bei dem die Außenfassade, auch der Innenraum nur irgendwie flächig eingefärbt ist, eine perfekte, dynamische (genug schräge Flächen gibt es ja) und - um ein Wort zu erfinden - eye-catcherische Animation. Die gebaute Wirklichkeit kann hinter einer solchen (auf dem Computer) animierten, imaginierten Wirklichkeit zweifellos nur zurückbleiben.
Damit keine Unklarheiten auftreten: Ich halte diese Schlosserei für ein sehr geglücktes Objekt. Es ist eine kleine, rohe Schatulle, raffiniert durchgeplant, zum Nutzen für alle, die damit und darin unmittelbar zu tun haben. Nichts ist versteckt, nichts ist bloß optisch verkleidet, nichts ist kosmetisch geschönt. Es geht roh, ruppig, rauh zu. Eigentlich ganz so, wie es sich für eine Schlosserei gehört. In dieser Ruppigkeit liegt die Schönheit des Objekts. Optische Erscheinung und inhaltliche Nutzung sind gewissermaßen zur Deckung gebracht. Es handelt sich um den Idealfall.
Daß der Besitzer ein geselliger Mensch ist und diese Geselligkeit gewissermaßen „professionalisiert“, indem er gastronomische Aktivitäten setzt, das ist eine andere Sache. Sie hat allerdings zweifellos damit zu tun, daß er sich „Pool“ als Architekten ausgewählt hat.
„Pool“: Man muß sich im Zusammenhang mit dieser Architektur Fragen stellen. Es ist eine Architektur ohne Details. Richtiger: ohne herkömmliche, ablesbare, aufgesetzte Details. Es ist eine Architektur, die aus Haut und Raum besteht, das Detail, die Detailarbeit liegt zunächst einmal in der Durchformulierung der verschiedenen Nutzungsschichten. Dabei gibt es keine Brüche, und wenn doch, dann sind sie inszeniert. Und es liegt natürlich in der wirklichen Detailarbeit, darin, wie Anschlüsse verschiedener Materialien, und seien sie noch so roh, funktionieren. Also: Die Architektur ohne Details kommt nicht ohne Details aus. Der einzige Unterschied ist, daß sie das Detail anders definiert.
Architektur aus dem Computer: Früher hat man den Sprung zwischen zwei Niveaus auf kurzem Weg bewältigt - mit ein paar Stufen. Es war eine ökonomische Weise, mit diesem Problem umzugehen. Ist die Rampenlösung, der ungebrochene Verbindungsfluß wirklich besser? Pragmatisch gesehen, ist er es nicht. Wenn wir die Behindertenlösung ausklammern - sie steht sicher nicht im Vordergrund der Überlegungen von „Pool“ -, dann ist die Rampe nur ein Bild angedachter, zeitgenössischer Dynamik.
Was sonst könnte die Rampe, die Schräge in der heutigen Architektur sein? Es ist ein bißchen lächerlich. Und dann ist es auch wieder todernst.
Die „schweizerische“ - das heißt: die minimalistische - Außenhautlösung in der Architektur ist ein Fortschritt. Weg vom Zierat, hin zu einem Purismus, der irgendwo Hand in Hand geht mit dem heutigen Preis-Leistungs-Denken. Wieso sollte die Architektur anders agieren? Klar, daß sie es nicht tut.
Aber irgendwo schmerzt etwas. Zwischen der Logik des materialgerechten Designs und der Logik des zeitgemäßen Ausdrucks - beide womöglich deckungsgleich - klafft etwas auf. Unbefriedigend. Unbefriedigt. Weil längerfristig betrachtet unter diesen Vorzeichen vielleicht auch eine Verarmung aufbricht, die niemand will, nicht einmal diejenigen, die jetzt solche Schachteln, solche Schrägen entwerfen.
Es wird ein zweiter Gedankenprozeß sein. Der kommt erst. Vorläufig halten wir fest: Die minimalistische Schachtel, und sei es die von „Pool“, die hat schon ihre eigene Qualität. Noch muß man nicht daran rütteln.
Es geht um das Haus für eine kleine Schlosserei im niederösterreichischen Trumau. Gelegen ist sie an einer Ausfahrt, im peripheren Bereich des Orts, wo sich die Betriebe ansiedeln. Und sie ist sozusagen das „freigestellte“ Schlußlicht, die letzte dieser Architekturen, sogar die Nachbarparzelle ist noch frei.
Wie geht man im architektonisch bekanntlich so unsäglichen Ambiente mit dieser Aufgabe um? Wo (architektonisch, substantiell) nichts ist, da gibt es auch keine Bezugspunkte. Keine Rücksichtnahmen. Da muß man sich von vornherein selbst genügen. Das war die eine entwerferische Voraussetzung. Die Logik dieser Argumentation greift allerdings nicht wirklich. Denn - ich getraue mich das zu behaupten - auch in einer anderen Situation hätten die Architekten von „Pool“ wohl nicht grundsätzlich anders reagiert.
Tatsache ist: Da steht jetzt eine eiserne Schachtel, innen mit Heraklit verkleidet, alles roh. Die Verglasung sitzt bündig in der Fassade. Vorne streckt sich eine eiserne Zunge aus dem Gebäude heraus. Eine schräge Ebene, die die Architekten kühn als „Garten“ bezeichnen. Als eine Heurigen-Situation, wo die temporär aufgestellten Tische dann eben schräg stehen - was ja bei „richtigen“ Heurigen tatsächlich oft der Fall ist. Nachtrag: Der Schlosser, der hier seinen Betrieb errichtet hat, betreibt nebenbei und im selben Haus auch eine kleine Bar. Einen Treff für die Trumauer. Als kombinierte Nutzung ist das schon kurios genug.
