Bauwerk
woodstock Einfamilienhaus
GERNER GERNER PLUS. - Wien (A) - 1999
Woodstock in Vienna
Bei ihrem Haus auf dem Schafberg nutzten Andreas und Gerda Gerner nicht nur den Werkstoff Holz optimal, sondern auch die Gunst des Standorts: Durch großflächige Verglasungen kann man den Blick über Wien selbst von der Badewanne aus genießen.
5. Februar 2000 - Liesbeth Waechter-Böhm
Die Spaziergänger staunen. Und diskutieren kopfschüttelnd darüber, daß hier, auf dem Südhang des Schafberges, mitten in einer der massiv gemauerten Einfamilienhauslandschaften, wie man sie in den „grünen“ Stadtrandquartieren gern findet, ein Holzhaus steht. Aber wahrscheinlich sind es gar nicht das Holz und seine so ganz und gar nicht rustikal-jodelnde Verarbeitung, die den Leuten zu schaffen machen. Nein, es ist das viele, großflächig und südseitig eingesetzte Glas.
Unter den jungen Wiener Architektenteams zählen Andreas und Gerda Gerner zu den interessantesten. Man könnte sagen, daß sie „aus der Schule von Helmut Richter“ kommen, daß sie folglich Umgang mit Stahl, Glas und Aluminium pflegen und auf einen sogenannt „zeitgemäßen“ Ausdruck ihrer Bauten Wert legen. Und diese Charakteristik gilt auch jetzt noch, nach ihrem Sidestep in den Holzbau. Denn „Woodstock“ - der bürointerne Codename für das Haus auf dem Schafberg - wird zwar dem Anspruch silbrig schimmernder Metalloberflächen nicht gerecht, aber in solchen Oberflächenimages liegt ja auch nicht die Essenz dieses architektonischen Ansatzes. Ihm geht es vielmehr um den Nutzen, der sich aus bestimmten Materialentwicklungen ziehen läßt, um konstruktive Wahrheit und die Optimierung des Materialaufwandes.
Das Haus ist schlicht. Aber es hat ein intelligentes Konzept. Schon wie es auf dem Südhang steht, ist eine Qualität. Denn die wundervolle Aussicht über Wien kann man hier wirklich genießen, selbst von der Badewanne aus. Und auch das Gelände wurde sinnvoll „modifiziert“. Vor dem dreiseitig umschlossenen Kellergeschoß wurde ein großes Atrium ausgegraben, zu dem sich der Raum mittels Glashaut auf der vierten, der Südseite öffnet.
Der Holzskelettbau hat eine Außenhaut aus unbehandeltem Lärchenholz. Es wurde in großformatigen Platten verlegt, nur an der Betonwand im Norden, die für die nötige Speichermasse sorgt, haben die Architekten eine schmale Lattung gewählt.
Nach Süden, zur Stadt, zum großartigen Panorama schaut viel Glas. Es schiebt sich räumlich als sogenannter „Glaskobel“ aus dem Wohnraum hinaus, es läßt im Obergeschoß gleißendes Licht herein. Hier ist auch ein kleiner Balkon - 1,5 Meter auskragend - an die Konstruktion angeklippt, der sich theoretisch ohne Probleme wieder wegnehmen ließe. „Angeklippt“ ist in diesem Fall übrigens wörtlich gemeint, denn die beiden Elemente, aus denen dieser Balkon besteht, funktionieren wie Wäscheklammern, die an das Tragwerk aufgesteckt sind.
Die großflächigen Verglasungen (bis zu zwei Meter mal 3,60 Meter) haben einen außenliegenden Sonnenschutz. Sie sind nur zum geringen Teil fix, der weitaus größere läßt sich aufschieben. Reizvolles Detail: Vor den Fenstern der mehr privaten Bereiche - etwa der Schlafräume im Obergeschoß - gibt es Holzschiebeläden, die im offenen Zustand unsichtbar in der Fassade verschwinden, die sich aber auch so schließen lassen, daß eine glatte Holzhaut entsteht.
Sieht man sich die Konstruktion etwas genauer an, dann weiß man: Hier hatte der Statiker einiges zu rechnen. Die Stützen im Wohnraum zum Beispiel sind rund. Sie sind genau so dimensioniert, wie es gebraucht wird; das „hölzerne Fleisch“, das bei viereckigen Stützen unnötig mitgeliefert wird, weil es nichts trägt, wurde weggelassen. Auch die „hölzerne Pistole“, die den vorgeschobenen, verglasten Bereich des Wohnraumes trägt, ist nach einem ausgetüftelten Prinzip gelöst. Vom Zuschnitt her zeigt sie genau den Kräfteverlauf: Sie wird dort schmäler, wo sie weniger zu leisten hat. Und sie ist so zwischen zwei Deckenbalken eingespannt, daß im „Glaskobel“ eine stützenfreie Ecke möglich wurde.
