Bauwerk
Kunstmuseum Dieselkraftwerk
Anderhalten Architekten - Cottbus (D) - 2007
Kulturkraftwerk
Die Stadt Cottbus kämpft mit Wissenschaft und Kunst gegen den Abstieg
Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.
14. Juni 2008 - Werner Jacob
Kriegszerstörungen und die Vernachlässigung in DDR-Zeiten liessen grosse Teile der Bausubstanz von Cottbus, der mit heute 100 000 Einwohnern zweitgrössten Stadt des Landes Brandenburg, zerfallen. Nun wurden im Rahmen des «Stadtumbaus Ost» der Kern der Innenstadt und einige in ihrer Substanz erhalten gebliebene Randquartiere restauriert. Am Altmarkt beispielsweise wurde die zerbombte Ruine des historischen Rathauses geschleift und die entstandene Freifläche dem Markt zugeschlagen. Doppelt so gross wie vor dem Krieg und gleichwohl dem Stadtgefüge angemessen, ist dieser von stattlichen barocken, klassizistischen und historistischen Bürgerhäusern und einigen Plattenbauten gesäumte Platz Laufsteg und Agora, wo man flaniert, kommuniziert und isst. Nur am Nordrand erinnert noch etwas Lokalverkehr daran, dass hier die einst von Halle nach Breslau führende «Alte Salzstrasse» den Platz querte.Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.
Niedergang und Aufbruch
Diese ebenso schmucke wie gut funktionierende Platzanlage bildet zusammen mit den angrenzenden Strassen und Gassen die Visitenkarte von Cottbus. Unmittelbar daneben haust der einer desaströsen Ökonomie geschuldete Mangel, und dies, obwohl Textilindustrie und Braunkohleförderung, die einstigen Pfeiler des Wohlstands der Stadt, zu DDR-Zeiten weiterhin prosperierten – so sehr sogar, dass sich die Einwohnerzahl von 55 000 vor dem Krieg bis zur Wende auf 130 000 mehr als verdoppelt hatte. Dies erwies sich als Segen und Fluch zugleich. Um für die vielen neuen Einwohner Siedlungsraum zu schaffen, wurden in den umliegenden Gemeinden Satellitenstädte mit allen nötigen Einrichtungen für Bildung, Konsum, Verkehr und Freizeit erstellt.
Doch nach dem Fall der Mauer verliessen mehr als 30 000 Menschen Cottbus und Umgebung. Obwohl heute den Cottbusern das Stadtgewand längst zu weit ist, wurden hier anfangs die gleichen Fehler gemacht wie allüberall im Osten Deutschlands. Am Stadtrand wuchsen Einkaufszentren, öffentliche Sanierungsgelder flossen in Plattensiedlungen, der Innenstadt blieben Sonntagsreden und Privatinvestoren. Jetzt aber beginnt man das Zentrum wiederzuentdecken. Obwohl sogar an passablen Kundenlagen die Geschäfte schwächeln und Bemühungen, das darbende Gewerbeleben zu stützen, wenig erfolgreich waren, hofft man nun, den Kaufkraftabfluss auf die grüne Wiese zu stoppen. Dazu soll die westliche Innenstadt durch ein Shopping-Paradies belebt werden. Die Carl-Blechen-Carré genannte Anlage wird Ende 2008 mehrere Strassenblöcke im Schatten der alten Stadtmauer einnehmen und 20 000 Quadratmeter Verkaufs- und Freizeitfläche bieten. Dass auch altehrwürdige Namen nicht unbedingt Gütesiegel sind, bezeugt die Fürst-Pückler-Passage neben dem Hauptbahnhof. Eine Nachwendescheusslichkeit in unwirtlichem Niemandsland, das jüngst durch den Abriss weiterer Häuserblocks weiter verunstaltet wurde. So wird das einst quirlige Quartier rund um den Bahnhof wohl für längere Zeit eine Stadtsteppe bleiben.
