Bauwerk
Holzhaussiedlung
Brunnberg & Forshed - Sollentuna (S) - 2006
Nester in der Wildnis
Eingebettet zwischen Fichten und Blaubeerbüschen bietet die Waldsiedlung Östra Kvarnskogen in Sollentuna naturnahes Wohnen mit Blick in die Baumkronen. Eine einfache Formensprache und der überlegte Einsatz von Materialien erinnern an alte schwedische Traditionen – ein architektonischer Lichtblick in Zeiten der Monokultur.
8. Februar 2008 - Alexander Budde
Die zweigeschossigen Häuser sind in das hügelige Gelände eingeschoben oder ragen auf bis zu sieben Meter hohen Stahlstützen über einen steilen Abhang hinaus. Die meisten Fenster sind so tief positioniert, dass sie sich für eine meditative Betrachtung der Landschaft anbieten. Als Fassadenmaterial dienen mit der Schlammfarbe Falunschwarz (aus der nahen Kupferstadt Falun) bemalte Paneele in Kombination mit unbehandeltem Lärchenholz. Die sanft geneigten Flachdächer sind zum Wärmeschutz bepflanzt und schaffen im Tagesverlauf reizvolle Kontraste zur umgebenden Natur.
Mit ihrem organisch geschwungenen Entwurf setzten sich die Architekten Kjell Forshed und Ludmilla Larsson 2001 im Wettbewerb der Gemeinde gegen zahlreiche Mitbewerber durch. »Unser Ziel war, die Gebäude harmonisch und mit viel Gespür für den wilden Charakter der Landschaft einzubetten«, erläutert Larsson. So gehen die Holzterrassen der sogenannten Souterrain-Häuser nahtlos in den umgebenden Kiefernwald über. Gärten sind, zum Leidwesen mancher Bewohner, nicht vorgesehen.Baustart für das Projekt Östra Kvarnskogen war im Frühjahr 2004, die letzten Häuser wurden im Herbst 2005 bezogen. In der Hügellandschaft haben die Bewohner schon ihre Spuren hinterlassen: In Eigeninitiative wurden Büsche gepflanzt und Trockenmauern errichtet. Östra Kvarnskogen zieht vor allem junge Familien mit Kindern und Berufspendler aus Stockholm an, so dass die Siedlung trotz ihrer isolierten Lage recht lebendig wirkt. Fast alle Bewohner sind Eigentümer ihrer Häuser. Für die zahlreichen Kleinkinder im Quartier wurde eigens eine Kita eröffnet. Geschäfte und öffentliche Einrichtungen sind in akzeptablem Abstand auch zu Fuß zu erreichen.
Engagierter Bauträger als Ideengeber
Die Stockholmer Architekten Brunnberg&Forshed sind mit ihren vielen jungen Mitarbeitern eines der führenden Büros im Wohnungsbau der Hauptstadt, ja des Landes. Kjell Forshed beschreibt die Zusammenarbeit mit dem Bauträger Folkhem als eine ungewöhnliche und überaus fruchtbare Symbiose. Folkhem-Gründer Sven-Harry Karlsson mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Baubranche wirkt als Ideengeber der Architekten und zeichnet eigene Entwürfe. Als Ausgangspunkt für die Detailplanung dient ein gutes Dutzend erprobter Haustypen, die in Absprache mit den Architekten nach den lokalen Erfordernissen erweitert und angepasst werden. Auch bei der baulichen Umsetzung mit eigenen Handwerkern macht das Unternehmen strenge Vorgaben. »Bei den Fassaden und der Gebietsplanung haben wir aber freie Hand«, betont Forshed. Die Partner verbinde neben dem Interesse an innovativen Raumlösungen auch der gemeinsame Anspruch an einen allgemein hohen Baustandard und die sorgfältige Auswahl der Materialien. »Bei vielen Projekten muss der Architekt um jedes Detail ringen oder mit Kompromissen leben. Mit Folkhem ist das anders, weil man dort gerade auf ausgefeilte Detaillösungen größten Wert legt.« So gehört die Fußbodenheizung in Folkhem-Häusern zum Standard. Der Verzicht auf Heizkörper ermöglicht raumhohe Fenster und schafft mehr Spielräume für die Möblierung. Das Energiekonzept folgt dem Modell des Passivhauses: gut gedämmte Außenwände, Boden- und Dachkonstruktionen, doppelt verglaste Fenster und eine kontrollierte Be- und Entlüftung sollen die Heizkosten im Rahmen halten. Allerdings haben sich die im europäischen Vergleich noch überaus moderaten Energiepreise in Schweden bislang kaum auf die architektonische Planung ausgewirkt. Eine schwierige statische Aufgabe war die Konstruktion der frei schwebenden Gebäude am Südrand der Siedlung. Sie ruhen auf hölzernen Plattformen mit acht Metern Kantenlänge. Die stählernen Stützpfeiler wurden bis zu 12 Meter tief ins Granitgestein getrieben. Diagonale Querstreben steifen die Konstruktion aus.