Architektonisch war das ein Ziel: den Werkstoff Holz und seine konstruktiven Möglichkeiten auszuloten. Aber sicher ging es auch darum, ein Haus in diese Umgebung zu setzen, das sich wie natürlich gewachsen verhält, das mit seiner Lärchenholzhaut auf ganz selbstverständliche Weise altert.
Die jungen Bauherren haben ein sehr offenes, dabei überaus komfortables und sogar preisgünstiges Haus bekommen. Denn ein Quadratmeterpreis von 18.000 Schilling (1308 Euro) ist nicht überzogen, wenn man bedenkt, daß in dieser Summe auch die Abbrucharbeiten für ein auf dem Grundstück vorhandenes Objekt und die Erdarbeiten für das dem Untergeschoß vorgelagerte Atrium enthalten sind. Ganz davon abgesehen, daß den Bewohnern allerhand zusätzliche Annehmlichkeiten geboten werden, vom Wäscheabwurfschacht aus dem Obergeschoß zur Waschmaschine im Keller bis zu einem Zentralstaubsauger, ebenfalls im Keller, sodaß in den Wohnräumen nur noch der Schlauch angesteckt zu werden braucht und man sich das Herumtragen des ganzen Geräts erspart.
Bleibt die Frage der klimatischen Verträglichkeit. Also jene Frage, an der sich die Meinung der Passanten aufheizt. Die architektonische Antwort darauf fiel so aus, wie es den heutigen Möglichkeiten entspricht: Außenbeschattung, überall querdurchlüftete Räume und vor allem: extrem hochwertiges Glas. Das müßte ausreichen, um selbst bei hochsommerlichen Temperaturen ein angenehmes Raumklima zu garantieren.
Das Haus wurde im Dezember letzten Jahres bezogen. Die Probe aufs Exempel steht also noch aus. Was sich hingegen jetzt schon bemerkbar macht, ist der passive Nutzen der Südorientierung für den Energiehaushalt. Selbst bei ausgesprochen winterlichen Temperaturen schaltet sich die Heizung oft erst abends ein.
Andreas und Gerda Gerner haben aber kein Energiesparhaus im engen Sinn geplant, dafür sind sie mit den Glasflächen viel zu großzügig umgegangen. Dafür nutzt ihr Haus die Gunst des Standortes optimal aus und die heutigen Möglichkeiten mit Holz und Glas. Die Großzügigkeit der innenräumlichen Lösung, ihre Offenheit und Transparenz muß man mögen. Andererseits: Nicht nur Bautechnologien entwickeln sich, unaufhaltsam ändert sich auch das Wohnverhalten. Für die Architektur ist das ein Glück.
Unter den jungen Wiener Architektenteams zählen Andreas und Gerda Gerner zu den interessantesten. Man könnte sagen, daß sie „aus der Schule von Helmut Richter“ kommen, daß sie folglich Umgang mit Stahl, Glas und Aluminium pflegen und auf einen sogenannt „zeitgemäßen“ Ausdruck ihrer Bauten Wert legen. Und diese Charakteristik gilt auch jetzt noch, nach ihrem Sidestep in den Holzbau. Denn „Woodstock“ - der bürointerne Codename für das Haus auf dem Schafberg - wird zwar dem Anspruch silbrig schimmernder Metalloberflächen nicht gerecht, aber in solchen Oberflächenimages liegt ja auch nicht die Essenz dieses architektonischen Ansatzes. Ihm geht es vielmehr um den Nutzen, der sich aus bestimmten Materialentwicklungen ziehen läßt, um konstruktive Wahrheit und die Optimierung des Materialaufwandes.
Das Haus ist schlicht. Aber es hat ein intelligentes Konzept. Schon wie es auf dem Südhang steht, ist eine Qualität. Denn die wundervolle Aussicht über Wien kann man hier wirklich genießen, selbst von der Badewanne aus. Und auch das Gelände wurde sinnvoll „modifiziert“. Vor dem dreiseitig umschlossenen Kellergeschoß wurde ein großes Atrium ausgegraben, zu dem sich der Raum mittels Glashaut auf der vierten, der Südseite öffnet.
Der Holzskelettbau hat eine Außenhaut aus unbehandeltem Lärchenholz. Es wurde in großformatigen Platten verlegt, nur an der Betonwand im Norden, die für die nötige Speichermasse sorgt, haben die Architekten eine schmale Lattung gewählt.
