Bauwerk

Gaislachkoglbahn
obermoser arch-omo - Sölden (A) - 2010
Gaislachkoglbahn, Foto: Markus Bstieler
Gaislachkoglbahn, Foto: Albin Niederstrasser

Wo die Gondeln schlafen gehen

Eine filigrane Konstruktion mit hauchdünner Haut, die mit dem Berg verschmilzt: die Gaislachkoglbahn im Tiroler Sölden. Besser kann man eine Bergstation nicht in Szene setzen.

12. März 2011 - Liesbeth Waechter-Böhm
Das Glück eines klaren, sonnigen Tages, das hatte ich leider nicht. In einem solchen Fall blickt man von der Bergstation der neuen Gaislachkoglbahn auf ein gewaltiges Alpenpanorama, zur Wildspitze, dem höchsten Berg Tirols, auf die Stubaier Alpen und sogar bis zu den Dolomiten. Aber es war auch so unglaublich eindrucksvoll.

Mit der Gaislachkoglbahn – Architektur: Johann Obermoser, Seilbahntechnik: Doppelmayr – hat die Tiroler Tourismusbranche jedenfalls einen wichtigen Schritt vollzogen: Sie hat sich von den gängigen Schemata verabschiedet und auf das Besondere gesetzt. Das ändert an der Systematik der Seilbahntechnik selbst – sie ist übrigens das eigentlich Teure an einer solchen Bahn – nichts, aber eine Art integrative Strategie bei der Arbeit der Techniker von Doppelmayr ins architektonische Konzept von Obermoser wird notwendig gewesen sein...

Was allen drei Stationen gemeinsam ist: Obermoser hat sie als offene, sehr transparente Räume angelegt, relativ roh, aber dem jeweiligen Standort durch dezente Maßnahmen eingepasst. Ihre Hülle ist wirklich nur Haut, ein Schutz für Leute, die sehr winterfest gekleidet sind und die Wärme eines geschlossenen Stationsgebäudes gar nicht brauchen. Das heißt, diese Stationen bestehen, von den notwendigen Nebenräumen und Zusatzeinrichtungen wie Restaurants abgesehen, aus Bahnsteig und sonst nichts. Auf die Akustik wurde sicher wert gelegt, auf den Einstiegskomfort (eben) natürlich auch.

Das Fantastische ist das Material, das Obermoser für die Eindeckung seiner Stationen gewählt hat. Es ist eine Folie, die vollkommen durchsichtig und so dünn (0,25 Millimeter), dabei brandsicher und belastbar (Schnee) ist, dass sie eine sehr minimierte Konstruktion ermöglicht hat. Herzog & de Meuron haben dieses Material als Pölster bei der Allianz-Arena verwendet, Obermoser setzt es flächig ein. Wie Glas, aber doch ganz anders, denn das ist nie farblos und immer körperbildend. Es wäre ohnehin viel zu teuer gewesen und auch zu schwer, die Stahlkonstruktion hätte massiver sein müssen. So hat man sich Tonnen von Material erspart. Überdies: Glas muss immer vollgepickt werden, sonst kommen die Vögel zu Tode. Diese Folie gibt nach. Also ist sie auch für die Naturschützer ein höchst interessantes Experiment. Und: Der Sonneneintrag ist ungewöhnlich gering.

Stadträumlich war die Talstation ein Problem. Sie liegt mitten im verbauten Gebiet von Sölden, und das Erdgeschoß musste unbedingt erhalten werden (Büros, auch Shops et cetera). Obermoser hat einen Betonsockel darübergestülpt und das Stationsgebäude daraufgesetzt. Vorgabe war, dass hier 3600 Passagiere in der Stunde abgefertigt werden können. Und das ist mitten im Ort schwierig, weil es einen sehr langen Bahnsteig (54 Meter) erforderlich macht.

Durch die filigrane Konstruktion und die unglaublich durchsichtige Haut stellt die Station für den Ort jetzt eine Attraktion dar. Man will sich gar nicht vorstellen, was ein massiveres Gebäude seinem Umfeld angetan hätte. Obendrein: Abends stehen die (über 100) Gondeln natürlich still, was bedeutet, sie müssen geparkt werden. Und das tun sie oben, oberhalb des Bahnsteigs, als eine Art Plafond, und der ist beleuchtet. Eine höchst effektvolle Inszenierung.

In der Mittelstation ändert sich das Bild, weil hier eine erste Verteilung der Passagiere stattfindet. Nicht alle, die von unten kommen, fahren ganz nach oben, dafür steigen hier manche ein, die schon eine Abfahrt von der Bergstation hinter sich haben. Wichtig ist, dass man sich jetzt einer Höhe nähert, wo der Permafrost eine Rolle spielt. Daher gibt es weniger Gondeln an der Zahl, aber sie sind bedeutend größer, und man findet mit nur drei Stützen das Auslangen. Man baut hier auf unsicherem Grund, was bei der Bergstation besonders augenfällig wirkt. Das bestehende Restaurant etwa hat sich im Lauf der letzten 20 Jahre über einen Meter gesenkt. Das kann beim Durchgehen ganz schön irritieren.

Der Permafrost: Wenn man auf einem solchen Gelände mehr oder weniger konventionelle Fundamente errichtet und darauf baut, dann schrumpft er, der Boden wird weich, das Gebäude senkt sich. Obermoser hat ein ziemlich intelligentes Konzept entwickelt, eigentlich ein Kammersystem, wo unten der Wind durchpfeift und oben die Station ruht. Obendrein wurden 17 Kontrollpunkte installiert, wo ständig gemessen wird, ob das Gebäude noch in der Waage ist – und je nach Erfordernis bis zu einem Meter austariert werden kann. Die eigentliche Hoffnung liegt aber darin, dass sich die Bodenverhältnisse auf diese Weise stabilisieren.

Bemerkenswert an der Bergstation ist architektonisch-formal, wie sie sich ans Gelände anschmiegt, wie sie mit dem Berg regelrecht verschmilzt. Man hat den Durchblick hinauf zum zehn Meter entfernten Gipfelkreuz, hinunter auf das fantastische Skigebiet, rundum zum dramatischen Bergpanorama. Das ist ein großes Erlebnis.

Die Wirkung von Obermosers Konzept besteht aber vor allem darin, dass er die technischen Installationen – und die haben ja wirklich eine umwerfende Ästhetik, da kann kein Designer mit – und das Leben drumherum zum Inhalt seiner Architektur macht. Das kann man kaum besser in Szene setzen. Aber es lässt sich entwickeln. Die Altbestände sind architektonisch ziemlich grauslich und auch schäbig. Klar, so privilegierte Bedingungen, wie sie Zaha Hadid in Innsbruck zu Füßen gelegt wurden, die gibt es in der landläufigen Tourismusbranche nicht. Da müssen sich die Dinge rechnen. Aber ich glaube, das werden sie auch. Der Ansturm ist jetzt schon sehr groß, und wenn sich das Erlebnis dieser neuen Seilbahn erst einmal weitläufig herumgesprochen hat, dann kann es nur weitergehen. Es könnte ein Gesamt(kunst)werk daraus werden.

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