Bauwerk
Veranstaltungszentrum Bad Radkersburg
Gangoly & Kristiner - Bad Radkersburg (A) - 2009
Wie man ein Zentrum belebt
Wie selbstverständlich schafft es sich Raum – auf Augenhöhe mit dem historischen Bestand: das neue Veranstaltungszentrum in Bad Radkersburg.
23. Mai 2009 - Karin Tschavgova
Die einstige Bedeutung der südost- steirischen Stadt Bad Radkersburglässt sich an ihrem weitgehend intakten historischen Kern, der mittelalterliche Ursprünge hat, ablesen. Bis ins späte 17. Jahrhundert sollte sie ein Bollwerk gegen mögliche Feinde aus dem Südosten sein und verhindern, dass über das südliche Murtal Graz erobert werden kann. Die Grenzziehung als Ergebnis des Friedensvertrags vonSt.Germain brachte die Bezirksstadt nicht nur in eine geografische, sondern auch in eine wirtschaftliche Randlage, aus der sie sich erst befreien konnte, nachdem 1978 die gezielte Suche nach einer Mineralquelle erfolgreich war und die mittlerweile auf etwa 1500 Einwohner geschrumpfte Bezirksstadt zu einem Thermalkurort mutierte.
Jeder Aufschwung hat seinen Preis. Hotels und Pensionen wurden in unmittelbarer Nähe zum Thermalbad errichtet, und die mittlerweile für jede Kleinstadt obligatorische Gewerbezone zog nach. Bauliche Investitionen konzentrieren sich heute am Ortseingang, und weder die übers Jahr gut besuchte Therme noch rund 500.000 Nächtigungen konnten verhindern, dass das historische Zentrum um den Hauptplatz mit seiner geschlossenen Bebauung verödete, dass Geschäfte und Gasthöfe ihre Pforten schlossen und historische Bauten leer stehen.
Genau gegen diese Abwanderung trat die Stadtgemeinde auf, als sie 2003 einen geladenen Wettbewerb für ein Veranstaltungszentrum ausschrieb, das am Hauptplatz liegen und drei denkmalgeschützte Gebäude einbeziehen sollte. Der sorgfältige Umgang mit historischer Bausubstanz – das Hauptgebäude stammt aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts – ist selbstverständliche Basis jeder qualitativen Bewertung. Konsens herrscht heute auch weitgehend darüber, dass die Qualität der Einfügung des Neuen nicht in totaler Anpassung an den historische Bestand besteht, sondern in der Fähigkeit, demNeuen einen eigenständigen, als Zeitschicht ablesbaren Akzent zu geben und den Dialog mit der Umgebung aufzunehmen.
Hans Gangoly, seit 2008 auch Vorstand des Instituts für Gebäudelehre an der Technischen Universität, konnte diesen Wettbewerb für sich entscheiden. Sein Projekt überzeugt, weil es wie selbstverständlich auf dem Vorhandenen aufbaut und sich Raum schafft, bis es gleichberechtigt auf Augenhöhe mit dem Bestand steht. Gleich einer Blume, die spät im Jahr zu wachsen beginnt und doch den Ehrgeiz entwickelt, den anderen in Höhe und Pracht nachzukommen, um gemeinsam eine fein nuancierte, in Farben und Höhen abgestimmte Gesamtschau zu bilden.
Gangoly greift die vorhandenen Kanten eines Veranstaltungsraums, den Riegler Riewefür die Landesausstellung 1998 in den Hof des Renaissancebaus gesetzt hatten, als Rahmen auf und entwickelt um diesen und den Hof, der sich zwischen Altbau und Saal aufspannt, ein mehrgeschoßiges Volumen, das die hofseitigen Arkadengänge einschließt. Der Architekt arbeitet dabei von außen nachinnen, er gliedert den Baukörper nach einer ersten groben Funktionsaufteilung, indem er die Volumina der Nachbargebäude und die Grenzmauern der Parzellen genauer studiert und sein Bauwerk darauf abstimmt. So entsteht ein durch Vor- und Rücksprünge gegliederter Baukörper mit Dachaufbauten und Lichtgaden und einer Zäsur aus Glas im Übergang zwischen Alt und Neu.
Plastische Differenzierung dient der Angleichung – nicht dem Bedürfnis, sich abzuheben oder gar aufzufallen. Das zeigt am besten die Wahl des Hüllmaterials, das mit Ausnahme des Sockels Fassaden und Flachdächer einheitlich überzieht. Es sind Platten aus Cortenstahl, einem Stahl, der durch Luft und Regen einem Rostvorgang ausgesetzt wird, bis seine Oberfläche eine patinierte, samtig matte Oberfläche aufweist, die vor weiterem Rosten schützt. Gangoly beabsichtigt mit diesem Material einerseits, eine Analogie zu den Ziegeldächern herzustellen, die die Altstadt einheitlich überdecken – Farbe und Patina der Oberflächen sind ähnlich –, andererseits kann vermuten, wer den Architekten und seine Arbeiten kennt, dass die Dominanz dieses Materials sogleich jeglichen falschen Eindruck plastischen Gestaltens zurücknehmen soll.
