Bauwerk
Pavillon 21 Mini Opera Space
Coop Himmelb(l)au - München (D) - 2010
Don Giovanni und Hendrix im Eis
Kommenden Donnerstag eröffnet in München der temporäre „Pavillon 21 Mini Opera Space“. Coop Himmelb(l)au ließ die Musik erstarren.
19. Juni 2010 - Wojciech Czaja
Es schnürlregnete an jenem bedeutungsvollen Montag, doch der Begeisterung des Auftraggebers tat dies keinen Abbruch. Nikolaus Bachler, einst Burgtheaterchef und nun Intendant der Bayerischen Staatsoper in München, erklomm wohlgelaunt das rote Trottoir, klopfte mit der Faust kräftig gegen das metallene Garagentor und schritt sodann durch das wohl modernste Theaterportal, das man im deutschsprachigen Raum je zu Gesicht bekam.
„Seit dem 19. Jahrhundert wurde in München kein Neubau für darstellende Kunst mehr errichtet“, sprach er vor den Journalisten ins Mikrofon. „Nach 150 Jahren ist dies der erste zeitgenössische Impuls in diesem Kunstbereich. Das ist ein Schrei in Richtung Gegenwart.“ Neuinszenierungen und futuristische Bühnenbilder, das mache man als Intendant natürlich immer wieder, sagte Bachler. Doch im Grunde genommen, versicherte er, sei das nur ein Spiegel seiner Sehnsucht, endlich, endlich, endlich mal neu zu bauen.
Wie ein grantiger, zorniger Meteorit aus dem All schlug der temporäre Opernpavillon mitten auf den Marstallplatz ein. Die Reise aus der Zukunft war lang und eisig, denn die schroffen Kristalle haften dem Klumpen noch wochenlang an. Zwischen Nationaltheater und Leo von Klenzes klassizistischer, ehemaliger Hofreitschule setzte das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au dieses silbergraue Gebilde, das vom 24. Juni bis einschließlich 25. Juli einen Monat lang einen Teil der Münchener Opernfestspiele beherbergen wird.
Die Zacke als akustischer Trick
„Das hat nichts mit Zukunft zu tun, das ist eine Architektur, die ihrer Zeit entspricht“, entgegnet der himmelblaue Pavillonerbauer Wolf D. Prix. „Aber natürlich war das ein herausforderndes Projekt, das nicht leicht zu planen war, weil es ein technisches Paradoxon birgt.“ Gemeint ist die Kunst der Töne: „Um eine gute Akustik hinzukriegen, braucht man normalerweise viel Masse. Ein mobiler Pavillon, der in kürzester Zeit auf- und wieder abgebaut werden muss und der noch dazu schalltechnisch perfekt ist - das ist ein Widerspruch in sich.“
In Zusammenarbeit mit dem Londoner Akustikplaner Arup gelang die zackige Realisierung des Unmöglichen. Während der Aufführungsraum selbst - er fasst je nach Bestuhlung und Bestehung zwischen 300 und 700 Personen - eine einfache Black Box ist, kamen die rechnerischen Errungenschaften der Schalljongleure auf der Fassade zum Einsatz. Prix: „Der Raum bleibt dadurch simpel und flexibel, die Akustikpyramiden sind je nach Aufstellungsort adaptierbar, und natürlich trägt das auch zum Image des Gebäudes bei. Gerade bei einem temporären Bau wie hier muss man einprägsame Bilder erzeugen.“
Und nein, die sonderbaren Aluminium-Spikes, die da nach allen Richtungen ragen, seien nicht nur Blickfänger, versichert Prix in seiner Ansprache. „Die haben auch eine Funktion!“ Durch die eigens entwickelte Geometrie der Pyramiden wird der Straßenlärm an manchen Flächen absorbiert, an manchen reflektiert. Doch nicht nur der Lärm wird abgehalten, sondern auch die Bauteile selbst schwingen dadurch anders, was sich wiederum direkt auf die Akustik im Raum auswirkt.
„Wir haben einige Simulationen durchgeführt. Die Unterschiede waren eklatant.“ Die Inspiration für die eigenwillige Formensprache lieferte übrigens die Musik: Purple Haze von Jimi Hendrix sowie eine Passage aus Mozarts Don Giovanni wurden durch die Computer-Software gejagt und anschließend in eine geometrische Sprache verwandelt. Arthur Schopenhauers berühmter Ausspruch ist damit perfekt in Szene gesetzt: „Architektur ist gefrorene Musik.“ Eiskalt.
