Bauwerk
Bruder-Klaus-Kapelle
Peter Zumthor - Wachendorf (D) - 2007
Trutzburg und Höhle
Peter Zumthors Bruder-Klaus-Kapelle setzt ein Zeichen in der Eifel
25. Mai 2007 - Klaus Englert
Als sich Peter Zumthor vor neun Jahren von dem Bauernpaar Hermann-Josef und Trudel Scheidtweiler dazu begeistern liess, dem heiligen Niklaus von Flüe ein Sanktuarium im entlegenen Mechernich-Wachendorf in der Eifel zu errichten, dachte er an eine Feldkapelle für einsame Wanderer, die in ihr Andacht und Ruhe finden sollten. Doch von Ruhe ist derzeit rund um das Gotteshaus wenig zu spüren. Denn schon vor Abschluss der Bauarbeiten umschwirrten zahllose Reporter die Baustelle und die Auftraggeber. Man dachte sogar daran, vor der kleinen Bruder-Klaus-Kapelle inmitten eines Kornfelds einen Parkplatz für jene Touristenscharen zu errichten, die anlässlich der Eröffnung von Zumthors Kölner Diözesanmuseum im kommenden September einen Abstecher ins nahe gelegene Wachendorf einlegen werden. Doch zum Glück konnte der Schweizer Architekt den Parkplatz verhindern.
Tradition
Kurz vor der Einweihung der Feldkapelle am letzten Wochenende waren Zumthors Mitarbeiter Rainer Weitschies, die Scheidtweilers und freiwillige Helfer noch damit beschäftigt, dem Bauwerk vor dem Dank- und Festgottesdienst den letzten Schliff zu geben. Hin und wieder kamen Schaulustige aus dem Ort, auch Bauern, die in den letzten Jahren eifrig halfen, die 23 Betonschichten des zwölf Meter hohen Turms aufzutragen. Ein Freund des Auftraggeberpaars, das bereits im Rentneralter ist, erzählte, dass er dabei mitgewirkt habe, den Zement mit Sand und grobem Kiesel aus der Voreifel zu stampfen. Peter Zumthor habe zu dieser Methode geraten, weil sie einer uralten regionalen Bautradition entspreche und selbst von Laien angewandt werden könne. Auf die Frage nach dem Heiligen meinte der tatkräftige Helfer, jeder Rheinländer stutze wohl, wenn er den ihm unbekannten Namen auf der provisorischen Tafel vor der Kapelle lese: «Diese Feldkapelle ist dem Heiligen Niklaus von Flüe geweiht. Er war Bauer und Einsiedler, Ratsherr und Richter, Gottsucher und Friedensstifter.» Daraufhin berichtet der Wachendorfer Bauer, er und Hermann-Josef Scheidtweiler gehörten bereits seit vierzig Jahren dem katholischen Landvolk an, das Bruder Klaus verehre. Deswegen seien sie auch immer wieder nach Flüeli-Ranft bei Sachseln gepilgert.
Hätten die Scheidtweilers einen anderen Heiligen ausgesucht, wäre Zumthors Kapelle in der Eifel wohl kaum Realität geworden. Aber für Bruder Klaus wollte Zumthor die Kapelle sogar honorarfrei errichten, «weil der Innerschweizer Eremit ein Lieblingsheiliger meiner Mutter war». Als Gegenleistung erwartete Zumthor als eigensinniger Perfektionist von Beginn an, den zeitlichen Ablauf und sogar das kleinste Detail selbst bestimmen zu dürfen.
Archaik
Entstanden ist schliesslich ein minimalistischer, blockhafter Turmbau über fünfeckigem Grundriss. Der scharfkantige Monolith mag zunächst an eine Trutzburg denken lassen, doch der Innenraum weckt gänzlich andere Assoziationen. Zumthor versuchte wohl, die Einsiedelei des Eremiten aus dem 15. Jahrhundert mit architektonischen Mitteln in die heutige Zeit zu versetzen. Wer die dreieckige Chromstahltür der fensterlosen Kapelle durchschreitet, betritt einen dunklen, höhlenartigen Raum, der ein gewisses Unbehagen auszulösen vermag. Denn er weckt nicht nur Assoziationen an einen Uterus, sondern auch an die Visionen Sterbender, die am Ende eines Tunnels einen Lichtschein wahrnehmen sollen. Tatsächlich verjüngt sich der Andachtsraum zeltähnlich nach oben und lässt an der Spitze eine schmale Öffnung zum Himmel frei, durch die der Regen ungehindert einfallen kann. Zumthor erreichte die monolithische Wirkung der Fassade und den Höhlencharakter im Innern durch zwei grundverschiedene Schalungsmethoden. Für die äussere Konstruktion wurde der Stampfbeton konventionell in horizontalen Schichten geschalt. Der Innenraum hingegen ist das Resultat einer nahezu vertikalen Schalung aus 120 Fichtenstämmen.
Da die nach dem Trocknen völlig mit dem Beton verbundenen Baumstämme nicht ohne weiteres wieder entfernt werden konnten, entschied sich Zumthor für ein Köhlerfeuer, das bei verschlossener Tür 14 Tage lang schwelte. Nach der Reinigung des Sakralraums blieben nur die Negativrundungen der Stämme und die dunkel glänzende Oberfläche des Betons. Schliesslich wurden in die entstandenen kleinen Öffnungen Hunderte von Glassteinen eingesetzt, welche die von oben hereinfallenden Lichtstrahlen brechen.
