Bauwerk
WHA Quellenstraße
Ernst Linsberger - Wien (A) - 2008
Grüne Ruhe vor dem Tosen
Entweder Lärm & Leben oder Ruhe weitab vom Schuss? Nicht unbedingt. Ein Mietshaus in Wien-Favoriten versucht den Kompromiss. Eine Gratwanderung zwischen grün und günstig.
7. September 2008 - Franziska Leeb
Wohnen in der Stadt, mittendrin, wo das Leben pulsiert und die Wege zur Erledigung der alltäglichen Notwendigkeiten kurz sind, ist gleichbedeutend mit Leben in Lärm, schlechter Luft und ohne Natur.
Wohnen im Grünen gestaltet sich ruhiger und in besserer Luftqualität, verursacht aber durch die weiten Entfernungen zu den Arbeits- und Ausbildungsplätzen, den Einkaufsmöglichkeiten, medizinischen Einrichtungen und kulturellen Angeboten eben diese Umweltverschmutzungen, unter denen jene, die in der Stadt wohnen, zu leiden haben.
Lebenswerte Wohnungen für Normalverbraucher sind innerhalb der Kernstadt Mangelware. Wer auf städtisches Wohnen mit exzellenter Infrastruktur inklusive dichtem öffentlichem Verkehrsnetz Wert legt und zugleich private Freiflächen in Form von halbwegs brauchbaren Loggien, Terrassen oder gar Gärten als unverzichtbaren Bestandteil seiner Wohnung ansieht, muss tief in die Tasche greifen. Günstig und grün zugleich gibt es fast nur am Stadtrand. Umso bemerkenswerter und wertvoller ist daher jede Verdichtung innerhalb der Stadt, die zu erschwinglichen Mieten und moderaten Baukosten – besonders Letzteres ist ja aktuell ein heißes Thema unter Fachleuten – Wohnungen anbietet, die mit Ruhe, viel Licht und ein bisschen eigenem Grün das Leben im Wirbel der Stadt erträglich machen.
Die verkehrsumtoste Ecke Herndlstraße/Quellenstraße im zehnten Wiener Bezirk scheint für solche Sehnsüchte nicht gerade der ideale Standort zu sein. Der unlängst fertiggestellte kleine Mietwohnungsbau, den Architekt Ernst Linsberger hier im Auftrag der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte errichtet hat, wartet dennoch mit Eigenschaften auf, die an so einem Ort nicht zu erwarten waren.
Am weißen Kubus fallen die im Schachbrettmuster angeordneten Loggien auf. Am Übergang zur Nachbarbebauung an der Herndlgasse sind sie – um der Wiener Bauordnung Rechnung zu tragen – in die Fassade eingeschnitten, ansonsten kragen sie aber als erkerartige plastische Körper aus der weißen Putzfläche aus, akzentuieren den Baukörper und verleihen ihm eine gewisse Präsenz im Stadtbild. Was für die Bewohner aber vermutlich wichtiger ist als das passable Äußere, ist der eigentliche Zweck dieser vor die Fassade gesetzten Körper aus Betonfertigteilen und Glas. Sie gewähren Aussicht, leiten viel Licht in die Tiefe der Grundrisse und schotten durch die doppelte Verglasungsschicht gegen den Straßenlärm ab. Es ist erstaunlich, wie ruhig die Wohnungen dadurch im Inneren sind und wie beim Blick aus den Wohnzimmern das Treiben an der Straße wie ein Stummfilm vorüberläuft.
Schiebefenster an der äußeren Hülle erlauben die vor allem in der heißen Jahreszeit unbedingt notwendige Lüftung der Pufferzone. Die „graue Filterschicht“, wie Linsberger sie nennt, kann aber noch mehr. In etwa der Hälfte der vorkragenden Loggien birgt sie integrierte Pflanztröge, deren Vegetationsfläche sich auf Fußbodenniveau befindet und so das Gefühl vermittelt, ebenerdig ins Grüne gehen zu können. Die an ein Entwässerungssystem angebundenen Erdkoffer sind jeweils 70 Zentimeter tief und erlauben damit auch durchaus ambitionierte Bepflanzungskonzepte. Von Seiten des Bauträgers wurde ein Teil der Tröge bereits bepflanzt, über den Rest wurde vorläufig der Plattenbelag der Loggien weitergezogen. Den Bewohnern steht es frei, den Streifen als grüne Lunge zu aktivieren oder sich für eine größere Loggienfläche zu entscheiden. Wie sich jetzt einige Wochen nach Besiedelung zeigt, eignen sich die Bewohner und Bewohnerinnen die Loggien ganz gut an. In einigen grünt es üppig. Manche ziehen Topfpflanzen der Begrünungdes vorhandenen Troges vor oder konnten sich noch nicht entschließen.
