Bauwerk

Bachhaus Eisenach - Erweiterung
Berthold Heinrich Penkhues - Eisenach (D) - 2006

Fuge und Kontrapunkt

Die Erweiterung des Bachhauses in Eisenach

Das Bachhaus in Eisenach, Deutschlands meistbesuchtes Musikermuseum, ist erweitert worden. Die markante architektonische Ergänzung schafft Raum für eine gelungene neue Ausstellung.

19. November 2007 - Hubertus Adam
Der heiligen Elisabeth galt die diesjährige Thüringische Landesausstellung in Eisenach. Veranstaltungsorte waren das frühere Dominikanerkloster und die Wartburg. Obwohl diese vielen Besuchern als Inbegriff einer Höhenbefestigungsanlage des Mittelalters gilt, verdankt sie ihre heutige Gestalt weitgehend dem 19. Jahrhundert. Dieses Gesamtkunstwerk aus romantischem Geist ist mit der heiligen Elisabeth ebenso wie mit dem legendären Sängerwettstreit der Minnesänger verknüpft – und mit Martin Luthers Aufenthalt von 1521/22, während dessen er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. Dass Gedenkorte sich oft mehr aus dem Mythos als aus der Realität speisen, beweist auch das Bachhaus in Eisenach. Johann Sebastian Bach wurde hier 1685 als Sohn des Stadtpfeifers Johann Ambrosius geboren, doch das Haus am Frauenplan, das die Neue Bachgesellschaft 1906 erwarb und 1907 als Museum eröffnete, ist nach heutigem Wissensstand nicht sein wirkliches Geburtshaus.

Entstehen eines Gedenkortes

Nach dem Abriss der Thomasschule in Leipzig 1902 hatten sich die Bachfreunde dazu entschieden, wenigstens diesen Ort zu bewahren, der laut mündlicher Überlieferung als Geburtshaus galt. Das stattliche Ensemble aus zwei Bürgerhäusern des ausgehenden 15. Jahrhunderts ist heute mit historischem Mobiliar so eingerichtet, wie es zu Zeiten Bachs ausgesehen haben könnte. Darüber hinaus bewahrt es eine hervorragende Sammlung barocker Musikinstrumente. Ein grosser Teil von ihnen stammt aus dem Nachlass des einst bekannten Schweizer Musikwissenschafters und Kapellmeisters Alois Obrist, des Bruders des Bildhauers und Jugendstil-Künstlers Hermann Obrist. Nach dem Freitod von Alois Obrist im Jahre 1910 ging seine Kollektion von 150 Instrumenten an das Bachhaus.

Eine heroisch-nationale Interpretation des Komponisten, welche die Gründer des Museums beseelte und der auch das pathetische Standbild von 1939 in Bachs Taufkirche St. Georgen folgt, entspricht weder dem heutigen Verständnis der Künstlerpersönlichkeit (über die man biografisch erstaunlich wenig weiss) noch dem gegenwärtigen Stand der musikwissenschaftlichen Debatte. Darauf muss eine Institution reagieren, die als das meistbesuchte Musikmuseum in Deutschland gilt. Angesichts des Hundertjahrjubiläums entschied sich die als Trägerin des Bachhauses fungierende Neue Bachgesellschaft zu einer baulichen Erweiterung. Den 2003 ausgeschriebenen Wettbewerb gewann der in Kassel tätige und in Braunschweig lehrende Berthold Penkhues. Der heute 52-jährige Architekt, der Ende der achtziger Jahre bei Frank O. Gehry in Santa Monica arbeitete, wurde 1997 durch die Erweiterung des Museums im hessischen Korbach bekannt. Inmitten des historischen Ortskerns errichtete Penkhues ein stark plastisches, kalksteinverkleidetes Volumen, das sich hinsichtlich seiner Proportion und Massstäblichkeit an der historischen Bebauung orientiert.

Neue Blicke auf Bach

Einen vergleichbaren Entwurfsansatz zeigt auch das Bachhaus in Eisenach: Der ringsum mit einer rautenförmigen Struktur aus Muschelkalkplatten verkleidete und daher monolithisch wirkende Baukörper, der vermittels einer Glasfuge an den Altbau anschliesst, greift die Dimension des Bachhauses auf, formuliert sie aber mit zeitgenössischen Mitteln und in einer anderen Materialisierung neu. Das Erdgeschoss ist zu einem grossen Teil verglast und erlaubt den Durchgang und Durchblick zum Garten auf der vom Platz abgewandten Seite.

In den historisch eingerichteten Räumen wird anhand einiger weniger authentischer Exponate ein Abriss der Biografie des Komponisten gegeben; im Erdgeschoss stehen einige historische Tasteninstrumente, die zu Beginn des Rundgangs vorgeführt werden und so über den Klang einen sinnvollen akustischen Einstieg vermitteln. Im Obergeschoss des Neubaus schliesslich findet sich eine thematische Ausstellung, welche einen zeitgenössischen Zugang zu Bach ermöglicht. Die Geschichte der Werküberlieferung wird ebenso thematisiert wie die Fragen nach Bachs authentischem Porträt – und die nach der Aufführungspraxis. «Begehbares Musikstück» nennt das für die Ausstellungsinszenierung verantwortliche Atelier Brückner aus Stuttgart eine 180-Grad-Projektion in einer Raumkapsel in der Mitte des Saales, mit der man Bachs Musik akustisch und visuell erfahrbar machen will. Wer es individueller mag, kann sich mit Kopfhörern in einem der ringsum von der Decke abgehängten Kugelsessel von Eero Arnio niederlassen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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