Bauwerk

Kindergarten Neumarkt
Schneider Lengauer Pühringer - Neumarkt im Mühlkreis (A) - 2006
Kindergarten Neumarkt, Foto: Paul Ott
Kindergarten Neumarkt, Foto: Paul Ott

In der Not das Krokodil gerufen

Zubau im Mühlkreis

14. Juli 2010 - Romana Ring
Planungsbeginn im Mai, Baubeginn zwei Monate später, Fertigstellung im Oktober und ein Budget von 180.000 Euro: Diese Schlagworte allein beschreiben eine beachtliche Leistung. Die Erweiterung des bestehenden Kindergartens in Neumarkt im Mühlkreis ist jedoch mehr als das bloße Meistern ungünstiger Voraussetzungen. Die im Ort ansässigen Architekten Peter Schneider und Erich Lengauer haben ein ungewöhnliches, ja sinnliches Objekt geschaffen. Mit seiner lang gestreckten, in einem großen Panoramafenster mündenden Form, dem breiten Oberlicht und der grünen Fassade sieht der Kindergartenzubau aus wie ein Krokodil. Da waren sich von Beginn an alle sicher: Kinder, PädagogInnen ebenso wie die NachbarInnen.

Das Budget, mit dem die Architekten den Zubau zu realisieren hatten, betrug weniger als die Hälfte der für ähnliche Aufgaben üblicherweise bewilligten Mittel. Aber auch der Bauplatz sowie Lage und Ausformung des Bestands stellten massive Einschränkungen für das Projekt dar. Auf das Wesentliche der Aufgabe konzentriert, schufen Schneider & Lengauer trotzdem einen großzügigen, den pädagogischen Richtlinien entsprechenden Gruppenraum, der den Kindergarten um mehr als nur die gewonnenen Flächen bereichert. Für den Baustoff Holz sprachen nicht nur seine besondere Eignung zur Vorfertigung und die damit verbundene Bauzeitverkürzung, sondern auch seine optischen, akustischen und haptischen Qualitäten, die Schneider & Lengauer einsetzten, um die Architektur mit Begriffen wie Naturverbundenheit, Wärme und Geborgenheit zu verknüpfen.

Der bestehende Kindergarten ist ein in den frühen 1990er Jahren errichteter, auf sich selbst bezogener Zentralbau. Er steht im Ortskern von Neumarkt etwa in der Mitte eines jäh nach Westen abfallenden Bauplatzes. Für den Zubau blieb nur der nördliche Teil des Grundstückes übrig. Schneider & Lengauer entwarfen einen schmalen, länglichen Baukörper, der etwas abgerückt vom Bestand sitzt und mit diesem über einen Glasgang verbunden ist. Der Neubau ragt weit über die Hangkante hinaus, sodass der neue Gruppenraum nicht nur in den Genuss von Besonnung aus Süden kommt, sondern auch durch die Aussicht in die Mühlviertler Hügellandschaft wesentlich erweitert wird. Ein Oberlichtband erfüllt die Tiefe des Baukörpers mit Tageslicht.

Die Kinder lieben den Panoramablick ebenso wie die gebaute Topografie im Inneren des Gruppenraumes, die es zu erkunden gilt. Hier gibt es ebenerdige Spielbereiche, eine Empore und die darunterliegende Leseecke, von der aus sie die Hühner in Nachbars Garten beobachten können. Straßenseitig liegt ein kleiner Mehrzweckraum, der durch eine großzügige Blickverbindung mit dem Vorgarten zusätzliche Qualitäten erhält.

Der Neubau ist als Holzriegelkonstruktion mit eingeblasener Zellulosedämmung errichtet. Die Flächen im Inneren des Gebäudes sind mit weiß geöltem Fichtenholz ausgekleidet. Dies bietet in Verbindung mit den schlichten Birkensperrholz-Möbeln einen hellen, ruhigen Hintergrund für die bunte Aktivität der Kinder. Wände und Decken sind zum Teil als akustisch wirksame Paneele ausgebildet. Der Zubau ist zur Gänze mit grünem Eternit verkleidet. Diese Farbwahl hat wohl das Ihre zur Bildung der Assoziationskette weit aufgesperrtes Maul – hoch liegende Augen – grün – Krokodil beigetragen. Seit jemand dem Bestand die Rolle des Kasperls zugeordnet hat, bilden Alt und Neu auch in diesem Sinne eine Einheit.

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Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

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