Bauwerk
Reihenhausgruppe in München-Schwabing
Ingo Bucher-Beholz - München (D) - 2006
Vielfalt nur in der Wohn-Einheit
Normale Reihenhäuser sind Theo Peter ein Graus: Innen hätten sie in der Regel uniforme Standardgrundrisse, außen würden sie hingegen »pseudo-inidividuell aufgemöbelt«. Mit seinen Projekten für Baugemeinschaften geht Peters Bauzeit-Netzwerk gerade den umgekehrten Weg: Wesentlich sei, dass die Häuser innen zukünftigen Bedürfnissen gerecht würden – und außen »zeitlos schön« blieben. Dieses Attribut hob Peter auch in den Inseraten für die neun Einheiten am Ackermannbogen besonders hervor.
8. Februar 2008 - Christoph Gunßer
Es klingt wie Musik in den Ohren anspruchsvoller Architekten, denen die »Aneignung« ihrer »Werke« durch »ungeschulte« Bewohner oft überhaupt nicht passt. Leider sind sie in der Regel ziemlich machtlos, wenn ihre Häuser durch Zierrat und Zutaten verhunzt werden. Nicht so bei Peters Häusern: Er wirbt seine Bauherren jeweils mit einem fertigen, ausgeklügelten Gebäudekonzept eines namhaften Architekten an und prüft im persönlichen Gespräch, ob sie sich für das Konzept eignen. Und er legt vertraglich fest, dass sie es mit zu tragen haben. Für die neun Reihenhäuser hieß das konkret, dass nach Wohnungseigentümergesetz faktisch jede Änderung am äußeren Erscheinungsbild der Zustimmung von mehr als zwei Dritteln der Eigentümer und – über 15 Jahre hin – auch der des Architekten – bedarf. Der gelernte Bankkaufmann Peter ist also weit mehr als ein Moderator: »Die beste Demokratie ist ein guter König«, sagt der Generalbevollmächtigte der Projektgesellschaft Solarreihenhäuser am Ackermannbogen, Anfang 60, mit einem Schuss Zynismus und einer klaren Vision von nachhaltiger Architektur.
»Zeitlos schöne Häuser in Holz und Glas«
Der Architekt Ingo Bucher-Beholz hat schon vor zwanzig Jahren Theo Peters Haus am Starnberger See geplant, damals noch als Mitarbeiter von Schaudt Architekten aus Konstanz. Er ist bekannt für seine filigranen Strukturen in Stahl, Holz und Glas. So entwickelte er auch für den engen Rahmen am Ackermannbogen eine leichte, modulare Architektur, die sich nüchtern und kühl zwischen den alten Baumbestand fügt. In ihrer Klarheit und Rigidität hebt sie sich deutlich von den drei kleinteiligen »Stangen« der anderen Baugruppen in ihrem Rücken ab. Banale Fenster, die das Haus als Wohnhaus lesbar machen und den menschlichen Maßstab herstellen würden, gehen in der Glashaut auf oder werden von dem umlaufenden Schirm aus Alu-Lamellen verhüllt. Ganz im modernen Sinne hat man es hier mit einer »machine for living« zu tun, effizient, abstrakt, minimalistisch maßstabs- oder eben »zeitlos«. Wer weiß schon, wie man in wenigen Jahrzehnten wohnen oder besser: »Wohnen« repräsentieren will?
Doch das ist nur die dauerhafte Hülle, sozusagen die Hardware. Innen ist der filigrane Quader so offen und großzügig bespielbar, wie es bei vier Meter fünfundachtzig Achsmaß und gut elf Metern Tiefe nur möglich sein kann. Zwischen den Schotten aus Beton bestehen die Wohneinheiten aus einem Holz-Stahlskelett, das den Grundriss quer in eine schmale Erschließungs- und eine Wohnzone, längs in drei gleich große Zonen teilt. So entstehen in den Obergeschossen gut nutzbare 16 Quadratmeter-Zimmer. Die Crux der reinen Nordorientierung wird durch Oberlichter, Innenverglasungen und große Fenstertüren wenn auch nicht gelöst, so doch abgemildert. Dafür öffnen sich die Solarreihenhäuser voll verglast zur Südsonne. Den acht Zentimeter dünnen, teils modular demontierbaren Brettschichtholzdecken fehlt indes die Speichermasse, um passive Gewinne effektiv zu speichern (Peter: »Wir sind keine Technik-Freaks.«). Ein – einheitlicher – Sonnenschutz vor der Fassade war nötig und eine leistungsfähige Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung: Alle Leitungen sind selbstbewusst in einem frei im Raum stehenden, 45 cm mächtigen Wickelfalzrohr untergebracht. Mit (meist großzügig rahmenloser) Dreischeibenverglasung, dachintegrierter Vakuumröhrensolaranlage und zentraler Pelletsheizung erfüllt das Gebäude den KfW40-Standard. Auf baubiologische Ausführung wurde Wert gelegt. Ob die Ökobilanz Alu-Lamellen rechtfertigt, sei dahingestellt – beim Nachfolgeprojekt in Neu-Riem verwenden die Architekten ein Schuppenkleid aus Schiefer. Die rationelle Konstruktion glich jedenfalls die extrem hohen Grundstückskosten in diesem frei finanzierten Teil des Entwicklungsgebietes etwas aus.
