Bauwerk

Büro Daniel Fügenschuh
Architekt Daniel Fügenschuh ZT GmbH - Innsbruck (A) - 2008
Büro Daniel Fügenschuh, Foto: Christian Flatscher
Büro Daniel Fügenschuh, Foto: Christian Flatscher

Die glatte Haut rauen Betons

(Fast) unsichtbare Architektur aus dem Geiste der Nicht-Gestaltung: ein Innsbrucker Ein-Raum-Büro als unterirdisches Bauwerk. Über einen Versuch in Purismus, der kaum zu übertreffen ist.

17. Juli 2009 - Liesbeth Waechter-Böhm
In der Architektur gibt es manchmal Lösungen, die würde der Planer keinem anderen Bauherrn zumuten – nur sich selbst. Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem kleinen Objekt, das der Innsbrucker Architekt Daniel Fügenschuh für sein eigenes Büro errichtet hat. Es geht um (fast) unsichtbare Architektur, um ein „Büro unter dem Garten“, wie es in Claudia Wedekinds Baubeschreibung auf der Architekturplattform Nextroom heißt.

Tatsächlich ist der Purismus dieser architektonischen Miniatur kaum zu übertreffen. Der Architekt hat sich einfach alles versagt, was nach Gestaltung aussehen könnte, was die Präzision seines Statements irgendwie beeinträchtigen würde. Keine Frage, dass ein solches Ergebnis nur zu erzielen ist, wenn man die Mittel, die Maßnahmen umso genauer kalkuliert.

Daniel Fügenschuhs Ein-Raum-Büro mit Galerie ist ein unterirdisches Bauwerk. Er hat es in die Hangkante an der Höttinger Auffahrt in Innsbruck eingegraben, in ein Terrain, das sich von Osten nach Westen, entlang der Nordkette zieht. Die Bebauung, die es dort auf dem Plateau gibt, besteht im Wesentlichen aus Stadtvillen, die alle von grünen Gärten umgeben sind. Ein Luxus, der schon seit Langem gefährdet ist, weil die Grundstückseigentümer natürlich alle Möglichkeiten der Verwertung ihrer Immobilien ausnützen wollen. Auf diesen Umstand – oder Missstand – hat der Architekt reagiert. Der tradierte Charakter des Umfelds sollte durch seine Intervention nicht beeinträchtigt werden. Daher ging er unter die Erde.

Auf dem Grundstück, also oben, auf dem Plateau, gibt es eine Stadtvilla, die der Innsbrucker Baumeister Wilhelmi 1914 auf einer Grundfläche von zwölf mal zwölf Metern für sich selbst errichtet hat. 2003 hat Daniel Fügenschuh die Hälfte dieses Objekts zusammen mit einer Kollegin gekauft und durch sehr geschickte, sensible Maßnahmen umgebaut und saniert. Im Grunde hat er die Nutzfläche im Haus verdoppelt, zu den zwei bestehenden Wohnungen kamen noch zwei hinzu, die im ersten Obergeschoß und dem nunmehr ausgebauten Dachboden untergebracht sind. Das Besondere dabei ist, dass diese zusätzlichen Einheiten nicht geschoßweise getrennt sind. Beide wurden so miteinander verschränkt, dass sie sich in die Höhe schrauben; und sie wurden so versetzt, dass jeder der beiden Nutzer die vollen Ausblicksmöglichkeiten zur Verfügung hat. Das hat schon fast raumplanmäßige Eigenschaften und zeigt, wie man mit intelligenten Strategien auch unter engen Bedingungen Raumqualitäten maximieren kann.

Daniel Fügenschuh hatte dort seine Wohnung und sein Büro. Es war allerdings absehbar, dass die Bürosituation langfristig, mit besserer Auftragslage, nicht ausreichen würde. So kam es zum „Büro unter dem Garten“. Denn zur Wohneinheit gehörte auch ein Gartenanteil, und den hat Fügenschuh nun ausgehöhlt. Die Stadtvilla selbst ist ja von oben, vom Sonnenweg her erschlossen. Sein Büro hingegen von der Höttinger Auffahrt, die unten, an der Hangkante, entlang führt. Es gibt dort eine Stützmauer aus Bruchstein, in die er die Glasfassade nahtlos eingefügt hat. Ein Glück ist, dass es hier nach Süden geht – in der Tiefe des Büros sorgt nur ein schmales, nordseitiges Lichtband, das bündig ins Gartenniveau integriert ist, für natürliche Belichtung. Unter dem Büro fand übrigens sogar noch eine Garage Platz.

Was soll man sagen, wenn es so gar nichts an subjektiver, individueller Gestaltung gibt? Wenn der Architekt die Nicht-Gestaltung zum Verwirklichungsprinzip erhebt?

Am Anfang der Baustelle war ein Bagger, und der hat ein gewaltiges Loch gegraben. Immerhin ist die Fassade 10,25 Meter lang und 4,20 Meter hoch – und es geht gute zehn Meter in die Tiefe. Die Decke ist schräg – größte Raumhöhe zirka sechs Meter –, dem Hangverlauf folgend und, wie gesagt, auch in der Tiefe über ein Glasband belichtet, jedenfalls war für eine Galerie Platz.

Fügenschuh hat voll auf das Lieblingsmaterial unserer Architekten (nicht unbedingt von Fremdnutzern) gesetzt. Es ist alles in Sichtbeton. Er hat Fertigteile, Beton-Hohldielen, verwendet, in die werkseits, in den nassen Beton, schon alle Leitungen eingelegt wurden. Das hat eine recht glatte Haut zur Folge, auch wenn Beton naturgemäß eine raue Angelegenheit ist.

Es gibt aber auch Holz, genauer gesagt Lärche, dann gibt es Rohmetall und natürlich auch Glas – vor allem die dreifach verglaste Bürohöhlenfront. Fügenschuh hat Passivhaus-Standard angestrebt und erreicht. Er muss im Winter nicht heizen. Mittels Wärmetauscher ist da heute viel möglich, und in einem Architekturbüro, das ja mehr oder weniger aus Computerarbeitsplätzen mit viel Abwärme besteht (und noch dazu südseitig orientiert ist), sind solche Ansprüche kein großes Problem mehr.

Es gibt immerhin vier Lüftungskreise – Frischluft, Fortluft, Zuluft, Abluft –, die in die Beton-Hohldielen eingelegt sind. Ansonsten hält sich der Aufwand aber in Grenzen. Die Dreifachverglasung der Fassade hat jedenfalls vor allem schallschutztechnische Gründe, es gibt hier ziemlich viel Verkehr.

Trotzdem ist die Akustik in einem solchen Raum ein Thema. Da sitzen jede Menge Mitarbeiter, die womöglich alle gleichzeitig telefonieren. Da können die harten Oberflächen des Sichtbetons zum Problem werden. Deswegen das Holz, sägeraue Lärchenbretter an der Decke. Die Treppe zur Galerie aus massiven Lärchenbohlen – toll! – hat zwar nichts mit akustischen Maßnahmen zu tun, gehört aber zur Strategie der Minimalisierung des Materialkonzepts. Dann gibt es noch einen Teppichboden, der schluckt Schall. Er ist etwas, das so „out“ ist in der heutigen Architektur, dass man schon stutzig wird. Von diesen Rasenflächen für den Innenraum haben wir uns doch alle spätestens in den Siebzigerjahren verabschiedet. Dass einem Architekten, der so etwas Puristisches baut, ausgerechnet ein Spannteppich einfällt, darüber darf man sinnieren. Man sollte wissen, dass er längere Zeit in England war. Dort haben sie es bekanntlich mit dem Rasen, draußen und drinnen.

Es ist pure Architektur, es ist arme Architektur. Dann kommen aber doch Elemente ins Spiel, die mehr sind. Vor allem die Beleuchtung im Büro wurde schon minutiös geplant, sie sitzt bündig in der Decke und veredelt den Raum gewissermaßen. Sie trägt natürlich auch zum guten Arbeitsklima bei – ein Punkt, den Fügenschuh nicht vernachlässigt hat.

Noch eine Kleinigkeit: Es gibt eine Schiebetür in diesem abgemagerten Bau, die wiegt 600 Kilo. Sie können halt nicht anders, unsere Architekten. Es geht irgendwie mit ihnen durch.

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