Schön und gut, doch für einen temporären Pavillon, der in einem Monat wieder Geschichte sein wird, ist der konzeptionelle und technische Aufwand doch recht mächtig, könnte man an dieser Stelle nun einwerfen. Hier kommt die Finanzierung ins Spiel: Die Baukosten von 2,1 Millionen Euro kommen zu einem Drittel vom Freistaat Bayern, zu einem Drittel aus dem Budget der Bayerischen Staatsoper sowie von kleineren Geldgebern und Sponsoren und zu einem Drittel vom Projektpartner BMW Group / Mini, die auch für den etwas sperrigen offiziellen Namen des Hauses verantwortlich ist: Pavillon 21 Mini Opera Space.
„Ich habe mit Public Private Partnerships, von denen alle Seiten profitieren, überhaupt kein Problem“, sagt Nikolaus Bachler zum Standard, „nicht in wirtschaftlich ausgewogenen Zeiten und schon gar nicht in der Krise.“ Ohne einen potenten Hauptsponsor sei das Projekt niemals zu schaffen gewesen.
Die Münchner selbst können davon nur profitieren: Neben den abendlichen Aufführungen im Rahmen der Opernfestspiele wird der Pavillon auch untertags und in der Nacht genutzt: Auf dem Programm stehen Tanzkurse, Gesangstunden und Yoga, an den Wochenenden verwandelt sich der Kunstraum in einen Clubbing-Tempel mit DJs aus aller Welt: Frankie Knuckles, Paul Oakenfold und DJ TBC. Highlight ist wohl das Mini-Autokino am 19. Juli, bei dem man sich - erraten - in bereitgestellte Minis setzen und der Filmkunst frönen wird.
Um die Baukosten langfristig wieder einspielen zu können, soll der Pavillon nach Abbau an Kultureinrichtungen und Kommunen weitervermietet werden. „Natürlich wird der Mini Opera Space nicht jeden Tag woanders stehen“, sagt Bachler, „das ist ein Gebäude und kein Zirkuszelt.“ Die ersten Interessenten stünden bereits auf der Liste: ein Designfestival in London, eine Messe in Paris, das Theater in Augsburg.
Der Auf- und Abbau des Pavillons dauert zwei Wochen und kostet nach Auskunft der Architekten rund 200.000 Euro. Das gesamte Haus passt in zehn bis zwölf Seecontainer oder auf ebenso viele Lkws mit Tieflader. „Ich wünsche mir nur eines“, sagt Wolf Prix am Ende: „Wenn der Pavillon wieder abgebaut ist, möchte ich, dass den Münchnern etwas fehlt.“
„Seit dem 19. Jahrhundert wurde in München kein Neubau für darstellende Kunst mehr errichtet“, sprach er vor den Journalisten ins Mikrofon. „Nach 150 Jahren ist dies der erste zeitgenössische Impuls in diesem Kunstbereich. Das ist ein Schrei in Richtung Gegenwart.“ Neuinszenierungen und futuristische Bühnenbilder, das mache man als Intendant natürlich immer wieder, sagte Bachler. Doch im Grunde genommen, versicherte er, sei das nur ein Spiegel seiner Sehnsucht, endlich, endlich, endlich mal neu zu bauen.
Wie ein grantiger, zorniger Meteorit aus dem All schlug der temporäre Opernpavillon mitten auf den Marstallplatz ein. Die Reise aus der Zukunft war lang und eisig, denn die schroffen Kristalle haften dem Klumpen noch wochenlang an. Zwischen Nationaltheater und Leo von Klenzes klassizistischer, ehemaliger Hofreitschule setzte das Wiener Büro Coop Himmelb(l)au dieses silbergraue Gebilde, das vom 24. Juni bis einschließlich 25. Juli einen Monat lang einen Teil der Münchener Opernfestspiele beherbergen wird.
