Bauwerk

Haus H.
t-hoch-n - Eichgraben (A) - 2007
Haus H., Foto: Rupert Steiner
Haus H., Foto: Rupert Steiner
20. Januar 2008 - Az W
Mit dem „Haus H“ stellte t-hoch-n im Sommer 2007 ein dreigeschossiges Einfamilienhaus im Wienerwald für eine Musikerfamilie fertig, das nach allen Regeln der Raumkunst den Ausblick zelebriert. An der Straße gibt sich der Baukörper zurückhaltend niedrig, um dann unter einem dramatisch ansteigenden Dach dem Höhepunkt des auskragenden Musikzimmers zuzustreben.

Der Bauherr ist Berufsmusiker aus Leidenschaft, auch seine Frau singt bei ihm im Chor, beide kommen vom Land und wollten ihre Kinder im Grünen aufwachsen sehen. Doch ihr Haus sollte nicht nur der Familie, sondern auch der Musik eine Heimstatt bieten. Es brauchte einen Raum, in dem er sich ungestört dem Studium seiner Partituren widmen und mit Kollegen im kleinen Kreis proben konnte. Hier sollte kein Schall nach außen dringen und der Blick frei über weite Landschaft schweifen.

„Wir haben bisher nur in Altbauten gewohnt: der Gartenbezug war uns wichtig und dass die Räume hoch sind,“ sagt die Baufrau. Außerdem sollte ihr Haus aus Ziegeln gemauert sein, leicht goldfarben schimmern, einen gedeckten Parkplatz, genug Nebenräume, eine Speis bei der Küche, einen Kamin, einen geräumigen Tisch im Wohnraum und den Weitblick in die Natur aus dem Musikzimmer haben. „Wir wollten kein repräsentatives Haus, sondern ein Refugium zum familiären Rückzug. Andererseits wird oben viel gesungen, es sollte auch musikalisch etwas stattfinden können.“

Die Architekten meißelten aus dem Südhang, von dem man über die Nachbarn hinweg auf unberührte Felder sehen kann, eine monolithische Hausskulptur auf den Geländerücken, die nach allen Regeln der Raumkunst den Ausblick zelebriert und auf drei Ebenen dem Schlafen, Wohnen und Musizieren das richtige Ambiente schafft. Für den zarten Schimmer sorgt der Metallic-Anstrich mit seinen reflektierenden Pigmenten: wie ein wertvoller Stein, der in der Sonne zu glänzen beginnt, liegt der langgestreckte Baukörper nun in der Landschaft.

Die Straße ist im Norden, dahinter fällt das Gelände abrupt drei Meter ab: also betteten die Architekten das Untergeschoss so in den leicht modellierten Hang, dass die drei Schlafzimmer an raumhohen Glasfronten direkt am Garten zu liegen kommen. Jedes hat eine Tür auf den gedeckten Arkadengang, von dem die Kinder zu ihren Schaukeln laufen können. Seine Stützen bilden gleichsam die Basis für das umlaufende Terrassenband, das sich vorm Panoramaglas am luftraumüberhöhten Reich des Wohnens darüber ums westliche Hauseck windet und mit einer Außenstiege gleichsam in den Garten abrollt. Hier liegt quasi der Hintereingang an den dienenden Räumen. Der Keller, das Lager für die Pellets, mit denen die Fußbodenheizung hochökonomisch gespeist wird, die Werkstatt des Bauherrn und die Sauna sind in den Hang gegraben. Das Bad aber mit dem vorstehenden Über-Eck-Fenster am Wannenende und die Innenstiege haben schon Sonne und Aussicht. Die lichtdurchlässige Flachstahlbrüstung dieser metallenen Treppe lässt an die Saiten eines Instruments denken: Sie endet direkt auf der Galerie vorm Musikzimmer. Ein dreieckiges Fenster erhellt den Schlafflur, dessen Schlussakkord eine zweite gläserne Tür in den Garten bildet. Sie sorgt für Durchblick am Gang und bietet eine weitere Zugangsmöglichkeit. Der offizielle Eingang liegt hinterm Carport an der Straße: hier gibt sich das Haus verschlossen und zurückhaltend nieder. „Es macht sich klein,“ sagt t-hoch-n-Architekt Gerhard Binder. Zwei verputzte Nebenraumboxen bilden quasi die Marksteine an der Grundgrenze und vorm Eingang einen großen, gedeckten Vorbereich aus, von dem man wie von einem Balkon an der Westseite des Hauses entlang den Hang hinabsehen kann. Sacht steigt dahinter das Dach an, bis es in einem fulminanten Finale mit den Wandflächen des Musikzimmers zur umfassenden Klammer verschmilzt.
„Wir haben den Zugang absichtlich schmal gestaltet, damit dann die Weite im Wohnraum umso stärker wirkt,“ sagt Gerhard Binder. Der Vorraum wirkt wie eine künstliche Schlucht, die von einem Oberlicht geheimnisvoll erhellt wird und den Schritt zwei Mal ums Eck am Gäste-WC vorbei ins Wohnzimmer lenkt. Wie im Breitleinwand-Format zeigt sich hier das Wienerwald-Panorama durch die Glasfront im Süden, die sich im Osten ums Eck zieht und im Westen dem Luftraum über dem Wohnbereich in seine stolze Höhe folgt.

Oben haben auch die Eltern ihr Bad und Schlafzimmer, der krönende Höhepunkt aber ist der Musikraum. „Das war das Wichtigste,“ sagt Architekt Gerhard Binder. „Der Bauherr wollte konzentriert arbeiten können, aber doch nicht ganz losgelöst von der Familie sein.“ Schallgedämmt und akustisch abgekoppelt, ruht er als eigene Holzleichtbaukonstruktion auf dem Sockel der Küche. Die Wandnische an seinem stillen Hinterende birgt Archiv und Bibliothek des Bauherren, vom Fenster seines Arbeitstisches sieht er die Morgenröte über den Hügeln aufsteigen. Von dem auskragenden, über-eck-verglasten Platz, an dem sein Flügel steht, aber kann der Blick hinunter zu seinen Lieben ins Wohnzimmer und weit über die Felder hinaus schweifen. Unter der Decke, die in einer Flucht die weit vorstehende Untersicht der Dachskulptur mündet, entschwebt der freie Geist in diesem Cockpit der Musik gleichsam in die Weite von Landschaft und Himmel. (Gekürzter Text der Architekten)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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