Begehrte Vorstadt in der Stadt
Reihenhäuser im Norden Schwabings, direkt an der »großen Wiese« des Siedlungsmodells gelegen, mit (noch?) freier Aussicht, für rund 500.000 Euro inklusive Küche – klar, dass es Theo Peter nicht schwer fiel, Interessenten für sein Gebäude zu finden. Auch ohne große gruppendynamische Prozesse hat sich offenbar eine stabile Nachbarschaft auf hohem Niveau entwickelt. Unter anderem wohnen hier ein Webdesigner, ein Rechtsanwalt, ein Unternehmensberater, ein Musiker und ein Architekt, der seine Einheit als »white cube« erwarb und selbst ausbaute, überwiegend im Familienverbund: 15 Kinder gibt es hier inzwischen, bemerkenswert eingedenk der Tatsache, dass nur noch in 16 Prozent der Münchener Haushalte Kinder leben. Gleich nebenan liegt eine Kita, der zu achtzig Prozent mit Tiefgaragen unterkellerte neue Stadtteil bietet viel Platz für Kinder, wenn er auch stadträumlich zwischen Wohnwegen und (sehr) großer Wiese eine mittlere, »urbane« Ebene vermissen lässt.
Die Differenzierung der Einheiten begann bereits in der Planungsphase: Einzelne Module wurden je nach Bedarf unterschiedlich platziert (Bäder, Küchen, Galerien). Es gibt auch eine funktionierende Wohngemeinschaft von Theo Peters erwachsenem Sohn. Andere Konstellationen, etwa, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sind aber denk- und machbar. Das Konzept hat sich bewährt. Die Bewohner klagen nur über Ausführungsmängel, etwa beim Parkettboden, beim undichten Dach oder dass es vom Betonvordach auf die Schwelle tropft, da dieses, architektonisch nachvollziehbar, vom Hauptbaukörper abgesetzt wurde.
Eine fast niederländische Offenheit prägt die Eingangsbereiche am engen Wohnweg, wer will, kann quer durch die Häuser hindurch in den Garten blicken. Dort nimmt das Grün, wo man es lässt, vom Gebäude Besitz, klimmt und klettert die filigrane zweite Schicht der Südfassade hinauf, was ihr ein wenig die serielle Strenge nimmt (und zur nötigen Verschattung beiträgt). Unbezahlbar ist die Schirmherrschaft der alten Laubbäume über den Komplex, eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als hier inmitten von Kasernen schon mal eine grüne Lunge lag. Gut möglich, dass Bäume und – einheitliche – Hecken bald noch eine verbaute Aussicht verbergen müssen. Denn vis-à-vis an der Erschließungsstraße könnte ein Supermarkt mit Parkdeck entstehen – gewiss ein noch wichtigerer Grund für die Bewohner, sich zu organisieren, als dem aktuellen Ansinnen eines Mitbewohners, einen Kaminzug für die eigene Feuerstelle einzubauen, entgegenzutreten.
Das Baugruppenmodell war im Übrigen hier so erfolgreich, dass die Stadt im südlich anschließenden, vierten Bauabschnitt des Entwicklungsgebietes eine Neuauflage plant. »Fans« der Solarreihenhäuser haben bereits bei Theo Peter angefragt.
Nischenkonzept mit Zukunft
Als »Verkäufer von Nachhaltigkeit« hat Theo Peter mit seinem Bauzeit-Netzwerk offenbar einen guten Riecher gehabt. Indem er Materialien und Architektur zum Thema macht und dabei, wie die Moderne von einst, auch moralisch argumentiert (»Understatement« statt Selbstinszenierung), erreicht er eine gebildete, kultivierte Klientel, die innovative Architektur mit zu tragen bereit ist. Während andere professionelle Anbieter von Baugruppenprojekten inzwischen eher die Kostenersparnis in den Vordergrund stellen, ergibt sich diese bei Peters Projekten eher nebenbei – durch klare, modulare Architektur ohne individuelle, neureiche Extras.