Drei Wohnungen mit durchschnittlich etwas über 90 Quadratmeter Grundfläche fanden pro Geschoß Platz. Jene an den Ecken haben den Bonus, über jeweils mindestens zwei Loggien zu verfügen. Eine davon ist immer weniger tief und fast zur Gänze vom Blumentrog in Beschlag genommen, der aber damit unmittelbarer als Teil der Wohnung wahrgenommen wird. Die andere ist dafür so geräumig, dass auch ein Tisch mit ein paar Stühlen Platz findet. Eine Loggia pro Wohnung ist dabei von zwei Zimmern aus zugänglich – ein einfacher Kniff, um auch in einer Nicht-Luxus-Wohnung ein wenig Großzügigkeit zu erzeugen. Alle anderen Wohnungen haben jeweils eine Loggia an der Straßenseite, zusätzlich auch Fenster zum ruhigen Hof und können gut quer durchlüftet werden.
Man spürt zwar an allen Ecken und Enden, dass gespart werden musste. Besondersedle Details sucht man vergeblich. Aber manspürt auch, dass es dem Architekten gelungen ist, die wichtigsten Elemente in die Realisierung zu retten und das vorhandene Budget dort einzusetzen, wo es für die Gesamtqualität der Wohnungen wirklich wichtig ist. Nichts wäre einfacher gewesen, als die Erdkoffer in den Erkern wegzulassen und einfach gewöhnliche Loggien auszuführen. Vermutlich hätte sich niemand beschwert, weil die kleinen grünen Lungen mangels Wissen um die Möglichkeit niemandem gefehlt hätten. Wahrscheinlich wäre immer noch ein ganz erträglicher Wohnbau übrig geblieben, für den sich auch so Mieter gefunden hätten. Besonders wäre er nicht mehr gewesen, und das Leben an der Kreuzung wäre auch weitaus weniger attraktiv gewesen. Da verzichtete Linsberger schon lieber auf den Bodenbelag im Stiegenhaus, wo die Betontreppen aus Kostengründen einfach einen roten Anstrich erhalten haben.
Es mag schon stimmen, dass manche Extravaganzen im Wohnbau kaum zu finanzieren sind. Deshalb aber gleich von vornherein jede Innovation im Keim zu ersticken und die Wirtschaftlichkeit als oberstes Gut zu propagieren geht an den Notwendigkeiten vorbei. Sicher sind Kisten mit Löchern, ohne Balkone, ohne Gemeinschaftsflächen, ohne Möglichkeit, sich gärtnerisch zu betätigen, billiger als ambitionierte Architekturen, mit all diesen das Wohnen attraktiver machenden Extras. Aber dann treibt es die Leute zwangsläufig aus der Stadt ins Grüne, entweder in eine Siedlung mit schlechter Infrastruktur am Stadtrand oder an die Holzhütte aus dem Baumarkt am niederösterreichischen Baggerteich. Dazu brauchen sie ein Auto, mit dem sie den Lärm und Dreck verursachen, unter dem sie in der Stadt so leiden. Hat irgendjemand schonnachgerechnet, was das an Kosten und Folgeschäden verursacht?
Wohnen im Grünen gestaltet sich ruhiger und in besserer Luftqualität, verursacht aber durch die weiten Entfernungen zu den Arbeits- und Ausbildungsplätzen, den Einkaufsmöglichkeiten, medizinischen Einrichtungen und kulturellen Angeboten eben diese Umweltverschmutzungen, unter denen jene, die in der Stadt wohnen, zu leiden haben.
Lebenswerte Wohnungen für Normalverbraucher sind innerhalb der Kernstadt Mangelware. Wer auf städtisches Wohnen mit exzellenter Infrastruktur inklusive dichtem öffentlichem Verkehrsnetz Wert legt und zugleich private Freiflächen in Form von halbwegs brauchbaren Loggien, Terrassen oder gar Gärten als unverzichtbaren Bestandteil seiner Wohnung ansieht, muss tief in die Tasche greifen. Günstig und grün zugleich gibt es fast nur am Stadtrand. Umso bemerkenswerter und wertvoller ist daher jede Verdichtung innerhalb der Stadt, die zu erschwinglichen Mieten und moderaten Baukosten – besonders Letzteres ist ja aktuell ein heißes Thema unter Fachleuten – Wohnungen anbietet, die mit Ruhe, viel Licht und ein bisschen eigenem Grün das Leben im Wirbel der Stadt erträglich machen.
Die verkehrsumtoste Ecke Herndlstraße/Quellenstraße im zehnten Wiener Bezirk scheint für solche Sehnsüchte nicht gerade der ideale Standort zu sein. Der unlängst fertiggestellte kleine Mietwohnungsbau, den Architekt Ernst Linsberger hier im Auftrag der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte errichtet hat, wartet dennoch mit Eigenschaften auf, die an so einem Ort nicht zu erwarten waren.