Gangoly übt sich immer in Zurückhaltung. Auch Licht scheint nicht als inszenatorischer Faktor eingesetzt, um ein Detail herauszuheben, den Blick auf etwas Bestimmtes zu lenken oder gar zu dramatisieren. Im Radkersburger Veranstaltungszentrum bremst der Architekt die Wirkung von gezielt gesetztem Licht immer wieder, indem er das einfallende Licht – etwa der Glasüberdachung des neu entstandenen Innenhofs und der Lichtgaden im großen weißen Saal – durch das Anbringen von dichten Reihen vertikaler weißer Stoffbahnen diffus zerstreut. Diese Tücher sind im großen Saal so gesetzt, dass sie sein eigentliches, streng orthogonales Volumen nachzeichnen und die laternenartig aufgesetzten indirekten Belichtungskörper aus dem Blickfeld rücken. Nicht ausblendet wird hingegen der Blick in die Weite. Ein über Eck gesetztes Fensterband erlaubt, den Blick über die Dächer der Altstadt nach Südwesten bis ins nahe Slowenien schweifen zu lassen, eine Bereicherung, die in ihrer Einfachheit höchstanziehend wirkt.
Die zentrale Halle fungiert als Knotenpunkt und Verteiler für sechs kleinere Seminarräume im Altbau und die beiden großen, übereinanderliegenden Säle – den „Schwarzen Saal“ für elektronische Musik, Theater und Kino und den „Weißen“ für Kammermusik und Ballveranstaltungen der Vereine. Beide sollen getrennt bespielt werden können.
Die Farbgestaltung der Halle entstand in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Walter Bohatsch, und der Architekt beschreibt sie als eine der Altstadt angepasste. Das die Arkaden des Altbaus ebenso wie Umgänge, Stützen und Wände des Neubaues gleichförmig überziehende Grau und das charakterlose Mittelbraun des unmittelbar daran anschließenden Hallenbodens sind zumindest gewöhnungsbedürftig. Die Farbe nivelliert hier Vor- und Rücksprünge und nimmt dem Raum Tiefe im Bereich der Arkadengänge. Allzu dominant und visuell beengend wirkt leider auch die Verkleidung der Stiegen- und Galeriebrüstungen – eine blickdichte textile Membran, deren wellenartiger Aufdruck in Blau- und Brautönen wohl das grenzüberschreitende Wasser der Mur symbolisieren soll. Hier, hat man den Eindruck, wäre weniger mehr gewesen. Insgesamt stellt dieses Zentrum eine Bereicherung des historischen Zentrums dar, dem man eine Vitalität wünscht, die auf Kurgäste wie auf Einheimische anziehend wirken muss.
Jeder Aufschwung hat seinen Preis. Hotels und Pensionen wurden in unmittelbarer Nähe zum Thermalbad errichtet, und die mittlerweile für jede Kleinstadt obligatorische Gewerbezone zog nach. Bauliche Investitionen konzentrieren sich heute am Ortseingang, und weder die übers Jahr gut besuchte Therme noch rund 500.000 Nächtigungen konnten verhindern, dass das historische Zentrum um den Hauptplatz mit seiner geschlossenen Bebauung verödete, dass Geschäfte und Gasthöfe ihre Pforten schlossen und historische Bauten leer stehen.
Genau gegen diese Abwanderung trat die Stadtgemeinde auf, als sie 2003 einen geladenen Wettbewerb für ein Veranstaltungszentrum ausschrieb, das am Hauptplatz liegen und drei denkmalgeschützte Gebäude einbeziehen sollte. Der sorgfältige Umgang mit historischer Bausubstanz – das Hauptgebäude stammt aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts – ist selbstverständliche Basis jeder qualitativen Bewertung. Konsens herrscht heute auch weitgehend darüber, dass die Qualität der Einfügung des Neuen nicht in totaler Anpassung an den historische Bestand besteht, sondern in der Fähigkeit, demNeuen einen eigenständigen, als Zeitschicht ablesbaren Akzent zu geben und den Dialog mit der Umgebung aufzunehmen.
Hans Gangoly, seit 2008 auch Vorstand des Instituts für Gebäudelehre an der Technischen Universität, konnte diesen Wettbewerb für sich entscheiden. Sein Projekt überzeugt, weil es wie selbstverständlich auf dem Vorhandenen aufbaut und sich Raum schafft, bis es gleichberechtigt auf Augenhöhe mit dem Bestand steht. Gleich einer Blume, die spät im Jahr zu wachsen beginnt und doch den Ehrgeiz entwickelt, den anderen in Höhe und Pracht nachzukommen, um gemeinsam eine fein nuancierte, in Farben und Höhen abgestimmte Gesamtschau zu bilden.
