Bauwerk
Frischeparadies »De Pastre«
ROBERTNEUN™ - Essen (D) - 2004
Raffiniertes Understatement
Zwischen Club und Einkaufsmarkt: Anlässlich des Auftrags zur Umgestaltung eines Delikatessmarktes im Jahr 2000 gegründet, überzeugt das Berliner Drei-Mann-Büro Robertneun durch minimalistische aber effektvolle Lösungen bei Um- und Ausbauprojekten.
30. Juni 2007 - Franziska Eidner
Auf dem Dach des »Haus des Reisens« am Berliner Alexanderplatz ist der Umbau bereits abgeschlossen, während er auf dem Platz selbst noch im Gange ist. Thomas Baecker, Nils Buschmann und Tom Friedrich, Inhaber des Büros Robertneun, lehnen sich auf der Dachterrasse entspannt zurück und genießen den Ausblick, 15 Stockwerke tief. Die von ihnen gestaltete Terrasse und die darunter gelegene minimalistische Tanz-Blackbox des »15th Floor« sind Ableger des Clubs »Week-End«, drei Stockwerke tiefer. Das Week-End zählt seit seiner Eröffnung vor zweieinhalb Jahren zu den angesagtesten Orten nicht nur im Berliner Nachtleben, sondern auch in der lokalen Baukulturszene. Vor Kurzem wurden die Architekten von Robertneun dafür mit dem Architekturpreis Berlin ausgezeichnet. Als »überlegt« und »zielsicher« lobte die Jury die minimalistische Clubarchitektur. Und tatsächlich fällt beim Betreten des 400 Quadratmeter großen Clubs vor allem die Klarheit des Raumes auf. Hier drängt sich Design nicht in den Vordergrund, wohl wissend, dass neben dem nächtlichen Berliner Stadtpanorama sowieso kaum ein noch so raffiniertes Gestaltungselement eine Chance hätte. Auf den zweiten Blick offenbart sich die gestalterische Reduziertheit als elegantes Understatement: Die Wände und sämtliche Einbauten des ehemaligen Bürotraktes sind in abgestuften Schwarz- und Grautönen gestaltet. Das Zentrum des Raumes bildet die Bar, leicht erhöht auf einem Podest platziert. Je später der Abend und je voller der Club, desto weniger steht das Lichtermeer der Großstadt draußen, sondern das Geschehen an der Bar drinnen im Blickpunkt der Gäste. Neben der Bar befindet sich zur einen Seite die Tanzfläche, zur anderen Seite ein Loungebereich, dessen Sitz- und Liegeelemente sich auf Schienen verschieben und mit unterschiedlichen Bezügen bespannen lassen. Nach Bedarf können sie auch als Projektionsfläche verwendet werden. Sparsame aber dafür wirkungsvolle Akzente setzen die integrierten Leuchttische. Die Gestaltung überzeugt vor allem durch ihre Zurückhaltung und den offensiven Umgang mit scheinbaren Einschränkungen. Das Improvisierte wird zur überzeugenden Lösung, zum Ausdruck stilvoll inszenierter Einfachheit. Für die Inneneinrichtung des Clubs stand den Architekten nur ein sehr geringes Budget zur Verfügung – Bar und Sitzmöbel sind zum Beispiel aus grau lasiertem Sperrholz gefertigt. Die raue Optik des Mobiliars steht dabei im wirkungsvollen Kontrast zum eleganten Schwarz der Sitzpolster und der übrigen Einbauten, wie dem Podest der Sitzgruppe.
Hippe Jungs?!