Am weißen Kubus fallen die im Schachbrettmuster angeordneten Loggien auf. Am Übergang zur Nachbarbebauung an der Herndlgasse sind sie – um der Wiener Bauordnung Rechnung zu tragen – in die Fassade eingeschnitten, ansonsten kragen sie aber als erkerartige plastische Körper aus der weißen Putzfläche aus, akzentuieren den Baukörper und verleihen ihm eine gewisse Präsenz im Stadtbild. Was für die Bewohner aber vermutlich wichtiger ist als das passable Äußere, ist der eigentliche Zweck dieser vor die Fassade gesetzten Körper aus Betonfertigteilen und Glas. Sie gewähren Aussicht, leiten viel Licht in die Tiefe der Grundrisse und schotten durch die doppelte Verglasungsschicht gegen den Straßenlärm ab. Es ist erstaunlich, wie ruhig die Wohnungen dadurch im Inneren sind und wie beim Blick aus den Wohnzimmern das Treiben an der Straße wie ein Stummfilm vorüberläuft.
Schiebefenster an der äußeren Hülle erlauben die vor allem in der heißen Jahreszeit unbedingt notwendige Lüftung der Pufferzone. Die „graue Filterschicht“, wie Linsberger sie nennt, kann aber noch mehr. In etwa der Hälfte der vorkragenden Loggien birgt sie integrierte Pflanztröge, deren Vegetationsfläche sich auf Fußbodenniveau befindet und so das Gefühl vermittelt, ebenerdig ins Grüne gehen zu können. Die an ein Entwässerungssystem angebundenen Erdkoffer sind jeweils 70 Zentimeter tief und erlauben damit auch durchaus ambitionierte Bepflanzungskonzepte. Von Seiten des Bauträgers wurde ein Teil der Tröge bereits bepflanzt, über den Rest wurde vorläufig der Plattenbelag der Loggien weitergezogen. Den Bewohnern steht es frei, den Streifen als grüne Lunge zu aktivieren oder sich für eine größere Loggienfläche zu entscheiden. Wie sich jetzt einige Wochen nach Besiedelung zeigt, eignen sich die Bewohner und Bewohnerinnen die Loggien ganz gut an. In einigen grünt es üppig. Manche ziehen Topfpflanzen der Begrünungdes vorhandenen Troges vor oder konnten sich noch nicht entschließen.
Drei Wohnungen mit durchschnittlich etwas über 90 Quadratmeter Grundfläche fanden pro Geschoß Platz. Jene an den Ecken haben den Bonus, über jeweils mindestens zwei Loggien zu verfügen. Eine davon ist immer weniger tief und fast zur Gänze vom Blumentrog in Beschlag genommen, der aber damit unmittelbarer als Teil der Wohnung wahrgenommen wird. Die andere ist dafür so geräumig, dass auch ein Tisch mit ein paar Stühlen Platz findet. Eine Loggia pro Wohnung ist dabei von zwei Zimmern aus zugänglich – ein einfacher Kniff, um auch in einer Nicht-Luxus-Wohnung ein wenig Großzügigkeit zu erzeugen. Alle anderen Wohnungen haben jeweils eine Loggia an der Straßenseite, zusätzlich auch Fenster zum ruhigen Hof und können gut quer durchlüftet werden.
Man spürt zwar an allen Ecken und Enden, dass gespart werden musste. Besondersedle Details sucht man vergeblich. Aber manspürt auch, dass es dem Architekten gelungen ist, die wichtigsten Elemente in die Realisierung zu retten und das vorhandene Budget dort einzusetzen, wo es für die Gesamtqualität der Wohnungen wirklich wichtig ist. Nichts wäre einfacher gewesen, als die Erdkoffer in den Erkern wegzulassen und einfach gewöhnliche Loggien auszuführen. Vermutlich hätte sich niemand beschwert, weil die kleinen grünen Lungen mangels Wissen um die Möglichkeit niemandem gefehlt hätten. Wahrscheinlich wäre immer noch ein ganz erträglicher Wohnbau übrig geblieben, für den sich auch so Mieter gefunden hätten. Besonders wäre er nicht mehr gewesen, und das Leben an der Kreuzung wäre auch weitaus weniger attraktiv gewesen. Da verzichtete Linsberger schon lieber auf den Bodenbelag im Stiegenhaus, wo die Betontreppen aus Kostengründen einfach einen roten Anstrich erhalten haben.
Es mag schon stimmen, dass manche Extravaganzen im Wohnbau kaum zu finanzieren sind. Deshalb aber gleich von vornherein jede Innovation im Keim zu ersticken und die Wirtschaftlichkeit als oberstes Gut zu propagieren geht an den Notwendigkeiten vorbei. Sicher sind Kisten mit Löchern, ohne Balkone, ohne Gemeinschaftsflächen, ohne Möglichkeit, sich gärtnerisch zu betätigen, billiger als ambitionierte Architekturen, mit all diesen das Wohnen attraktiver machenden Extras. Aber dann treibt es die Leute zwangsläufig aus der Stadt ins Grüne, entweder in eine Siedlung mit schlechter Infrastruktur am Stadtrand oder an die Holzhütte aus dem Baumarkt am niederösterreichischen Baggerteich. Dazu brauchen sie ein Auto, mit dem sie den Lärm und Dreck verursachen, unter dem sie in der Stadt so leiden. Hat irgendjemand schonnachgerechnet, was das an Kosten und Folgeschäden verursacht?
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