Doch besetzt er damit wohl eher eine Nische, die sehr von der Aufgeschlossenheit der Großstadt zehrt. Schon in Neu-Riem weckt Bucher-Beholz` strukturell identisches, nur ost-west-orientiertes Reihenhaus-Ensemble nicht dieses starke Interesse, muss Peter ganz anders auftreten.
Die Architekten sind verständlicherweise des Lobes voll für einen so standhaften Förderer und Verfechter ihrer Ideen. Gerade den innovativsten Büros fehlen seit Jahren die Wettbewerbe, um Aufträge zu akquirieren. Viele Architekten sind nicht bereit und nicht fähig, ihre Ideen potenziellen Bauherren zu vermitteln, sie verfügen nicht über das nötige kaufmännische und juristische Know-how, um ihre Projekte selbst zu vermarkten. Und sie haben keine Lust, sich von Bauträgern gängeln zu lassen. Theo Peters kleines regionales Netzwerk wird deshalb so mit Anfragen überhäuft, dass er noch für dieses Jahr die Vergabe von Lizenzen plant.
»Zeitlos schöne Häuser in Holz und Glas«
Der Architekt Ingo Bucher-Beholz hat schon vor zwanzig Jahren Theo Peters Haus am Starnberger See geplant, damals noch als Mitarbeiter von Schaudt Architekten aus Konstanz. Er ist bekannt für seine filigranen Strukturen in Stahl, Holz und Glas. So entwickelte er auch für den engen Rahmen am Ackermannbogen eine leichte, modulare Architektur, die sich nüchtern und kühl zwischen den alten Baumbestand fügt. In ihrer Klarheit und Rigidität hebt sie sich deutlich von den drei kleinteiligen »Stangen« der anderen Baugruppen in ihrem Rücken ab. Banale Fenster, die das Haus als Wohnhaus lesbar machen und den menschlichen Maßstab herstellen würden, gehen in der Glashaut auf oder werden von dem umlaufenden Schirm aus Alu-Lamellen verhüllt. Ganz im modernen Sinne hat man es hier mit einer »machine for living« zu tun, effizient, abstrakt, minimalistisch maßstabs- oder eben »zeitlos«. Wer weiß schon, wie man in wenigen Jahrzehnten wohnen oder besser: »Wohnen« repräsentieren will?
Doch das ist nur die dauerhafte Hülle, sozusagen die Hardware. Innen ist der filigrane Quader so offen und großzügig bespielbar, wie es bei vier Meter fünfundachtzig Achsmaß und gut elf Metern Tiefe nur möglich sein kann. Zwischen den Schotten aus Beton bestehen die Wohneinheiten aus einem Holz-Stahlskelett, das den Grundriss quer in eine schmale Erschließungs- und eine Wohnzone, längs in drei gleich große Zonen teilt. So entstehen in den Obergeschossen gut nutzbare 16 Quadratmeter-Zimmer. Die Crux der reinen Nordorientierung wird durch Oberlichter, Innenverglasungen und große Fenstertüren wenn auch nicht gelöst, so doch abgemildert. Dafür öffnen sich die Solarreihenhäuser voll verglast zur Südsonne. Den acht Zentimeter dünnen, teils modular demontierbaren Brettschichtholzdecken fehlt indes die Speichermasse, um passive Gewinne effektiv zu speichern (Peter: »Wir sind keine Technik-Freaks.«). Ein – einheitlicher – Sonnenschutz vor der Fassade war nötig und eine leistungsfähige Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung: Alle Leitungen sind selbstbewusst in einem frei im Raum stehenden, 45 cm mächtigen Wickelfalzrohr untergebracht. Mit (meist großzügig rahmenloser) Dreischeibenverglasung, dachintegrierter Vakuumröhrensolaranlage und zentraler Pelletsheizung erfüllt das Gebäude den KfW40-Standard. Auf baubiologische Ausführung wurde Wert gelegt. Ob die Ökobilanz Alu-Lamellen rechtfertigt, sei dahingestellt – beim Nachfolgeprojekt in Neu-Riem verwenden die Architekten ein Schuppenkleid aus Schiefer. Die rationelle Konstruktion glich jedenfalls die extrem hohen Grundstückskosten in diesem frei finanzierten Teil des Entwicklungsgebietes etwas aus.
Begehrte Vorstadt in der Stadt
Reihenhäuser im Norden Schwabings, direkt an der »großen Wiese« des Siedlungsmodells gelegen, mit (noch?) freier Aussicht, für rund 500.000 Euro inklusive Küche – klar, dass es Theo Peter nicht schwer fiel, Interessenten für sein Gebäude zu finden. Auch ohne große gruppendynamische Prozesse hat sich offenbar eine stabile Nachbarschaft auf hohem Niveau entwickelt. Unter anderem wohnen hier ein Webdesigner, ein Rechtsanwalt, ein Unternehmensberater, ein Musiker und ein Architekt, der seine Einheit als »white cube« erwarb und selbst ausbaute, überwiegend im Familienverbund: 15 Kinder gibt es hier inzwischen, bemerkenswert eingedenk der Tatsache, dass nur noch in 16 Prozent der Münchener Haushalte Kinder leben. Gleich nebenan liegt eine Kita, der zu achtzig Prozent mit Tiefgaragen unterkellerte neue Stadtteil bietet viel Platz für Kinder, wenn er auch stadträumlich zwischen Wohnwegen und (sehr) großer Wiese eine mittlere, »urbane« Ebene vermissen lässt.
Die Differenzierung der Einheiten begann bereits in der Planungsphase: Einzelne Module wurden je nach Bedarf unterschiedlich platziert (Bäder, Küchen, Galerien). Es gibt auch eine funktionierende Wohngemeinschaft von Theo Peters erwachsenem Sohn. Andere Konstellationen, etwa, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sind aber denk- und machbar. Das Konzept hat sich bewährt. Die Bewohner klagen nur über Ausführungsmängel, etwa beim Parkettboden, beim undichten Dach oder dass es vom Betonvordach auf die Schwelle tropft, da dieses, architektonisch nachvollziehbar, vom Hauptbaukörper abgesetzt wurde.
Eine fast niederländische Offenheit prägt die Eingangsbereiche am engen Wohnweg, wer will, kann quer durch die Häuser hindurch in den Garten blicken. Dort nimmt das Grün, wo man es lässt, vom Gebäude Besitz, klimmt und klettert die filigrane zweite Schicht der Südfassade hinauf, was ihr ein wenig die serielle Strenge nimmt (und zur nötigen Verschattung beiträgt). Unbezahlbar ist die Schirmherrschaft der alten Laubbäume über den Komplex, eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als hier inmitten von Kasernen schon mal eine grüne Lunge lag. Gut möglich, dass Bäume und – einheitliche – Hecken bald noch eine verbaute Aussicht verbergen müssen. Denn vis-à-vis an der Erschließungsstraße könnte ein Supermarkt mit Parkdeck entstehen – gewiss ein noch wichtigerer Grund für die Bewohner, sich zu organisieren, als dem aktuellen Ansinnen eines Mitbewohners, einen Kaminzug für die eigene Feuerstelle einzubauen, entgegenzutreten.
Das Baugruppenmodell war im Übrigen hier so erfolgreich, dass die Stadt im südlich anschließenden, vierten Bauabschnitt des Entwicklungsgebietes eine Neuauflage plant. »Fans« der Solarreihenhäuser haben bereits bei Theo Peter angefragt.
Nischenkonzept mit Zukunft
Als »Verkäufer von Nachhaltigkeit« hat Theo Peter mit seinem Bauzeit-Netzwerk offenbar einen guten Riecher gehabt. Indem er Materialien und Architektur zum Thema macht und dabei, wie die Moderne von einst, auch moralisch argumentiert (»Understatement« statt Selbstinszenierung), erreicht er eine gebildete, kultivierte Klientel, die innovative Architektur mit zu tragen bereit ist. Während andere professionelle Anbieter von Baugruppenprojekten inzwischen eher die Kostenersparnis in den Vordergrund stellen, ergibt sich diese bei Peters Projekten eher nebenbei – durch klare, modulare Architektur ohne individuelle, neureiche Extras.
Doch besetzt er damit wohl eher eine Nische, die sehr von der Aufgeschlossenheit der Großstadt zehrt. Schon in Neu-Riem weckt Bucher-Beholz` strukturell identisches, nur ost-west-orientiertes Reihenhaus-Ensemble nicht dieses starke Interesse, muss Peter ganz anders auftreten.
Die Architekten sind verständlicherweise des Lobes voll für einen so standhaften Förderer und Verfechter ihrer Ideen. Gerade den innovativsten Büros fehlen seit Jahren die Wettbewerbe, um Aufträge zu akquirieren. Viele Architekten sind nicht bereit und nicht fähig, ihre Ideen potenziellen Bauherren zu vermitteln, sie verfügen nicht über das nötige kaufmännische und juristische Know-how, um ihre Projekte selbst zu vermarkten. Und sie haben keine Lust, sich von Bauträgern gängeln zu lassen. Theo Peters kleines regionales Netzwerk wird deshalb so mit Anfragen überhäuft, dass er noch für dieses Jahr die Vergabe von Lizenzen plant.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel