Bauwerk

Sunny Woods
Beat Kämpfen - Zürich (CH) - 2001

Luxuswohnungen im Solarhaus

Am äussersten Rand von Zürich, beim Rütihofquartier im Stadtteil Höngg, liegt direkt am Waldrand das Mehrfamilienhaus „Sunny Woods“.

1. Juli 2003 - Roderick Hönig
Auf den ersten Blick sieht der viergeschossige Holzbau des Zürcher Architekten Beat Kämpfen aus wie viele andere Mehrfamilienhäuser. Dass sich hinter der schnörkellosen Architektur ein Null-Heizenergie-Haus versteckt, ist aber auch auf den zweiten Blick nicht zu erkennen: Das Haus wirkt weder selbstgestrickt noch hemdsärmlig und schlägt das Vorurteil, dass zeitgenössische Architektur und hoher Wohnstandard mit energiesparendem Bauen nicht unter einen Hut zu bringen seien, in den Wind. Dafür wurde es im Dezember 2002 mit dem schweizerischen und dem europäischen Solarpreis ausgezeichnet.

Die sechs Sechs-Zimmer-Maisonnettewohnungen mit je 230 Quadratmetern Wohnfläche haben eine ausgeglichene Energiebilanz. Das heisst, das Haus verbraucht übers Jahr gerechnet nicht mehr Energie, als es selbst produziert. Der wenige Strom, den es für Heizung, Lüftung und Warmwasser braucht (rund zehn Prozent eines vergleichbaren herkömmlichen Neubaus), wird von der 300 Quadratmeter grossen Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert. «Sunny Woods» erreicht damit Passivhausstandard, das heisst, es verbraucht maximal 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr und produziert diese Energie gleich selbst.

«Sunny Woods» heisst also höchster Wohnkomfort ohne die Zuführung fossiler und nuklearer Energie. Wie das funktioniert? Durch das geschickte Zusammenspiel des Architekten mit dem Energieingenieur und durch das Einhalten einiger grundsätzlicher Regeln. Wichtigstes Prinzip: maximale Ausschöpfung der passiven Sonnenenergie. Diese nutzt Beat Kämpfen nicht mit Hilfe von Hightech-Maschinen, sondern durch architektonische Mittel.

Alle Wohnräume sind gegen Süden orientiert und fast vollständig verglast, gegen Norden gibt es kaum Fenster. Die Dreifachverglasung lässt die Sonnenstrahlen herein, aber die Wärme nicht mehr hinaus: Eineinhalb Stunden Sonne pro Tag reichen aus, um das Haus im Winter auf eine Durchschnittstemperatur von 20 bis 21 Grad zu bringen. Die Sonne heizt den schwarzen Schieferboden auf, der speichert die Wärme wie ein Kachelofen und gibt sie im Lauf des Tages langsam wieder ab. In den Wohnungen gibt es deshalb weder Radiatoren noch eine Bodenheizung. Wenn die Sonnenenergie nicht ausreicht, übernimmt die Luft-Wasser-Wärmepumpe die Energieversorgung. Sie heizt die Räume über die Luft, welche über ein Erdregister unter dem Garagenboden vorgewärmt, im hangseitigen Technikraum auf die benötigte Temperatur gebracht und dann in die Wohnräume geblasen wird.

Die Thermoskanne funktioniert nur optimal in Kombination mit einer kontrollierten mechanischen Lüftung. Diese sorgt tagtäglich lautlos für frische Luft im Haus, ohne die geheizte Luft über das offene Fenster wieder nach draussen ziehen zu lassen. Selbstverständlich können die Fenster trotzdem nach Belieben geöffnet werden. Dank dem effizienten achtfachen Luftaustausch pro Tag ist dies aber nicht nötig, und nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich an diese neue Nutzungsregel.

Wie sieht es nun in einem Haus aus, das nach dem Prinzip einer Thermoskanne gebaut ist? Eigentlich wie in anderen Häusern auch. An der Rückseite des Hauses führen drei kleine Betonbrücken in den Kubus hinein. Immer zwei Maisonnettewohnungen sind übereinandergestapelt. Die Eingangstüren liegen jeweils ein halbes Geschoss höher oder tiefer als Strassenniveau.

Man betritt alle Wohnungen im Schlafgeschoss, wo einen ein grosses Entrée empfängt. Verheissungsvoll schraubt sich in der oberen Wohnung die grosszügige offene Treppe ins luftige Wohngeschoss hinauf und bringt von dort etwas Tageslicht in den eher dunklen, hangseitigen Bereich des Hauses. Vier je 17 Quadratmeter grosse Zimmer, ein grosser Abstellraum und zwei Bäder sind sternförmig um das Entrée angeordnet.

Nicht kleinteilig, sondern weit ist das Wohngeschoss: Der Raum ist bis zu 11 Meter breit und 10 Meter tief und kann frei eingeteilt werden. Loft oder Wohnzimmer mit Büro - alles ist möglich. Atemraubend ist das Panorama: Der Blick öffnet sich übers Limmattal, und bei klarem Wetter sieht man sogar die Gipfel der Berner und der Glarner Alpen. Hier ist die Stadt kaum mehr spürbar. Man meint, auf dem Land zu wohnen. «Aufs Land» führt in der unteren Wohnung auch ein kleines Holzdeck direkt vor dem Wohnzimmer; dort ist das Landschaftserlebnis noch intensiver. Die oberen Wohnungen von «Sunny Woods» besitzen eine grosse Terrasse mit einer kleinen Laube vor dem Wohngeschoss.

Ganz im Sinn des Hauses sind die Balkongeländer: Sie bestehen aus grossen Glasröhren, in welche Warmwasserkollektoren eingebaut sind. Diese Kollektoren sind Kupferröhren mit feinen Metallflügeln, durch die das Brauchwasser geschleust und so von der Sonne erwärmt wird. Die Brüstung ist dank dem Glas halbtransparent, so dass die Durchsicht trotzdem einigermassen gewährleistet ist.

«Sunny Woods» ist ein wichtiger architektonischer Beitrag zum energiesparenden Bauen. Es zeigt eindrücklich, dass weite und helle Räume, hoher Ausbaustandard, wohlkomponierte Raumdramaturgie, kurz: höchster Wohnkomfort auch in einem Energiespar-Mehrfamilienhaus zu verwirklichen sind. Der Wohnkomfort hat seinen Preis: Eine Luxuswohnung im prämierten Solarhaus kostet rund 1,2 Millionen Franken.

Energiesparend heisst aber noch nicht umweltfreundlich. Denn dafür sind neben energetischen Kriterien auch ökologische massgebend. Das Mehrfamilienhaus ist wegen seiner Lage am Stadtrand von Zürich nicht optimal ans öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Bis zur nächsten Busstation sind es rund zehn Minuten zu Fuss. Einer konsequent zu Ende gedachten ökologischen Idee widerspricht auch die grosse unterirdische Parkgarage hinter dem Haus und das darin parkierte Sportauto für den Sonntagsausflug.

«Sunny Woods» ist, trotz allen Anstrengungen im Energiebereich, kein richtiges Ökohaus. Denn ein Drittel der Energie, die in der Schweiz verbraucht wird, wird verfahren. Energiesparendes Bauen heisst deshalb auch, die Stadt dort weiterzubauen, wo sie ans öffentliche Verkehrsnetz gut angeschlossen ist. Denn erst wenn wir bereit sind, den Traum des eigenen Hauses im Grünen aufzugeben, wird ökologischer Städtebau möglich.

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