Im ersten Augenblick fesselt die archaische Wucht dieses Innenraums, der einen gleichzeitig schaudert und begeistert. Dann denkt man vielleicht an die Höhle von Bruder Klaus, die so ähnlich ausgesehen haben mag - ein schmaler Eingang, vom Feuer verrusste Wände, der freie Blick zum Himmel und mitten im Andachtsraum eine schlichte Holzbank.
Tradition
Kurz vor der Einweihung der Feldkapelle am letzten Wochenende waren Zumthors Mitarbeiter Rainer Weitschies, die Scheidtweilers und freiwillige Helfer noch damit beschäftigt, dem Bauwerk vor dem Dank- und Festgottesdienst den letzten Schliff zu geben. Hin und wieder kamen Schaulustige aus dem Ort, auch Bauern, die in den letzten Jahren eifrig halfen, die 23 Betonschichten des zwölf Meter hohen Turms aufzutragen. Ein Freund des Auftraggeberpaars, das bereits im Rentneralter ist, erzählte, dass er dabei mitgewirkt habe, den Zement mit Sand und grobem Kiesel aus der Voreifel zu stampfen. Peter Zumthor habe zu dieser Methode geraten, weil sie einer uralten regionalen Bautradition entspreche und selbst von Laien angewandt werden könne. Auf die Frage nach dem Heiligen meinte der tatkräftige Helfer, jeder Rheinländer stutze wohl, wenn er den ihm unbekannten Namen auf der provisorischen Tafel vor der Kapelle lese: «Diese Feldkapelle ist dem Heiligen Niklaus von Flüe geweiht. Er war Bauer und Einsiedler, Ratsherr und Richter, Gottsucher und Friedensstifter.» Daraufhin berichtet der Wachendorfer Bauer, er und Hermann-Josef Scheidtweiler gehörten bereits seit vierzig Jahren dem katholischen Landvolk an, das Bruder Klaus verehre. Deswegen seien sie auch immer wieder nach Flüeli-Ranft bei Sachseln gepilgert.
Hätten die Scheidtweilers einen anderen Heiligen ausgesucht, wäre Zumthors Kapelle in der Eifel wohl kaum Realität geworden. Aber für Bruder Klaus wollte Zumthor die Kapelle sogar honorarfrei errichten, «weil der Innerschweizer Eremit ein Lieblingsheiliger meiner Mutter war». Als Gegenleistung erwartete Zumthor als eigensinniger Perfektionist von Beginn an, den zeitlichen Ablauf und sogar das kleinste Detail selbst bestimmen zu dürfen.
Archaik
Entstanden ist schliesslich ein minimalistischer, blockhafter Turmbau über fünfeckigem Grundriss. Der scharfkantige Monolith mag zunächst an eine Trutzburg denken lassen, doch der Innenraum weckt gänzlich andere Assoziationen. Zumthor versuchte wohl, die Einsiedelei des Eremiten aus dem 15. Jahrhundert mit architektonischen Mitteln in die heutige Zeit zu versetzen. Wer die dreieckige Chromstahltür der fensterlosen Kapelle durchschreitet, betritt einen dunklen, höhlenartigen Raum, der ein gewisses Unbehagen auszulösen vermag. Denn er weckt nicht nur Assoziationen an einen Uterus, sondern auch an die Visionen Sterbender, die am Ende eines Tunnels einen Lichtschein wahrnehmen sollen. Tatsächlich verjüngt sich der Andachtsraum zeltähnlich nach oben und lässt an der Spitze eine schmale Öffnung zum Himmel frei, durch die der Regen ungehindert einfallen kann. Zumthor erreichte die monolithische Wirkung der Fassade und den Höhlencharakter im Innern durch zwei grundverschiedene Schalungsmethoden. Für die äussere Konstruktion wurde der Stampfbeton konventionell in horizontalen Schichten geschalt. Der Innenraum hingegen ist das Resultat einer nahezu vertikalen Schalung aus 120 Fichtenstämmen.
Da die nach dem Trocknen völlig mit dem Beton verbundenen Baumstämme nicht ohne weiteres wieder entfernt werden konnten, entschied sich Zumthor für ein Köhlerfeuer, das bei verschlossener Tür 14 Tage lang schwelte. Nach der Reinigung des Sakralraums blieben nur die Negativrundungen der Stämme und die dunkel glänzende Oberfläche des Betons. Schliesslich wurden in die entstandenen kleinen Öffnungen Hunderte von Glassteinen eingesetzt, welche die von oben hereinfallenden Lichtstrahlen brechen.
Im ersten Augenblick fesselt die archaische Wucht dieses Innenraums, der einen gleichzeitig schaudert und begeistert. Dann denkt man vielleicht an die Höhle von Bruder Klaus, die so ähnlich ausgesehen haben mag - ein schmaler Eingang, vom Feuer verrusste Wände, der freie Blick zum Himmel und mitten im Andachtsraum eine schlichte Holzbank.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Hermann-Josef Scheidtweiler
Trudel Scheidtweiler
Tragwerksplanung