Gangoly greift die vorhandenen Kanten eines Veranstaltungsraums, den Riegler Riewefür die Landesausstellung 1998 in den Hof des Renaissancebaus gesetzt hatten, als Rahmen auf und entwickelt um diesen und den Hof, der sich zwischen Altbau und Saal aufspannt, ein mehrgeschoßiges Volumen, das die hofseitigen Arkadengänge einschließt. Der Architekt arbeitet dabei von außen nachinnen, er gliedert den Baukörper nach einer ersten groben Funktionsaufteilung, indem er die Volumina der Nachbargebäude und die Grenzmauern der Parzellen genauer studiert und sein Bauwerk darauf abstimmt. So entsteht ein durch Vor- und Rücksprünge gegliederter Baukörper mit Dachaufbauten und Lichtgaden und einer Zäsur aus Glas im Übergang zwischen Alt und Neu.
Plastische Differenzierung dient der Angleichung – nicht dem Bedürfnis, sich abzuheben oder gar aufzufallen. Das zeigt am besten die Wahl des Hüllmaterials, das mit Ausnahme des Sockels Fassaden und Flachdächer einheitlich überzieht. Es sind Platten aus Cortenstahl, einem Stahl, der durch Luft und Regen einem Rostvorgang ausgesetzt wird, bis seine Oberfläche eine patinierte, samtig matte Oberfläche aufweist, die vor weiterem Rosten schützt. Gangoly beabsichtigt mit diesem Material einerseits, eine Analogie zu den Ziegeldächern herzustellen, die die Altstadt einheitlich überdecken – Farbe und Patina der Oberflächen sind ähnlich –, andererseits kann vermuten, wer den Architekten und seine Arbeiten kennt, dass die Dominanz dieses Materials sogleich jeglichen falschen Eindruck plastischen Gestaltens zurücknehmen soll.
Gangoly übt sich immer in Zurückhaltung. Auch Licht scheint nicht als inszenatorischer Faktor eingesetzt, um ein Detail herauszuheben, den Blick auf etwas Bestimmtes zu lenken oder gar zu dramatisieren. Im Radkersburger Veranstaltungszentrum bremst der Architekt die Wirkung von gezielt gesetztem Licht immer wieder, indem er das einfallende Licht – etwa der Glasüberdachung des neu entstandenen Innenhofs und der Lichtgaden im großen weißen Saal – durch das Anbringen von dichten Reihen vertikaler weißer Stoffbahnen diffus zerstreut. Diese Tücher sind im großen Saal so gesetzt, dass sie sein eigentliches, streng orthogonales Volumen nachzeichnen und die laternenartig aufgesetzten indirekten Belichtungskörper aus dem Blickfeld rücken. Nicht ausblendet wird hingegen der Blick in die Weite. Ein über Eck gesetztes Fensterband erlaubt, den Blick über die Dächer der Altstadt nach Südwesten bis ins nahe Slowenien schweifen zu lassen, eine Bereicherung, die in ihrer Einfachheit höchstanziehend wirkt.
Die zentrale Halle fungiert als Knotenpunkt und Verteiler für sechs kleinere Seminarräume im Altbau und die beiden großen, übereinanderliegenden Säle – den „Schwarzen Saal“ für elektronische Musik, Theater und Kino und den „Weißen“ für Kammermusik und Ballveranstaltungen der Vereine. Beide sollen getrennt bespielt werden können.
Die Farbgestaltung der Halle entstand in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Walter Bohatsch, und der Architekt beschreibt sie als eine der Altstadt angepasste. Das die Arkaden des Altbaus ebenso wie Umgänge, Stützen und Wände des Neubaues gleichförmig überziehende Grau und das charakterlose Mittelbraun des unmittelbar daran anschließenden Hallenbodens sind zumindest gewöhnungsbedürftig. Die Farbe nivelliert hier Vor- und Rücksprünge und nimmt dem Raum Tiefe im Bereich der Arkadengänge. Allzu dominant und visuell beengend wirkt leider auch die Verkleidung der Stiegen- und Galeriebrüstungen – eine blickdichte textile Membran, deren wellenartiger Aufdruck in Blau- und Brautönen wohl das grenzüberschreitende Wasser der Mur symbolisieren soll. Hier, hat man den Eindruck, wäre weniger mehr gewesen. Insgesamt stellt dieses Zentrum eine Bereicherung des historischen Zentrums dar, dem man eine Vitalität wünscht, die auf Kurgäste wie auf Einheimische anziehend wirken muss.
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