Bauwerk

Wohnheim für obdachlose SeniorInnen
Karl Langer, Liane Liszt - Wien (A) - 2007
Wohnheim für obdachlose SeniorInnen, Foto: Manfred Seidl
Wohnheim für obdachlose SeniorInnen, Foto: Manfred Seidl
Wohnheim für obdachlose SeniorInnen, Foto: Manfred Seidl
Wohnheim für obdachlose SeniorInnen, Foto: Manfred Seidl

Ein Obdach mit keckem Dreh

„Wir geben Obdach“ lautet das Motto des Vereins NeunerHaus. Auf einem Eckgrund in Favoriten planten Karl Langer und Liane Liszt mit dem Bauträger GPA-WBV das erste neue Objekt mit 60 betreuten Wohnplätzen.

31. Mai 2008 - Isabella Marboe
Schulden, Scheidung, Arbeitslosigkeit. Viele Wege führen in prekäre Lebenslagen. Ständige Unterkünfte für Obdachlose sind in Wien sehr rar, einige Obdachsuchende kamen sogar schon in geriatrischen Stationen unter. Also beschloss der Fonds Soziales Wien, Wohnplätze für Bedürftige zu fördern - mit 20 Euro pro Tag, Bett und Nase. Diese Wohnform bietet ein Umfeld, in dem man möglichst selbstbestimmt leben kann. Man kann mit Haustieren einziehen, Partnerschaften pflegen und Besuch empfangen. Architektin Liane Liszt ist Mitglied im Verein. Gemeinsam mit Architekt Karl Langer suchte sie für ihr Projekt NeunerHaus einen Bauträger. Die GPA-WBV war bereit, es zu realisieren und hatte auch schon ein Grundstück parat.

Wien Favoriten: Rundum Lochfassaden, im Westen ein Gründerzeitblock, im Süden ein Wohnbau mit Geschäft und nebenan ein kleiner Park. Mit einem kecken Dreh schwingt sich der elegante Neubau über seinem metallenen Sockel ums Eck, ebenso schwungvoll wird die Lochfassade variiert. Vorwitzig tanzen leicht vorstehende französische Fenster in dunklen Metallrahmen über die weiß verputzten Wände.

Wer lang auf der Straße war, muss sich erst wieder ans Wohnen gewöhnen, in die Gemeinschaft integrieren und neue Perspektiven finden. Dabei werden die ehemaligen Obdachlosen von einem Betreuerteam unterstützt. Dessen Büro liegt gleich am Eingang, im runden Eck des Erdgeschoßes. Durchlässige Metallpaneele an der Fassade dienen als Sonnenschutz und sorgen für eine geschützte Arbeitsatmosphäre im Inneren. Wer jedoch lieber im Offenen arbeitet, kann die Lamellen wegschieben. „Eigentlich sind sie immer zu, denn die Architektur soll doch gut aussehen“, sagt Sozialarbeiterin Doris Savvidis, „alles in allem arbeite ich sehr gern da.“

Eigener Rückzugsraum

Wie ein innerer Hauptplatz breitet sich vor der Stiege ein großzügiges Foyer aus. Rot setzt im ganzen Haus vitale Akzente, beispielsweise im Stiegenhaus und an den Möbeln. „Was braucht es, um menschenwürdig zu leben?“, bringt Architekt Langer die Aufgabe auf den Punkt. „Uns war wichtig, dass jeder seine eigenen vier Wände hat und die Tür zusperren kann.“

Kostendruck und Raumbedarf waren sehr hoch. Um die Räume im Untergeschoß vollwertig nutzbar zu machen, wurde im Keller ein Atrium eingeschnitten. An der Glasfassade zum Hof liegt die Kantine, wo man günstig essen kann. Viele treffen sich da, spielen Karten und trinken Kaffee. „Mir gefällt es hier ausgezeichnet. Ich bin froh, dass ich nun meine Ruhe habe“, sagt Kurt aus dem dritten Stock.

Alle Einheiten sind nach Süden und Westen ausgerichtet und machen das Beste aus ihren knapp 20 Quadratmetern. Jede Mini-Wohnung hat Nasszelle, Eichenparkett, eine Kochzeile mit Essplatz und ein raumhohes Fenster. „Wir wollten den Kontakt nach außen verstärken“, so Langer, „man kann sich in die Fensternischen setzen und an der Straße entlang schauen.“ Noch deutlicher sagen es die Bewohner: „Das ist unser Haus. Wir haben ein echtes Wir-Gefühl.“

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