Bauwerk
Palast der Künste
Zoboki, Demeter & Associates - Budapest (H) - 2005
Ein Nervenzentrum der Musik
Zu Besuch im Palast der Künste, dem neuen Konzertsaal von Budapest
Seit drei Jahren verfügt Budapest über einen neuen, vorzüglichen Konzertsaal. Dort gab es jetzt eine halbszenische Aufführung von Richard Wagners Tetralogie «Ring des Nibelungen».
27. Juni 2008 - Peter Hagmann
Reizvoll die Fahrt mit der Strassenbahn, in der Linie 2, die der Donau entlangführt – doch plötzlich ist Schluss, Baustelle, es gilt den richtigen Autobus zu finden, und das ist nicht einfach. Schliesslich gelingt die Weiterfahrt, auch wenn das Gefährt übervoll ist. Nach wenigen Haltestellen erneutes Umsteigen – und dann endlich tauchen, mitten im Niemandsland, zwei grosse Bauten auf. Es sind das Nationaltheater und der Palast der Künste, die am südlichen Rand von Budapest errichtet wurden und hier ein neues kulturelles Nervenzentrum bilden sollen.
Von der Anbindung an den öffentlichen Verkehr könne er wenig Gutes berichten, gesteht András Csonka, stellvertretender Generalintendant am Palast der Künste. Sie seien eben eine nationale Institution, während die öffentlichen Verkehrsmittel unter städtischer Regie verkehrten – da gebe es Probleme. Die Tiefgarage freilich sei gross genug, und die Hälfte der Besucher komme ohnehin mit dem Privatauto.
Möglichst breites Angebot
Das mag als Nebensache erscheinen, trägt aber nicht wenig zum Eindruck bei, dass der Palast der Künste etwas peripher gelegen ist. Budapest verfügt in der zentral gelegenen Musikakademie über einen legendären Konzertsaal. Mit seinen 1200 Plätzen ist er nach den Massstäben des heutigen Musikbetriebs aber zu klein, daher der Neubau. Konkret wurde die Idee im Jahr 2000, als die in Budapest und Wien geplante Weltausstellung nicht zustande kam und das dafür vorgesehene Gelände frei blieb. Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Geldgebern wurde der Palast der Künste von einem Team um den Architekten Gábor Zoboki erbaut und im März 2005 eröffnet. Der ungarische Staat hat das Gebäude für dreissig Jahre von den privaten Besitzern gemietet und lässt es von einer staatlichen GmbH betreiben.
Das Herzstück im Palast der Künste bildet der nach Béla Bartók benannte Konzertsaal mit seinen knapp 1700 Plätzen; dazu kommen ein Theater mit 400 Plätzen und das der zeitgenössischen Kunst dienende Museum Ludwig – ein etwas heterogenes Raumprogramm, das nicht zuletzt dadurch auffällt, dass es für Kammermusik keine geeignete Kapazität gibt. 500 Veranstaltungen pro Jahr finden hier statt. Die eine Hälfte wird vom Palast der Künste selbst organisiert, die andere von Aussenstehenden, zum Beispiel der Nationalphilharmonie, die hier ihren neuen Sitz hat. Rund 500 000 Menschen frequentieren das Kulturzentrum übers Jahr, die Auslastung erreicht rund 85 Prozent – und das bei einer Eigenwirtschaftlichkeit von rund 30 Prozent.
Da setzt die Kritik ein. Es sei natürlich wunderbar, dass es diesen neuen Saal gebe, sagt Iván Fischer. Der Dirigent weiss, wovon er spricht. 1993 hat er das Budapest Festival Orchestra gegründet und es zum besten Klangkörper Ungarns gemacht, der zudem intensiv reist; seine Konzerte in Budapest gibt das Orchester inzwischen im Palast der Künste, in den es sich einmietet. So dankbar der Dirigent für diese Möglichkeit ist, so sehr sieht er, dass die neue Institution die Gelder monopolisiert. Nach der Wende ist das ungarische Musikleben förmlich explodiert; zahllos die privaten Initiativen, die sehr viel Bewegung in die Szene gebracht haben. Heute ist davon nur noch wenig übrig. Es fehlt an Geld, nicht zuletzt weil die Mittel eben stark kanalisiert sind.
Und – dies ein zweiter Aspekt, der kritisch gesehen wird – vielleicht nicht optimal kanalisiert sind. Tatsächlich bietet der Palast der Künste ein Programm, das wenig gestaltende Hand erkennen lässt. Die Verantwortung dafür liegt bei der Generalintendanz, die aus den Vorschlägen von Dramaturgen ihre Auswahl trifft. In ihrer gesamten Breite solle die Musik im Palast der Künste vertreten sein, unterstreicht András Csonka, weshalb es hier nicht nur das klassisch-romantische Standardrepertoire gibt, sondern auch Musical, Jazz, Weltmusik und Pop. Doch anders als etwa bei der Cité de la Musique in Paris, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt, das aber im Zeichen einer avancierten Ästhetik tut, scheint in Budapest die Quote ausschlaggebend zu sein. Neue Musik, bemerkt Csonka mehrere Male, lasse sich nur schwer verkaufen; mit Stolz weist er dafür auf zwei Abende mit Cecilia Bartoli hin, die er in der kommenden Saison anbieten kann. Manifestiert sich da nicht ein Hauch von Provinzialität? Ja, sagt der Dirigent Iván Fischer, Ungarn liege etwas abseits, schon allein der Sprache wegen.