Die Zacke als akustischer Trick
„Das hat nichts mit Zukunft zu tun, das ist eine Architektur, die ihrer Zeit entspricht“, entgegnet der himmelblaue Pavillonerbauer Wolf D. Prix. „Aber natürlich war das ein herausforderndes Projekt, das nicht leicht zu planen war, weil es ein technisches Paradoxon birgt.“ Gemeint ist die Kunst der Töne: „Um eine gute Akustik hinzukriegen, braucht man normalerweise viel Masse. Ein mobiler Pavillon, der in kürzester Zeit auf- und wieder abgebaut werden muss und der noch dazu schalltechnisch perfekt ist - das ist ein Widerspruch in sich.“
In Zusammenarbeit mit dem Londoner Akustikplaner Arup gelang die zackige Realisierung des Unmöglichen. Während der Aufführungsraum selbst - er fasst je nach Bestuhlung und Bestehung zwischen 300 und 700 Personen - eine einfache Black Box ist, kamen die rechnerischen Errungenschaften der Schalljongleure auf der Fassade zum Einsatz. Prix: „Der Raum bleibt dadurch simpel und flexibel, die Akustikpyramiden sind je nach Aufstellungsort adaptierbar, und natürlich trägt das auch zum Image des Gebäudes bei. Gerade bei einem temporären Bau wie hier muss man einprägsame Bilder erzeugen.“
Und nein, die sonderbaren Aluminium-Spikes, die da nach allen Richtungen ragen, seien nicht nur Blickfänger, versichert Prix in seiner Ansprache. „Die haben auch eine Funktion!“ Durch die eigens entwickelte Geometrie der Pyramiden wird der Straßenlärm an manchen Flächen absorbiert, an manchen reflektiert. Doch nicht nur der Lärm wird abgehalten, sondern auch die Bauteile selbst schwingen dadurch anders, was sich wiederum direkt auf die Akustik im Raum auswirkt.
„Wir haben einige Simulationen durchgeführt. Die Unterschiede waren eklatant.“ Die Inspiration für die eigenwillige Formensprache lieferte übrigens die Musik: Purple Haze von Jimi Hendrix sowie eine Passage aus Mozarts Don Giovanni wurden durch die Computer-Software gejagt und anschließend in eine geometrische Sprache verwandelt. Arthur Schopenhauers berühmter Ausspruch ist damit perfekt in Szene gesetzt: „Architektur ist gefrorene Musik.“ Eiskalt.
Schön und gut, doch für einen temporären Pavillon, der in einem Monat wieder Geschichte sein wird, ist der konzeptionelle und technische Aufwand doch recht mächtig, könnte man an dieser Stelle nun einwerfen. Hier kommt die Finanzierung ins Spiel: Die Baukosten von 2,1 Millionen Euro kommen zu einem Drittel vom Freistaat Bayern, zu einem Drittel aus dem Budget der Bayerischen Staatsoper sowie von kleineren Geldgebern und Sponsoren und zu einem Drittel vom Projektpartner BMW Group / Mini, die auch für den etwas sperrigen offiziellen Namen des Hauses verantwortlich ist: Pavillon 21 Mini Opera Space.
„Ich habe mit Public Private Partnerships, von denen alle Seiten profitieren, überhaupt kein Problem“, sagt Nikolaus Bachler zum Standard, „nicht in wirtschaftlich ausgewogenen Zeiten und schon gar nicht in der Krise.“ Ohne einen potenten Hauptsponsor sei das Projekt niemals zu schaffen gewesen.
Die Münchner selbst können davon nur profitieren: Neben den abendlichen Aufführungen im Rahmen der Opernfestspiele wird der Pavillon auch untertags und in der Nacht genutzt: Auf dem Programm stehen Tanzkurse, Gesangstunden und Yoga, an den Wochenenden verwandelt sich der Kunstraum in einen Clubbing-Tempel mit DJs aus aller Welt: Frankie Knuckles, Paul Oakenfold und DJ TBC. Highlight ist wohl das Mini-Autokino am 19. Juli, bei dem man sich - erraten - in bereitgestellte Minis setzen und der Filmkunst frönen wird.
Um die Baukosten langfristig wieder einspielen zu können, soll der Pavillon nach Abbau an Kultureinrichtungen und Kommunen weitervermietet werden. „Natürlich wird der Mini Opera Space nicht jeden Tag woanders stehen“, sagt Bachler, „das ist ein Gebäude und kein Zirkuszelt.“ Die ersten Interessenten stünden bereits auf der Liste: ein Designfestival in London, eine Messe in Paris, das Theater in Augsburg.
Der Auf- und Abbau des Pavillons dauert zwei Wochen und kostet nach Auskunft der Architekten rund 200.000 Euro. Das gesamte Haus passt in zehn bis zwölf Seecontainer oder auf ebenso viele Lkws mit Tieflader. „Ich wünsche mir nur eines“, sagt Wolf Prix am Ende: „Wenn der Pavillon wieder abgebaut ist, möchte ich, dass den Münchnern etwas fehlt.“
[ Eröffnung kommenden Donnerstag, 24. Juni, mit dem Stück „Remdoogo. Via Intolleranza II“ von Christoph Schlingensief ]
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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