Man ist versucht – angesichts der Projekte, die das Büro seit seiner Gründung 2000 in Berlin realisiert hat und angesichts der Nähe der Inhaber zur Kunst-, Design- und Modeszene der Metropole, der Selbstinszenierung als »Trademark« – ROBERTNEUN™ in die Schublade »Lifestylearchitekten« zu stecken. Hippe Jungs mit coolen Outfits, die wenig Geld verdienen aber mit ihren Bar- und Galerieräumen (jüngst eröffnet: die neuen Galerie- und Wohnräume der Galeristin Giti Nourbaksch), mit ihren Showrooms (u. a. für Nike) zu lokalen Design-DJs avancieren. Junge Architekten, die sich von traditionellen Aufgaben abwenden und – ob bewusst gewählt oder aufgrund der bis vor Kurzem prekären wirtschaftlichen Situation gezwungenermaßen – neuen Aufgaben zuwenden, die Möbel und Lampen gestalten und Partys veranstalten. Soweit stimmen die Klischees – und auch wieder nicht. Ausschlag für die Gründung des Büros im Jahre 2000 gab der Auftrag der »Frischeparadies-Gruppe« zur Umgestaltung eines ihrer Delikatessmärkte. Ihre professionelle Karriere begannen die drei Wahlberliner, die sich während des Studiums an der Technischen Universität Berlin kennengelernt haben, also auf dem eher unaufgeregten, profanen Gebiet der Gewerbearchitektur. Der Auftraggeber erweiterte sein Geschäftsfeld vom reinen Kommissionierungsbetrieb zum Verbraucherabholmarkt, in fast allen Standorten bestand Umbaubedarf. Der erste realisierte Entwurf in Hamburg überzeugte – mittlerweile haben Robertneun »Frischeparadiese« in Frankfurt, Stuttgart und Essen realisiert, zwei weitere sind in Planung. So ist das Büro zum Hausarchitekten des Feinkosthändlers avanciert, ohne dabei eine immer gleiche Corporate Architecture zu reproduzieren, sondern stets mit neuen Lösungen zu überraschen.
Corporate Design fürs Frischeparadies
Der gestalterisch ausgereifteste Gewerbebau von Robertneun befindet sich in Essen, nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Die Architekten haben hier einen Erweiterungsbau zu einer bestehenden Lagerhalle errichtet. Ihnen ist es gelungen, die pragmatische Gewerbearchitektur aus den siebziger Jahren, deren gestalterische Elemente sich auf braune Trapezblechhauben und gelbe Vordächer beschränkten, nicht zu brüskieren, sondern mit sparsamen Mitteln in einen ansprechenden, zeitgemäßen Anbau zu überführen. Auf insgesamt 1600 Quadratmetern Nutzfläche sind hier auf zwei Etagen neue Verkaufs-, Büro- und Personalräume für insgesamt 70 Mitarbeiter entstanden.
»Uns interessiert nicht nur das Design. Wir beschäftigen uns sehr stark mit dem Raumprogramm und suchen nach überzeugenden strukturellen Lösungen«, erläutert Nils Buschmann. Die Verbindung von Kommissions- und Abholmarktgeschäft haben die Architekten auch im Gebäude sichtbar gemacht. Der Anbau dockt an die ursprüngliche Rückseite der vorhandenen Halle an – und die Eingangssituation wird umgekehrt. Dadurch war es möglich, direkte optische und physische Übergänge zwischen Verkaufs- und Lagerräumen zu schaffen. Teilweise haben die Architekten zusätzliche Fenster und Glastüren in die Rückwand zur Lagerhalle hin eingeschnitten – was der Bauherr zunächst mit Skepsis betrachtete, zunehmend aber offensiv vermarktet, nach dem Motto: »Wir haben nichts zu verbergen.« Transparenz im Lebensmittelgeschäft wird hier auch räumlich demonstriert. Außerdem entsteht so eine zusätzliche Raumtiefe und Lebendigkeit.
Von außen präsentiert sich der Markt wie eine riesige Warenvitrine: Das Erdgeschoss ist komplett verglast und lässt Einblicke in den gesamten Verkaufsraum teilweise bis in die Kühlräume zu. Im Gegensatz dazu wirkt das Obergeschoss komplett geschlossen. Die Fassade selbst ist eine Stahlleichtbaukonstruktion mit Sandwichpaneelen. Durch diese kostensparende Bauweise ließ sich ein gestalterisches Extra für dessen Bekleidung finanzieren: Das gesamte Obergeschoss ist mit einem Kunststoffnetzgewebe bespannt, das an der Vorderfront mit einem Sonnenuntergangsmotiv bedruckt ist. Assoziationen mit Fototapeten aus den Siebzigern werden wach. So entsteht ein fast ironischer Verweis auf das »paradiesische« Warensortiment im Innern – Corporate Architecture der subtileren Art. Je nach Lichteinstrahlung zeichnet sich das Motiv unterschiedlich stark ab. Am Abend verschwindet es fast. Das Gebäude wirkt in seiner Geschlossenheit in der Dämmerung beinahe skulptural.