Nun aber versucht Cottbus sich gegen das vielbeschworene Schrumpfen zu stemmen und innovative «Leuchttürme» zu errichten oder noch funktionierende Bereiche zu reaktivieren. Der grösste Erfolg gelang mit der 1991 gegründeten Brandenburgischen Technischen Universität. Mit 5000 Studenten und 1200 Beschäftigten ist sie für die vorwiegend proletarisch-kleinbürgerlich geprägte Stadt über den Wirtschaftsfaktor hinaus höchst effiziente Imagepolitur – dies nicht zuletzt dank der Architektur. So erhielt die innenstadtnahe Campus-Universität, für die ein ehemaliger Schulkomplex modernisiert und durch Anbauten städtebaulich attraktiv erweitert wurde, mit dem Bibliotheksneubau des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron ein weltweit beachtetes Wahrzeichen. Aber auch mit ihrer in der Wirklichkeit verankerten Internetplattform «Wolkenkuckucksheim» lenkt sie internationale Aufmerksamkeit in die Region. Der dort geführte Diskurs um Architektur und Städtebau wirkt hinein in die Stadt und nutzt diese zugleich als Studienobjekt.
Kunstmuseum im Industriepalast
Beispielhaft nämlich bietet Cottbus die ganze urbanistische Problempalette. Begegnet man dem Bevölkerungsschwund mittlerweile mit Abriss und Rückbau in den aus sozialistischer Zeit stammenden Siedlungen, kann man vor allem in gründerzeitlichen Rand- und Kerngebieten beachtliche Sanierungserfolge vorzeigen. So erscheinen heute zwischen Universität, Innenstadt und Spree ganze Strassenzüge wie aus dem Ei gepellt – mit funktionierenden städtischen Strukturen und kleinen bis mittleren Gewerbebetrieben. Gleichzeitig setzt man auf Kultur.
Als einzige Kommune in ganz Brandenburg besitzt Cottbus eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Bereits in den 1970er Jahren begründet, bezieht diese jetzt ein stattliches Domizil: Ein 1928 nach Plänen von Werner Issel (1884–1974) erbautes ehemaliges Dieselkraftwerk wurde vom Berliner Büro Anderhalten Architekten (Claus Anderhalten, Hubertus Schwabe und Petra Vondenhof) restauriert und in ein ansehnliches Kunstmuseum mit 1200 Quadratmetern Ausstellungsfläche verwandelt. Die backsteinerne Anlage mit ihren Anklängen an die Neue Sachlichkeit und das Art déco erhebt sich malerisch am Amtsteich. Die Maschinenhalle, die Funktionsgebäude und den Turm für abgehende Stromleitungen komponierte Issel zu einem Ensemble unterschiedlich hoher Kuben mit hohen Öffnungen, die an Kirchenfenster erinnern.
Energie und Landschaft
In die ehemalige Turbinenhalle wurde eine zweite Ebene eingezogen; diesen beiden Raumgefügen je ein White Cube als Haus im Haus eingefügt, um so lichtgeschützte Ausstellungsflächen zu schaffen. Das «Schalthaus» wurde entkernt und zu Büros, Cafeteria und Ausstellungsräumen umgestaltet. Denkmalgerecht gestalteten die Berliner Architekten die Anlage um, überglasten einen Innenhof zum eleganten Entrée und akzentuierten Baudetails wie Gitter und Fensterrahmen durch eine dem Original verpflichtete Farbgebung in Signalrot und Preussischblau. Obwohl die Beleuchtung der nicht von Tageslicht erhellten Räume kaum zu überzeugen vermag, darf das Kunstmuseum Dieselkraftwerk als ein repräsentatives Schauhaus bezeichnet werden.