Nach Süden, zur Stadt, zum großartigen Panorama schaut viel Glas. Es schiebt sich räumlich als sogenannter „Glaskobel“ aus dem Wohnraum hinaus, es läßt im Obergeschoß gleißendes Licht herein. Hier ist auch ein kleiner Balkon - 1,5 Meter auskragend - an die Konstruktion angeklippt, der sich theoretisch ohne Probleme wieder wegnehmen ließe. „Angeklippt“ ist in diesem Fall übrigens wörtlich gemeint, denn die beiden Elemente, aus denen dieser Balkon besteht, funktionieren wie Wäscheklammern, die an das Tragwerk aufgesteckt sind.
Die großflächigen Verglasungen (bis zu zwei Meter mal 3,60 Meter) haben einen außenliegenden Sonnenschutz. Sie sind nur zum geringen Teil fix, der weitaus größere läßt sich aufschieben. Reizvolles Detail: Vor den Fenstern der mehr privaten Bereiche - etwa der Schlafräume im Obergeschoß - gibt es Holzschiebeläden, die im offenen Zustand unsichtbar in der Fassade verschwinden, die sich aber auch so schließen lassen, daß eine glatte Holzhaut entsteht.
Sieht man sich die Konstruktion etwas genauer an, dann weiß man: Hier hatte der Statiker einiges zu rechnen. Die Stützen im Wohnraum zum Beispiel sind rund. Sie sind genau so dimensioniert, wie es gebraucht wird; das „hölzerne Fleisch“, das bei viereckigen Stützen unnötig mitgeliefert wird, weil es nichts trägt, wurde weggelassen. Auch die „hölzerne Pistole“, die den vorgeschobenen, verglasten Bereich des Wohnraumes trägt, ist nach einem ausgetüftelten Prinzip gelöst. Vom Zuschnitt her zeigt sie genau den Kräfteverlauf: Sie wird dort schmäler, wo sie weniger zu leisten hat. Und sie ist so zwischen zwei Deckenbalken eingespannt, daß im „Glaskobel“ eine stützenfreie Ecke möglich wurde.
Architektonisch war das ein Ziel: den Werkstoff Holz und seine konstruktiven Möglichkeiten auszuloten. Aber sicher ging es auch darum, ein Haus in diese Umgebung zu setzen, das sich wie natürlich gewachsen verhält, das mit seiner Lärchenholzhaut auf ganz selbstverständliche Weise altert.
Die jungen Bauherren haben ein sehr offenes, dabei überaus komfortables und sogar preisgünstiges Haus bekommen. Denn ein Quadratmeterpreis von 18.000 Schilling (1308 Euro) ist nicht überzogen, wenn man bedenkt, daß in dieser Summe auch die Abbrucharbeiten für ein auf dem Grundstück vorhandenes Objekt und die Erdarbeiten für das dem Untergeschoß vorgelagerte Atrium enthalten sind. Ganz davon abgesehen, daß den Bewohnern allerhand zusätzliche Annehmlichkeiten geboten werden, vom Wäscheabwurfschacht aus dem Obergeschoß zur Waschmaschine im Keller bis zu einem Zentralstaubsauger, ebenfalls im Keller, sodaß in den Wohnräumen nur noch der Schlauch angesteckt zu werden braucht und man sich das Herumtragen des ganzen Geräts erspart.
Bleibt die Frage der klimatischen Verträglichkeit. Also jene Frage, an der sich die Meinung der Passanten aufheizt. Die architektonische Antwort darauf fiel so aus, wie es den heutigen Möglichkeiten entspricht: Außenbeschattung, überall querdurchlüftete Räume und vor allem: extrem hochwertiges Glas. Das müßte ausreichen, um selbst bei hochsommerlichen Temperaturen ein angenehmes Raumklima zu garantieren.
Das Haus wurde im Dezember letzten Jahres bezogen. Die Probe aufs Exempel steht also noch aus. Was sich hingegen jetzt schon bemerkbar macht, ist der passive Nutzen der Südorientierung für den Energiehaushalt. Selbst bei ausgesprochen winterlichen Temperaturen schaltet sich die Heizung oft erst abends ein.
Andreas und Gerda Gerner haben aber kein Energiesparhaus im engen Sinn geplant, dafür sind sie mit den Glasflächen viel zu großzügig umgegangen. Dafür nutzt ihr Haus die Gunst des Standortes optimal aus und die heutigen Möglichkeiten mit Holz und Glas. Die Großzügigkeit der innenräumlichen Lösung, ihre Offenheit und Transparenz muß man mögen. Andererseits: Nicht nur Bautechnologien entwickeln sich, unaufhaltsam ändert sich auch das Wohnverhalten. Für die Architektur ist das ein Glück.
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