Im Gebäude setzt sich das Konzept von raffinierter Einfachheit und Integration von Alt und Neu, von Innen und Außen weiter fort. Die einzelnen Abteilungen des Marktes sind durch ein Farbkonzept, das die vorhandene farbliche Gestaltung des siebziger-Jahre-Areals aufnimmt und weiterentwickelt, klar strukturiert. Auch an den Regalsystemen von Robertneun zeigt sich deren Begabung als Budgetjongleure, Pflicht und Kür gekonnt miteinander zu verbinden. Die Regale sind gleichzeitig Wandbekleidung – was Mittel sparte und Ressourcen für die farbigen emaillierten Glasplatten, mit denen die Regale bestückt sind, frei werden ließ. In den hoch glänzenden Platten spiegelt sich das Warenangebot, die einzelnen Raumebenen werden so teilweise optisch aufgelöst, eine zusätzliche Tiefe entsteht.
Das Frischeparadies »De Pastre« wurde mit dem BDA-Preis Gute Bauten 2006 des Kreisverbandes Essen ausgezeichnet. Mittlerweile arbeiten die Architekten an der Realisierung eines weiteren Marktes in Berlin. Damit schließt sich in gewisser Weise auch ein Kreis in der Entwicklung des Büros. Die »Schubladen« von den Lohn-und-Brot-Gewerbebauten und den hippen Berliner Projekten passen dann endgültig nicht mehr. Geklemmt haben sie ja sowieso schon immer.
Hippe Jungs?!
Man ist versucht – angesichts der Projekte, die das Büro seit seiner Gründung 2000 in Berlin realisiert hat und angesichts der Nähe der Inhaber zur Kunst-, Design- und Modeszene der Metropole, der Selbstinszenierung als »Trademark« – ROBERTNEUN™ in die Schublade »Lifestylearchitekten« zu stecken. Hippe Jungs mit coolen Outfits, die wenig Geld verdienen aber mit ihren Bar- und Galerieräumen (jüngst eröffnet: die neuen Galerie- und Wohnräume der Galeristin Giti Nourbaksch), mit ihren Showrooms (u. a. für Nike) zu lokalen Design-DJs avancieren. Junge Architekten, die sich von traditionellen Aufgaben abwenden und – ob bewusst gewählt oder aufgrund der bis vor Kurzem prekären wirtschaftlichen Situation gezwungenermaßen – neuen Aufgaben zuwenden, die Möbel und Lampen gestalten und Partys veranstalten. Soweit stimmen die Klischees – und auch wieder nicht. Ausschlag für die Gründung des Büros im Jahre 2000 gab der Auftrag der »Frischeparadies-Gruppe« zur Umgestaltung eines ihrer Delikatessmärkte. Ihre professionelle Karriere begannen die drei Wahlberliner, die sich während des Studiums an der Technischen Universität Berlin kennengelernt haben, also auf dem eher unaufgeregten, profanen Gebiet der Gewerbearchitektur. Der Auftraggeber erweiterte sein Geschäftsfeld vom reinen Kommissionierungsbetrieb zum Verbraucherabholmarkt, in fast allen Standorten bestand Umbaubedarf. Der erste realisierte Entwurf in Hamburg überzeugte – mittlerweile haben Robertneun »Frischeparadiese« in Frankfurt, Stuttgart und Essen realisiert, zwei weitere sind in Planung. So ist das Büro zum Hausarchitekten des Feinkosthändlers avanciert, ohne dabei eine immer gleiche Corporate Architecture zu reproduzieren, sondern stets mit neuen Lösungen zu überraschen.