Doch nun gehen die Türen zum Palast der Künste in Budapest auf, der Besucher aus der Schweiz betritt das helle Foyer, bewundert seine Grosszügigkeit, amüsiert sich über die rein ungarischen Beschriftungen – und stösst gleich auf eine architektonische Auffälligkeit. Wie ein grosser Schiffsrumpf aus Holz wölbt sich da der Konzertsaal ins Foyer hinein, genau gleich wie in dem von Jean Nouvel entworfenen Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Das ist kein Wunder, denn auf Wunsch des Architekten wurde der Akustiker Russell Johnson beigezogen. Der Saal lässt tatsächlich seine Handschrift erkennen: etwas schmal und stark in die Höhe gezogen, zuoberst die dunkelblaue Decke, über dem Podium das «canopy», seitlich die Echokammern und die kleinteiligen, hier farbigen Gipselemente. Der Klang ist ähnlich analytisch und trennscharf wie in Luzern, wenn auch eine Spur heller.
Wagner auf dem Konzertpodium
Hier fanden nun die Budapester Wagner-Tage statt, die dieses Jahr zum ersten Mal Wagners «Ring des Nibelungen» an vier aufeinanderfolgenden Abenden geboten haben. Auf dem Podium, vor dem ein Orchestergraben abgesenkt ist, eine kleine Spielfläche, auf der die Sängerinnen und Sänger unter der Anleitung des Salzburger Bühnenbildners Hartmut Schörghofer in Konzertkleidung sparsam agieren, dahinter eine Leinwand für die Videos von Momme Hinrichs und Torge Møller von FettFilm. Eine Alternative zu Bayreuth solle hier entstehen, so das nicht eben kleine Wort von Adam Fischer, dem Dirigenten des Abends. Und im Zentrum soll die Musik stehen, ungestört von den Zumutungen des Regietheaters.
Tatsächlich handelt es sich, wie «Das Rheingold» gezeigt hat, um eine halbszenische Aufführung, wie sie beim Lucerne Festival schon verschiedentlich im Programm stand. Die Visualisierungen lassen keine deutenden Ansätze erkennen und bleiben so beliebig, dass sie nicht weiter stören. Hervorragend dafür das Sinfonieorchester des Ungarischen Rundfunks, das Adam Fischer am Pult zu leisem und zugleich farbenreichem Spiel anleitete. Die Besetzung orientierte sich an internationalem Standard, wobei Alan Titus (Wotan) und Hartmut Welker (Alberich) mit schwachen, Christian Franz (Loge) und Eszter Wierdl als Woglinde mit ausgesprochen profilierten Leistungen auffielen.
Von der Anbindung an den öffentlichen Verkehr könne er wenig Gutes berichten, gesteht András Csonka, stellvertretender Generalintendant am Palast der Künste. Sie seien eben eine nationale Institution, während die öffentlichen Verkehrsmittel unter städtischer Regie verkehrten – da gebe es Probleme. Die Tiefgarage freilich sei gross genug, und die Hälfte der Besucher komme ohnehin mit dem Privatauto.
Möglichst breites Angebot
Das mag als Nebensache erscheinen, trägt aber nicht wenig zum Eindruck bei, dass der Palast der Künste etwas peripher gelegen ist. Budapest verfügt in der zentral gelegenen Musikakademie über einen legendären Konzertsaal. Mit seinen 1200 Plätzen ist er nach den Massstäben des heutigen Musikbetriebs aber zu klein, daher der Neubau. Konkret wurde die Idee im Jahr 2000, als die in Budapest und Wien geplante Weltausstellung nicht zustande kam und das dafür vorgesehene Gelände frei blieb. Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Geldgebern wurde der Palast der Künste von einem Team um den Architekten Gábor Zoboki erbaut und im März 2005 eröffnet. Der ungarische Staat hat das Gebäude für dreissig Jahre von den privaten Besitzern gemietet und lässt es von einer staatlichen GmbH betreiben.
Das Herzstück im Palast der Künste bildet der nach Béla Bartók benannte Konzertsaal mit seinen knapp 1700 Plätzen; dazu kommen ein Theater mit 400 Plätzen und das der zeitgenössischen Kunst dienende Museum Ludwig – ein etwas heterogenes Raumprogramm, das nicht zuletzt dadurch auffällt, dass es für Kammermusik keine geeignete Kapazität gibt. 500 Veranstaltungen pro Jahr finden hier statt. Die eine Hälfte wird vom Palast der Künste selbst organisiert, die andere von Aussenstehenden, zum Beispiel der Nationalphilharmonie, die hier ihren neuen Sitz hat. Rund 500 000 Menschen frequentieren das Kulturzentrum übers Jahr, die Auslastung erreicht rund 85 Prozent – und das bei einer Eigenwirtschaftlichkeit von rund 30 Prozent.
