Bauwerk

Haus pi_mut
ertl und henzl - Stadt Haag (A) - 2004
Haus pi_mut, Foto: ertl und henzl
Haus pi_mut, Foto: ertl und henzl

Gegensätze ziehen einander an

Auf dem Eckgrundstück einer Siedlung plante teamem einem ungleichen Paar ein Haus, dessen geschlossene Außenwände sich wie eine Schnecke um das Innere winden. Wie Yin und Yang werden darin die Gegensätze zweier unterschiedlicher Charaktere vereint.

9. September 2006 - Isabella Marboe
Er ist ein Geistesmensch erster Güte: Wenn er in die Welt von Literatur, Film und Kunst eintaucht, versinkt die Welt um ihn. Zum Wohnen genügte dem Lehrer bisher ein simples Dach über dem Kopf. Dann lernte er jene Frau kennen, die ihr Leben mit ihm teilen wollte: ebenfalls Lehrerin, in den kontemplativen Stunden taucht sie jedoch lieber in die Welt von Pflanzen und Gartenarbeit ein. Für zwei Menschen bot die alte Bleibe zu wenig Platz. Das Paar beschloss, sich mit dem eigenen Haus ein neues Wohnumfeld zu schaffen.

Dem Schutzbedürfnis und den humanistischen Idealen des Herrn entsprach das römische Atriumhaus: Im Sommer kühl, im Winter warm, außen zu, nach innen offen, rundum solide und beständig. Die Dame seines Herzens indes sehnte sich nach Licht, Ausblick und Weite sowie nach einem kleinen Pflanzenparadies im Garten. Knapp 165 Quadratmeter mussten nicht für das Wohnglück der beiden reichen, sondern auch für die gemeinsamen Bücherbestände und vor allem für den künftigen Nachwuchs.

Ein Schneckenhaus

Der Grund liegt am Eck einer durchgrünten Einfamilienhaussiedlung, vom nahen Stadtzentrum ist nichts zu spüren. Eine Allee rahmt den Garten im Süden, im Norden wird das Grundstück von der Zufahrt flankiert, im Westen winkt der Turm der Friedhofskirche dem Gottesacker zu. Mit hochgeschlossenen und grau verputzten Flanken setzt sich das Haus deutlich von der öffentlichen Straße ab.

Wie eine Schnecke windet sich das Mauerband ums Haus und umgarnt das dunkle, eternitverkleidete Obergeschoß. In derselben Flucht ragt im Erdgeschoß die lang gezogene Garage wie ein Keil auf die Straße hinaus. Vorn parkt das Auto, im hinteren Ende sind Lager, Werkstatt und Wintergarten untergebracht. In der Garagenbucht liegt der Eingang ins Haus. Er bildet die gesellige Lebensmitte, die sich in der sicheren Umklammerung von Gästetrakt und Wohnbereich öffnen kann. Die massive Wand ist hier nicht nur Schutzpanzer, sondern auch eine wertvolle Speichermasse, um den Niedrigenergiestandard zu halten.

Nur zaghaft wagt sich ein Glasstreifen in die Westwand und schmiegt sich dann ums Eck. Eine Schiebetür weitet den Raum ins Freie. Über Esstisch und Küchenbereich hebt der Wohnraum zu einem üppigen Luftraum an - ein Steg pfeift oben quer drüber und führt ins Arbeitszimmer der Dame, das als Leichtbau über den Wohnraum ragt. Der Bauherr zieht sich währenddessen in sein Privatrefugium zurück. Zwischen dick gefüllten Bücherwänden dringt kein Laut in die Tiefen des Kellers.

Schließlich kreuzen sich alle Wege im Galeriezwickel. Von hier geht und blickt man in den Wohnraum, hier ist der Zugang zum potenziellen Kinderzimmer, zum Steg und in den Schlaftrakt, in dem die Paradigmen der Dame und des Herrn endlich zueinandergefunden haben. Zwischen zwei Wandscheiben liegen Bad und Schrankraum, zum Bett davor gesellt sich ein Panoramaglas mit Blick in den Garten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Tragwerksplanung