Corporate Design fürs Frischeparadies
Der gestalterisch ausgereifteste Gewerbebau von Robertneun befindet sich in Essen, nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Die Architekten haben hier einen Erweiterungsbau zu einer bestehenden Lagerhalle errichtet. Ihnen ist es gelungen, die pragmatische Gewerbearchitektur aus den siebziger Jahren, deren gestalterische Elemente sich auf braune Trapezblechhauben und gelbe Vordächer beschränkten, nicht zu brüskieren, sondern mit sparsamen Mitteln in einen ansprechenden, zeitgemäßen Anbau zu überführen. Auf insgesamt 1600 Quadratmetern Nutzfläche sind hier auf zwei Etagen neue Verkaufs-, Büro- und Personalräume für insgesamt 70 Mitarbeiter entstanden.
»Uns interessiert nicht nur das Design. Wir beschäftigen uns sehr stark mit dem Raumprogramm und suchen nach überzeugenden strukturellen Lösungen«, erläutert Nils Buschmann. Die Verbindung von Kommissions- und Abholmarktgeschäft haben die Architekten auch im Gebäude sichtbar gemacht. Der Anbau dockt an die ursprüngliche Rückseite der vorhandenen Halle an – und die Eingangssituation wird umgekehrt. Dadurch war es möglich, direkte optische und physische Übergänge zwischen Verkaufs- und Lagerräumen zu schaffen. Teilweise haben die Architekten zusätzliche Fenster und Glastüren in die Rückwand zur Lagerhalle hin eingeschnitten – was der Bauherr zunächst mit Skepsis betrachtete, zunehmend aber offensiv vermarktet, nach dem Motto: »Wir haben nichts zu verbergen.« Transparenz im Lebensmittelgeschäft wird hier auch räumlich demonstriert. Außerdem entsteht so eine zusätzliche Raumtiefe und Lebendigkeit.
Von außen präsentiert sich der Markt wie eine riesige Warenvitrine: Das Erdgeschoss ist komplett verglast und lässt Einblicke in den gesamten Verkaufsraum teilweise bis in die Kühlräume zu. Im Gegensatz dazu wirkt das Obergeschoss komplett geschlossen. Die Fassade selbst ist eine Stahlleichtbaukonstruktion mit Sandwichpaneelen. Durch diese kostensparende Bauweise ließ sich ein gestalterisches Extra für dessen Bekleidung finanzieren: Das gesamte Obergeschoss ist mit einem Kunststoffnetzgewebe bespannt, das an der Vorderfront mit einem Sonnenuntergangsmotiv bedruckt ist. Assoziationen mit Fototapeten aus den Siebzigern werden wach. So entsteht ein fast ironischer Verweis auf das »paradiesische« Warensortiment im Innern – Corporate Architecture der subtileren Art. Je nach Lichteinstrahlung zeichnet sich das Motiv unterschiedlich stark ab. Am Abend verschwindet es fast. Das Gebäude wirkt in seiner Geschlossenheit in der Dämmerung beinahe skulptural.
Im Gebäude setzt sich das Konzept von raffinierter Einfachheit und Integration von Alt und Neu, von Innen und Außen weiter fort. Die einzelnen Abteilungen des Marktes sind durch ein Farbkonzept, das die vorhandene farbliche Gestaltung des siebziger-Jahre-Areals aufnimmt und weiterentwickelt, klar strukturiert. Auch an den Regalsystemen von Robertneun zeigt sich deren Begabung als Budgetjongleure, Pflicht und Kür gekonnt miteinander zu verbinden. Die Regale sind gleichzeitig Wandbekleidung – was Mittel sparte und Ressourcen für die farbigen emaillierten Glasplatten, mit denen die Regale bestückt sind, frei werden ließ. In den hoch glänzenden Platten spiegelt sich das Warenangebot, die einzelnen Raumebenen werden so teilweise optisch aufgelöst, eine zusätzliche Tiefe entsteht.
Das Frischeparadies »De Pastre« wurde mit dem BDA-Preis Gute Bauten 2006 des Kreisverbandes Essen ausgezeichnet. Mittlerweile arbeiten die Architekten an der Realisierung eines weiteren Marktes in Berlin. Damit schließt sich in gewisser Weise auch ein Kreis in der Entwicklung des Büros. Die »Schubladen« von den Lohn-und-Brot-Gewerbebauten und den hippen Berliner Projekten passen dann endgültig nicht mehr. Geklemmt haben sie ja sowieso schon immer.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel