Bauwerk

Wohnhaus Prillinger
lobmaier architekten - Wels (A) - 2006
Wohnhaus Prillinger, Foto: Markus Lobmaier
Wohnhaus Prillinger, Foto: Markus Lobmaier

Manufaktur des Lebensglücks

Die Architekten lobmaierstockinger bewiesen, dass man auch auf einem Industrieareal still und zurückgezogen wohnen kann. Zwischen Lager- und Produktionshallen steht heute das Privathaus des ehemaligen Chefs.

20. Juni 2009 - Sabine Lintschinger
Einen alten Baum verpflanzt man nicht", befand Firmengründer Karl Prillinger mit einem Hang zu großen Metaphern und beschloss kurzerhand, auch nach der Übergabe seiner Firma weiterhin auf dem Betriebsgelände zu wohnen. Ursprünglich war geplant, eine der Wohnungen im alten Vierkanter nebenan auszubauen. Doch das beauftragte Architekturbüro lobmaierstockinger schlug vor, stattdessen gleich ein Haus zu bauen - und zwar im ehemaligen Baumgarten direkt am Firmensitz.

„Wir waren der Meinung, dass trotz der räumlichen Nähe zum Betrieb eine gewisse Privatsphäre gewahrt bleiben sollte“, sagt Architektin Elisabeth Lobmaier. An den beiden Schmalseiten zur Straße und zum Betrieb hin ist das Gebäude daher abgeschottet. „Wir haben auch darauf geachtet, dass man das Gebäude von der Zufahrt aus kaum wahrnimmt“, ergänzt Markus Lobmaier und erklärt damit die Ausrichtung des Gebäudes. Großflächig öffnet sich der Bau lediglich nach Osten und Westen, wo der große Garten liegt.

Den Bauherren kommt die moderne Geisteshaltung, die hinter dem Projekt steckt, sehr entgegen. „Wir wollten ein Haus, das unserem Leben entspricht“, sagen sie, „wir waren sehr offen, nur eine Jodlerburg mit Satteldach und Balkon wollten wir auf keinen Fall.“

Die Sammelleidenschaft Prillingers, der seinen bewegten Lebensweg vom Müllergesellen zum Ersatzteilgroßhändler auch in einem Buch nacherzählt, machte eine Unterkellerung notwendig. Im Archiv befinden sich heute Landtechnikunterlagen mit mehr als 300.000 Belegen. Wer sich für historische Pferderechen oder die allerersten Traktoren interessiert, der wird hier sicher fündig.

Über Tag geht es kubischer zu. Inspiriert von den Arbeiten des britischen Künstlers Paul Noble arbeiteten die Architekten lobmaierstockinger mit ineinandergeschachtelten Würfeln, denen verschiedene Funktionen zugeordnet sind. „Durch die vielen Höhensprünge ergeben sich ganz unterschiedliche Raumqualitäten“, sagen die Architekten. Trotz der verschiedenen Höhen wirkt die Fassade vom Garten aus betrachtet allerdings ruhig.

Innen scheint es, als habe man mit Adolf Loos' Raumplan Schabernack getrieben: Der Wohnbereich ist niedrig, der Arbeitsraum des Hausherrn dagegen etwas höher. Und während die Küche mit wenig Raumhöhe auskommt, geht es im Essbereich wieder großzügiger zu. Den Übergang zum zweigeschoßigen Teil des Hauses bildet ein großzügiger Eingangsbereich mit offenem Luftraum über dem Foyer. Im ersten Stock, wo sich Schlafzimmer, Badbereich und Arbeitszimmer der Baufrau befinden, wird das Spiel mit den Raumhöhen konsequent fortgesetzt.

Lärmschutz gegen Autobahn

Ein wichtiges Thema bei der Planung des 210 Quadratmeter großen Domizils war außerdem der Lärmschutz, denn direkt an das Areal grenzt die Autobahn an. Auf Basis einer radiästhetischen Untersuchung des Grundstücks wurde das Gebäude quasi in den Windschatten des angrenzenden Vierkanters gestellt und mit Dreifachverglasung ausgestattet.

Die Maßnahmen zeigen Erfolg. Weder Autolärm noch die Betriebsamkeit des Betriebes stört in den Innenräumen die Ruhe. „Das Haus könnte funktional nicht besser sein“, freut sich der Bauherr über die gute Arbeit und die erstklassige Betreuung von lobmaierstockinger. Die Erkenntnis nach dem Bauprozess ist beachtlich: „Architekten sollten die Menschen das Wohnen lehren.“

Umgekehrt loben die Architekten die Aufgeschlossenheit ihrer Bauherren. Obwohl beispielsweise eine offene Küche anfangs gar nicht erst infrage kam, entschloss man sich nach einer Geschäftsreise in die USA letztendlich doch noch dafür. Heute zählt der Frühstücksplatz in der Wohnküche zu den Lieblingsplätzen von Karl und Theresia Prillinger. Lediglich eines bereuen die beiden: „Wir hätten früher bauen sollen. Man weiß ja gar nicht, was einem alles entgeht.“

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