»Wie im Vogelnest«: Wohnerfahrungen
Jennifer Carlsson bewohnt eines dieser Stelzenhäuser gemeinsam mit ihrem Mann und zwei kleinen Söhnen. »Wir fühlen uns wie im Vogelnest«, lacht sie und führt den Gast hinaus auf die Terrasse, von der sich ein Panoramablick auf die Hügellandschaft und die Nachbarhäuser bietet. Das rhythmische Klopfen eines Buntspechts schallt aus dem Unterholz, eine Katze schleicht um die Rabatten. »Die schlichte Eleganz gefällt uns gut. Alles ist sehr gut verarbeitet. Die Kinder können im Wald spielen und haben es nicht weit zur Schule.« 110 Quadratmeter Wohnraum verteilen sich auf ein Wohnzimmer im Erdgeschoss sowie drei Schlafzimmer in der oberen Etage. Auf die Trennwand zur Küche wird in Schweden gern verzichtet, so dass die Sonne im Winter quer durch die ganze Wohnung fällt. Die Wohnbereiche sind durch eine zentrale Wendeltreppe verbunden. Die gemütliche Atmosphäre ist nicht zuletzt der Dominanz des offenen Kamins in den Innenräumen zu verdanken. Dieser gehört jedoch ebenso wenig zur Standardeinrichtung wie die von der Familie hinzugewählten Halogenspots über der Küchenzeile.Kummer bereitet allenfalls das fehlende Entree, wodurch Besucher sogleich »mitten im Leben« stehen.
Wider die Trostlosigkeit der Satellitenstädte
Kleine beschauliche Wohngebiete mit Schule, Gemeinschaftszentrum und Grünflächen haben in der schwedischen Stadtplanung Tradition. Doch die Bausünden des sozial ausgerichteten Funktionalismus sind in der Vorstadt Sollentuna noch allgegenwärtig: Die tristen Wohntürme und Hochhaussiedlungen des sogenannten »Millionenprogramms« aus den sechziger Jahren wurden zu Symbolen für gescheiterte Integration, Einsamkeit und Verwahrlosung, für den sozialen Abstieg auch der Mittelklasse. Noch immer ist der schwedische Bausektor von Großformatigkeit und Monokultur geprägt, sowohl bei Bauunternehmen als auch bei Architekturbüros. In der heutigen, relativ begrenzten Produktion sind die architektonischen Ambitionen dennoch oft sehr hoch angesetzt. Man baut vor allem in exklusiven Lagen, was auch gesteigerte Ansprüche an den Wohnkomfort bedingt.Der Architekt Kjell Forshed ist selbst ein Anhänger des organischen Städtebaus Camillo Sittes und des kleinen, menschlichen Maßstabs. Im vorigen Jahr hielt er auf der Konferenz des New Urbanism in Philadelphia einen viel beachteten Vortrag. Forshed freut sich über die wachsende Lust seiner Kundschaft am Wohnen im Grünen: »Moderne Architektur sollte in erster Linie ein sinnliches Erlebnis sein.« Und Platz dafür gibt es in Schweden noch genug.
Mit ihrem organisch geschwungenen Entwurf setzten sich die Architekten Kjell Forshed und Ludmilla Larsson 2001 im Wettbewerb der Gemeinde gegen zahlreiche Mitbewerber durch. »Unser Ziel war, die Gebäude harmonisch und mit viel Gespür für den wilden Charakter der Landschaft einzubetten«, erläutert Larsson. So gehen die Holzterrassen der sogenannten Souterrain-Häuser nahtlos in den umgebenden Kiefernwald über. Gärten sind, zum Leidwesen mancher Bewohner, nicht vorgesehen.Baustart für das Projekt Östra Kvarnskogen war im Frühjahr 2004, die letzten Häuser wurden im Herbst 2005 bezogen. In der Hügellandschaft haben die Bewohner schon ihre Spuren hinterlassen: In Eigeninitiative wurden Büsche gepflanzt und Trockenmauern errichtet. Östra Kvarnskogen zieht vor allem junge Familien mit Kindern und Berufspendler aus Stockholm an, so dass die Siedlung trotz ihrer isolierten Lage recht lebendig wirkt. Fast alle Bewohner sind Eigentümer ihrer Häuser. Für die zahlreichen Kleinkinder im Quartier wurde eigens eine Kita eröffnet. Geschäfte und öffentliche Einrichtungen sind in akzeptablem Abstand auch zu Fuß zu erreichen.
Engagierter Bauträger als Ideengeber
Die Stockholmer Architekten Brunnberg&Forshed sind mit ihren vielen jungen Mitarbeitern eines der führenden Büros im Wohnungsbau der Hauptstadt, ja des Landes. Kjell Forshed beschreibt die Zusammenarbeit mit dem Bauträger Folkhem als eine ungewöhnliche und überaus fruchtbare Symbiose. Folkhem-Gründer Sven-Harry Karlsson mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Baubranche wirkt als Ideengeber der Architekten und zeichnet eigene Entwürfe. Als Ausgangspunkt für die Detailplanung dient ein gutes Dutzend erprobter Haustypen, die in Absprache mit den Architekten nach den lokalen Erfordernissen erweitert und angepasst werden. Auch bei der baulichen Umsetzung mit eigenen Handwerkern macht das Unternehmen strenge Vorgaben. »Bei den Fassaden und der Gebietsplanung haben wir aber freie Hand«, betont Forshed. Die Partner verbinde neben dem Interesse an innovativen Raumlösungen auch der gemeinsame Anspruch an einen allgemein hohen Baustandard und die sorgfältige Auswahl der Materialien. »Bei vielen Projekten muss der Architekt um jedes Detail ringen oder mit Kompromissen leben. Mit Folkhem ist das anders, weil man dort gerade auf ausgefeilte Detaillösungen größten Wert legt.« So gehört die Fußbodenheizung in Folkhem-Häusern zum Standard. Der Verzicht auf Heizkörper ermöglicht raumhohe Fenster und schafft mehr Spielräume für die Möblierung. Das Energiekonzept folgt dem Modell des Passivhauses: gut gedämmte Außenwände, Boden- und Dachkonstruktionen, doppelt verglaste Fenster und eine kontrollierte Be- und Entlüftung sollen die Heizkosten im Rahmen halten. Allerdings haben sich die im europäischen Vergleich noch überaus moderaten Energiepreise in Schweden bislang kaum auf die architektonische Planung ausgewirkt. Eine schwierige statische Aufgabe war die Konstruktion der frei schwebenden Gebäude am Südrand der Siedlung. Sie ruhen auf hölzernen Plattformen mit acht Metern Kantenlänge. Die stählernen Stützpfeiler wurden bis zu 12 Meter tief ins Granitgestein getrieben. Diagonale Querstreben steifen die Konstruktion aus.
»Wie im Vogelnest«: Wohnerfahrungen
Jennifer Carlsson bewohnt eines dieser Stelzenhäuser gemeinsam mit ihrem Mann und zwei kleinen Söhnen. »Wir fühlen uns wie im Vogelnest«, lacht sie und führt den Gast hinaus auf die Terrasse, von der sich ein Panoramablick auf die Hügellandschaft und die Nachbarhäuser bietet. Das rhythmische Klopfen eines Buntspechts schallt aus dem Unterholz, eine Katze schleicht um die Rabatten. »Die schlichte Eleganz gefällt uns gut. Alles ist sehr gut verarbeitet. Die Kinder können im Wald spielen und haben es nicht weit zur Schule.« 110 Quadratmeter Wohnraum verteilen sich auf ein Wohnzimmer im Erdgeschoss sowie drei Schlafzimmer in der oberen Etage. Auf die Trennwand zur Küche wird in Schweden gern verzichtet, so dass die Sonne im Winter quer durch die ganze Wohnung fällt. Die Wohnbereiche sind durch eine zentrale Wendeltreppe verbunden. Die gemütliche Atmosphäre ist nicht zuletzt der Dominanz des offenen Kamins in den Innenräumen zu verdanken. Dieser gehört jedoch ebenso wenig zur Standardeinrichtung wie die von der Familie hinzugewählten Halogenspots über der Küchenzeile.Kummer bereitet allenfalls das fehlende Entree, wodurch Besucher sogleich »mitten im Leben« stehen.
Wider die Trostlosigkeit der Satellitenstädte
Kleine beschauliche Wohngebiete mit Schule, Gemeinschaftszentrum und Grünflächen haben in der schwedischen Stadtplanung Tradition. Doch die Bausünden des sozial ausgerichteten Funktionalismus sind in der Vorstadt Sollentuna noch allgegenwärtig: Die tristen Wohntürme und Hochhaussiedlungen des sogenannten »Millionenprogramms« aus den sechziger Jahren wurden zu Symbolen für gescheiterte Integration, Einsamkeit und Verwahrlosung, für den sozialen Abstieg auch der Mittelklasse. Noch immer ist der schwedische Bausektor von Großformatigkeit und Monokultur geprägt, sowohl bei Bauunternehmen als auch bei Architekturbüros. In der heutigen, relativ begrenzten Produktion sind die architektonischen Ambitionen dennoch oft sehr hoch angesetzt. Man baut vor allem in exklusiven Lagen, was auch gesteigerte Ansprüche an den Wohnkomfort bedingt.Der Architekt Kjell Forshed ist selbst ein Anhänger des organischen Städtebaus Camillo Sittes und des kleinen, menschlichen Maßstabs. Im vorigen Jahr hielt er auf der Konferenz des New Urbanism in Philadelphia einen viel beachteten Vortrag. Forshed freut sich über die wachsende Lust seiner Kundschaft am Wohnen im Grünen: »Moderne Architektur sollte in erster Linie ein sinnliches Erlebnis sein.« Und Platz dafür gibt es in Schweden noch genug.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel