Bauwerk

Kunst(Zeug)Haus
Isa Stürm Urs Wolf SA - Rapperswil-Jona (CH) - 2008

Drachengrat im Sparrenzelt

18. Juni 2008 - Benedikt Loderer
Was ist ein Zeughaus? Eine Mauerschale, in die Balkenlagen auf Holzpfosten eingestellt sind, und ein fachgeneigtes Sparrendach darüber. Ungedämmt und unbeheizt; ein stattlicher Schuppen von 1904. Von dieser Primitivstufe der Baukonstruktion wurde das leere Zeughaus 2 in Rapperswil-Jona auf die Hochebene Museum gehoben. Die Temperaturschwankungen sollten sich an die von der Versicherung geforderten Grenzen halten, die Sicherheit ist zu gewährleisten, das Licht muss in die grosse Bautiefe hineinfinden. Mit wenig Geld selbstverständlich, obwohl das Gebäude an die hundert Meter lang ist.

Damit ist die Frage nach dem Veredelungsgrad gestellt. Wie roh und rau darf ein Museum sein, wie sehr darf seine Zeughausvergangenheit sichtbar bleiben? Anders herum: Wo investiert man das knappe Geld? Isa Stürm und Urs Wolf, die Architekten, haben sich zur Konzentration entschlossen. Sie schlitzten das Dach auf, genauer, sie setzen dem Mittelteil einen Drachengrat auf. Wie der Rücken eines Untiers schlängelt er sich in einem s-förmigen Doppelbogen des neuen Dachaufbaus über die ganze Länge des Gebäudes. Der Grat steigt, senkt sich in der Mitte und schwillt noch einmal an. Die beiden Bewegungen von auf und ab und von hin und her überlagern sich, dem strengen Achsentakt der Fenster und Tore wurde ein riesiger, organischer Hut aufgesetzt.

Im Innern ist der Drachenkamm ein schwiefwinkliges Sparrenzelt mit eingelassenen Kunststoffbändern, die für Tageslicht sorgen. Es gibt verschiedene Helligkeiten in den Ausstellungsräumen, die Mittelzone kriegt mehr Tageslicht als die Seitenkabinette. Die weiten Durchblicke längs durch den Raum geben dem Museum einen grossen Atem, man fühlt sich auf einem Kunstspaziergang. Die Spannung zwischen dem militärischen Nutzdenken, das das Schrittmass der Pfosten befielt, und dem beschwingten Spiel der freien Form, das dem Einfall der Architekten gehorcht: Das macht aus dem Zeughaus das Museum.

Nur noch die grosse Treppe vom Eingang in den ersten Stock ist ein Eingriff in die Ständerkonstruktion. Sonst wird das Zeughaus möglichst wenig angetastet. Die Böden im Erdgeschoss wurden geflickt, im oberen ein Zementboden eingebracht, die Pfosten und Balkenlagen nur weiss gestrichen. Die Einbauten sind mit weissen Gipswänden eigentlich hineingestellte Möbel – es herrscht eine Hausvatervernunft, die sagt: Alles, was noch brauchbar ist, bleibt. Einzig in den Sanitärräumen haben die Architekten sich einen aufwendigen Minimalismus geleistet: WCs wie aus dem Comic ‹As Found›. Trotz der Kargheit hat das Kunst(Zeug)Haus etwas Feierliches, vielleicht ist das gemeint, wenn man von heiliger Nüchternheit spricht.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

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