Überhaupt ist dieses Gebäude ein Kuriosum. Nicht nur wegen dieser Verschränkung aus Schlosserei und Gastwirtschaft (die Bezeichnung Bar ist vergleichsweise hoch gegriffen, wo es doch nur um den Ausschank eher bodenständiger Getränke geht). Es ist vor allem architektonisch ein Kuriosum.
Zur Konstruktion ist nichts Besonderes zu vermelden. Es ist eine freispannende Stahlrahmenkonstruktion, der die drei Millimeter dicken, unbehandelten Stahlplatten an der Fassade vorgehängt sind. Drinnen sind die Niveaus räumlich ein wenig verschnitten. Da ist ein Kleinteillager unter einer Schräge verborgen, da geht es in geradezu sehenswerte Waschräume, es gibt einen bescheidenen Verwaltungsbereich, und da geht es auch weiter in die Schlosserei-Halle, die eigentliche Produktionsstätte. Wobei das alles räumlich fließt. Sehr angenehm.
Ein solches Schächtelchen an der grauslichen Peripherie egal welchen Ortes fällt immer wohltuend auf. Das muß man schon bilanzieren. Andererseits: Nicht nur die Formensprache, auch das gesamte räumliche Konzept hat viel mit dem - nennen wir es - computergenerierten Entwerfen zu tun. Das ist wirklich Architektur aus dem Computer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Handskizze von diesem Ding existiert.
Und es ist ein „Ding“. Ein Ding, das, wenn es nicht gebaut wäre, man sich auch gut als Image vorstellen könnte, bei dem die Außenfassade, auch der Innenraum nur irgendwie flächig eingefärbt ist, eine perfekte, dynamische (genug schräge Flächen gibt es ja) und - um ein Wort zu erfinden - eye-catcherische Animation. Die gebaute Wirklichkeit kann hinter einer solchen (auf dem Computer) animierten, imaginierten Wirklichkeit zweifellos nur zurückbleiben.
Damit keine Unklarheiten auftreten: Ich halte diese Schlosserei für ein sehr geglücktes Objekt. Es ist eine kleine, rohe Schatulle, raffiniert durchgeplant, zum Nutzen für alle, die damit und darin unmittelbar zu tun haben. Nichts ist versteckt, nichts ist bloß optisch verkleidet, nichts ist kosmetisch geschönt. Es geht roh, ruppig, rauh zu. Eigentlich ganz so, wie es sich für eine Schlosserei gehört. In dieser Ruppigkeit liegt die Schönheit des Objekts. Optische Erscheinung und inhaltliche Nutzung sind gewissermaßen zur Deckung gebracht. Es handelt sich um den Idealfall.
Daß der Besitzer ein geselliger Mensch ist und diese Geselligkeit gewissermaßen „professionalisiert“, indem er gastronomische Aktivitäten setzt, das ist eine andere Sache. Sie hat allerdings zweifellos damit zu tun, daß er sich „Pool“ als Architekten ausgewählt hat.
„Pool“: Man muß sich im Zusammenhang mit dieser Architektur Fragen stellen. Es ist eine Architektur ohne Details. Richtiger: ohne herkömmliche, ablesbare, aufgesetzte Details. Es ist eine Architektur, die aus Haut und Raum besteht, das Detail, die Detailarbeit liegt zunächst einmal in der Durchformulierung der verschiedenen Nutzungsschichten. Dabei gibt es keine Brüche, und wenn doch, dann sind sie inszeniert. Und es liegt natürlich in der wirklichen Detailarbeit, darin, wie Anschlüsse verschiedener Materialien, und seien sie noch so roh, funktionieren. Also: Die Architektur ohne Details kommt nicht ohne Details aus. Der einzige Unterschied ist, daß sie das Detail anders definiert.
Architektur aus dem Computer: Früher hat man den Sprung zwischen zwei Niveaus auf kurzem Weg bewältigt - mit ein paar Stufen. Es war eine ökonomische Weise, mit diesem Problem umzugehen. Ist die Rampenlösung, der ungebrochene Verbindungsfluß wirklich besser? Pragmatisch gesehen, ist er es nicht. Wenn wir die Behindertenlösung ausklammern - sie steht sicher nicht im Vordergrund der Überlegungen von „Pool“ -, dann ist die Rampe nur ein Bild angedachter, zeitgenössischer Dynamik.
Was sonst könnte die Rampe, die Schräge in der heutigen Architektur sein? Es ist ein bißchen lächerlich. Und dann ist es auch wieder todernst.
Die „schweizerische“ - das heißt: die minimalistische - Außenhautlösung in der Architektur ist ein Fortschritt. Weg vom Zierat, hin zu einem Purismus, der irgendwo Hand in Hand geht mit dem heutigen Preis-Leistungs-Denken. Wieso sollte die Architektur anders agieren? Klar, daß sie es nicht tut.
Aber irgendwo schmerzt etwas. Zwischen der Logik des materialgerechten Designs und der Logik des zeitgemäßen Ausdrucks - beide womöglich deckungsgleich - klafft etwas auf. Unbefriedigend. Unbefriedigt. Weil längerfristig betrachtet unter diesen Vorzeichen vielleicht auch eine Verarmung aufbricht, die niemand will, nicht einmal diejenigen, die jetzt solche Schachteln, solche Schrägen entwerfen.
Es wird ein zweiter Gedankenprozeß sein. Der kommt erst. Vorläufig halten wir fest: Die minimalistische Schachtel, und sei es die von „Pool“, die hat schon ihre eigene Qualität. Noch muß man nicht daran rütteln.
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