Da setzt die Kritik ein. Es sei natürlich wunderbar, dass es diesen neuen Saal gebe, sagt Iván Fischer. Der Dirigent weiss, wovon er spricht. 1993 hat er das Budapest Festival Orchestra gegründet und es zum besten Klangkörper Ungarns gemacht, der zudem intensiv reist; seine Konzerte in Budapest gibt das Orchester inzwischen im Palast der Künste, in den es sich einmietet. So dankbar der Dirigent für diese Möglichkeit ist, so sehr sieht er, dass die neue Institution die Gelder monopolisiert. Nach der Wende ist das ungarische Musikleben förmlich explodiert; zahllos die privaten Initiativen, die sehr viel Bewegung in die Szene gebracht haben. Heute ist davon nur noch wenig übrig. Es fehlt an Geld, nicht zuletzt weil die Mittel eben stark kanalisiert sind.
Und – dies ein zweiter Aspekt, der kritisch gesehen wird – vielleicht nicht optimal kanalisiert sind. Tatsächlich bietet der Palast der Künste ein Programm, das wenig gestaltende Hand erkennen lässt. Die Verantwortung dafür liegt bei der Generalintendanz, die aus den Vorschlägen von Dramaturgen ihre Auswahl trifft. In ihrer gesamten Breite solle die Musik im Palast der Künste vertreten sein, unterstreicht András Csonka, weshalb es hier nicht nur das klassisch-romantische Standardrepertoire gibt, sondern auch Musical, Jazz, Weltmusik und Pop. Doch anders als etwa bei der Cité de la Musique in Paris, die einen ähnlichen Ansatz verfolgt, das aber im Zeichen einer avancierten Ästhetik tut, scheint in Budapest die Quote ausschlaggebend zu sein. Neue Musik, bemerkt Csonka mehrere Male, lasse sich nur schwer verkaufen; mit Stolz weist er dafür auf zwei Abende mit Cecilia Bartoli hin, die er in der kommenden Saison anbieten kann. Manifestiert sich da nicht ein Hauch von Provinzialität? Ja, sagt der Dirigent Iván Fischer, Ungarn liege etwas abseits, schon allein der Sprache wegen.
Doch nun gehen die Türen zum Palast der Künste in Budapest auf, der Besucher aus der Schweiz betritt das helle Foyer, bewundert seine Grosszügigkeit, amüsiert sich über die rein ungarischen Beschriftungen – und stösst gleich auf eine architektonische Auffälligkeit. Wie ein grosser Schiffsrumpf aus Holz wölbt sich da der Konzertsaal ins Foyer hinein, genau gleich wie in dem von Jean Nouvel entworfenen Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Das ist kein Wunder, denn auf Wunsch des Architekten wurde der Akustiker Russell Johnson beigezogen. Der Saal lässt tatsächlich seine Handschrift erkennen: etwas schmal und stark in die Höhe gezogen, zuoberst die dunkelblaue Decke, über dem Podium das «canopy», seitlich die Echokammern und die kleinteiligen, hier farbigen Gipselemente. Der Klang ist ähnlich analytisch und trennscharf wie in Luzern, wenn auch eine Spur heller.
Wagner auf dem Konzertpodium
Hier fanden nun die Budapester Wagner-Tage statt, die dieses Jahr zum ersten Mal Wagners «Ring des Nibelungen» an vier aufeinanderfolgenden Abenden geboten haben. Auf dem Podium, vor dem ein Orchestergraben abgesenkt ist, eine kleine Spielfläche, auf der die Sängerinnen und Sänger unter der Anleitung des Salzburger Bühnenbildners Hartmut Schörghofer in Konzertkleidung sparsam agieren, dahinter eine Leinwand für die Videos von Momme Hinrichs und Torge Møller von FettFilm. Eine Alternative zu Bayreuth solle hier entstehen, so das nicht eben kleine Wort von Adam Fischer, dem Dirigenten des Abends. Und im Zentrum soll die Musik stehen, ungestört von den Zumutungen des Regietheaters.
Tatsächlich handelt es sich, wie «Das Rheingold» gezeigt hat, um eine halbszenische Aufführung, wie sie beim Lucerne Festival schon verschiedentlich im Programm stand. Die Visualisierungen lassen keine deutenden Ansätze erkennen und bleiben so beliebig, dass sie nicht weiter stören. Hervorragend dafür das Sinfonieorchester des Ungarischen Rundfunks, das Adam Fischer am Pult zu leisem und zugleich farbenreichem Spiel anleitete. Die Besetzung orientierte sich an internationalem Standard, wobei Alan Titus (Wotan) und Hartmut Welker (Alberich) mit schwachen, Christian Franz (Loge) und Eszter Wierdl als Woglinde mit ausgesprochen profilierten Leistungen auffielen.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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