Beispielhaft eingewoben in einen Grüngürtel, dürfte das Haus zu einem zugkräftigen Magneten der touristisch sich neu definierenden Stadt und Region werden. Weitere Anziehungspunkte sind das 1908 von Bernhard Sehring, dem Architekten des Berliner Theaters des Westens, in einem ungewöhnlich funktionalistischen Jugendstil errichtete, sorgfältig restaurierte Staatstheater sowie das Festival des osteuropäischen Films, welches im 1911 erbauten Filmtheater Weltspiegel gastiert. Besser präsentiert werden könnten die berühmtesten Künstler der Stadt: Hermann Fürst Pückler-Muskau und Carl Blechen. Im Schloss und Park Branitz, dem Alterswerk des Fürsten, wird zwar auch ein ansehnlicher Querschnitt durch das Œuvre des Malers Blechen gezeigt. In ihrer Selbstdarstellung indes wird ihm die Spreestadt nicht gerecht – eine Fehlstelle in der Strategie der kulturellen Vermarktung, mit der Cottbus die städtebauliche Konsolidierung befördern möchte.
Niedergang und Aufbruch
Diese ebenso schmucke wie gut funktionierende Platzanlage bildet zusammen mit den angrenzenden Strassen und Gassen die Visitenkarte von Cottbus. Unmittelbar daneben haust der einer desaströsen Ökonomie geschuldete Mangel, und dies, obwohl Textilindustrie und Braunkohleförderung, die einstigen Pfeiler des Wohlstands der Stadt, zu DDR-Zeiten weiterhin prosperierten – so sehr sogar, dass sich die Einwohnerzahl von 55 000 vor dem Krieg bis zur Wende auf 130 000 mehr als verdoppelt hatte. Dies erwies sich als Segen und Fluch zugleich. Um für die vielen neuen Einwohner Siedlungsraum zu schaffen, wurden in den umliegenden Gemeinden Satellitenstädte mit allen nötigen Einrichtungen für Bildung, Konsum, Verkehr und Freizeit erstellt.
Doch nach dem Fall der Mauer verliessen mehr als 30 000 Menschen Cottbus und Umgebung. Obwohl heute den Cottbusern das Stadtgewand längst zu weit ist, wurden hier anfangs die gleichen Fehler gemacht wie allüberall im Osten Deutschlands. Am Stadtrand wuchsen Einkaufszentren, öffentliche Sanierungsgelder flossen in Plattensiedlungen, der Innenstadt blieben Sonntagsreden und Privatinvestoren. Jetzt aber beginnt man das Zentrum wiederzuentdecken. Obwohl sogar an passablen Kundenlagen die Geschäfte schwächeln und Bemühungen, das darbende Gewerbeleben zu stützen, wenig erfolgreich waren, hofft man nun, den Kaufkraftabfluss auf die grüne Wiese zu stoppen. Dazu soll die westliche Innenstadt durch ein Shopping-Paradies belebt werden. Die Carl-Blechen-Carré genannte Anlage wird Ende 2008 mehrere Strassenblöcke im Schatten der alten Stadtmauer einnehmen und 20 000 Quadratmeter Verkaufs- und Freizeitfläche bieten. Dass auch altehrwürdige Namen nicht unbedingt Gütesiegel sind, bezeugt die Fürst-Pückler-Passage neben dem Hauptbahnhof. Eine Nachwendescheusslichkeit in unwirtlichem Niemandsland, das jüngst durch den Abriss weiterer Häuserblocks weiter verunstaltet wurde. So wird das einst quirlige Quartier rund um den Bahnhof wohl für längere Zeit eine Stadtsteppe bleiben.
Nun aber versucht Cottbus sich gegen das vielbeschworene Schrumpfen zu stemmen und innovative «Leuchttürme» zu errichten oder noch funktionierende Bereiche zu reaktivieren. Der grösste Erfolg gelang mit der 1991 gegründeten Brandenburgischen Technischen Universität. Mit 5000 Studenten und 1200 Beschäftigten ist sie für die vorwiegend proletarisch-kleinbürgerlich geprägte Stadt über den Wirtschaftsfaktor hinaus höchst effiziente Imagepolitur – dies nicht zuletzt dank der Architektur. So erhielt die innenstadtnahe Campus-Universität, für die ein ehemaliger Schulkomplex modernisiert und durch Anbauten städtebaulich attraktiv erweitert wurde, mit dem Bibliotheksneubau des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron ein weltweit beachtetes Wahrzeichen. Aber auch mit ihrer in der Wirklichkeit verankerten Internetplattform «Wolkenkuckucksheim» lenkt sie internationale Aufmerksamkeit in die Region. Der dort geführte Diskurs um Architektur und Städtebau wirkt hinein in die Stadt und nutzt diese zugleich als Studienobjekt.
Kunstmuseum im Industriepalast
Beispielhaft nämlich bietet Cottbus die ganze urbanistische Problempalette. Begegnet man dem Bevölkerungsschwund mittlerweile mit Abriss und Rückbau in den aus sozialistischer Zeit stammenden Siedlungen, kann man vor allem in gründerzeitlichen Rand- und Kerngebieten beachtliche Sanierungserfolge vorzeigen. So erscheinen heute zwischen Universität, Innenstadt und Spree ganze Strassenzüge wie aus dem Ei gepellt – mit funktionierenden städtischen Strukturen und kleinen bis mittleren Gewerbebetrieben. Gleichzeitig setzt man auf Kultur.
Als einzige Kommune in ganz Brandenburg besitzt Cottbus eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Bereits in den 1970er Jahren begründet, bezieht diese jetzt ein stattliches Domizil: Ein 1928 nach Plänen von Werner Issel (1884–1974) erbautes ehemaliges Dieselkraftwerk wurde vom Berliner Büro Anderhalten Architekten (Claus Anderhalten, Hubertus Schwabe und Petra Vondenhof) restauriert und in ein ansehnliches Kunstmuseum mit 1200 Quadratmetern Ausstellungsfläche verwandelt. Die backsteinerne Anlage mit ihren Anklängen an die Neue Sachlichkeit und das Art déco erhebt sich malerisch am Amtsteich. Die Maschinenhalle, die Funktionsgebäude und den Turm für abgehende Stromleitungen komponierte Issel zu einem Ensemble unterschiedlich hoher Kuben mit hohen Öffnungen, die an Kirchenfenster erinnern.
Energie und Landschaft
In die ehemalige Turbinenhalle wurde eine zweite Ebene eingezogen; diesen beiden Raumgefügen je ein White Cube als Haus im Haus eingefügt, um so lichtgeschützte Ausstellungsflächen zu schaffen. Das «Schalthaus» wurde entkernt und zu Büros, Cafeteria und Ausstellungsräumen umgestaltet. Denkmalgerecht gestalteten die Berliner Architekten die Anlage um, überglasten einen Innenhof zum eleganten Entrée und akzentuierten Baudetails wie Gitter und Fensterrahmen durch eine dem Original verpflichtete Farbgebung in Signalrot und Preussischblau. Obwohl die Beleuchtung der nicht von Tageslicht erhellten Räume kaum zu überzeugen vermag, darf das Kunstmuseum Dieselkraftwerk als ein repräsentatives Schauhaus bezeichnet werden.
Beispielhaft eingewoben in einen Grüngürtel, dürfte das Haus zu einem zugkräftigen Magneten der touristisch sich neu definierenden Stadt und Region werden. Weitere Anziehungspunkte sind das 1908 von Bernhard Sehring, dem Architekten des Berliner Theaters des Westens, in einem ungewöhnlich funktionalistischen Jugendstil errichtete, sorgfältig restaurierte Staatstheater sowie das Festival des osteuropäischen Films, welches im 1911 erbauten Filmtheater Weltspiegel gastiert. Besser präsentiert werden könnten die berühmtesten Künstler der Stadt: Hermann Fürst Pückler-Muskau und Carl Blechen. Im Schloss und Park Branitz, dem Alterswerk des Fürsten, wird zwar auch ein ansehnlicher Querschnitt durch das Œuvre des Malers Blechen gezeigt. In ihrer Selbstdarstellung indes wird ihm die Spreestadt nicht gerecht – eine Fehlstelle in der Strategie der kulturellen Vermarktung, mit der Cottbus die städtebauliche Konsolidierung befördern möchte.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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