Bauwerk
Bürogebäude am Praterstern
Architekten Tillner & Willinger - Wien (A) - 2011
Glatter als Glas
Urban, zeitgemäß, großzügig: das neue Bürohaus der ÖBB am Wiener Praterstern. Mit einer Empfangshalle, die den Namen Erlebnisraum ausnahmsweise wirklich verdient.
28. Mai 2011 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eines ist jedenfalls gewiss: Das neue ÖBB-Bürohaus der Architekten Silja Tillner und Alfred Willinger bedeutet für den Wiener Praterstern einen Gewinn. Denn es definiert und beruhigt eine (bahntrassennahe) Seite dieses gewaltigen städtischen Verkehrsknotenpunktes, die früher schlichtweg Ungegend war. Hier stand ein Supermarkt städtebaulich völlig willkürlich in der Gegend herum, eingekreist von Parkplätzen, ein Magnet auch für die Obdachlosen (sie wurden übrigens nicht vertrieben, sie werden lediglich an einem weniger „prominenten“ Ort vom sogenannten Suppenbus bedient).
Es ist ein sehr großes Haus, das die ÖBB da errichtet haben. Ausgelegt für etwa 800 bis 1000 Mitarbeiter, in der Sockelzone zum Praterstern hin auch mit zwei Fremdvermietungen – einem Fitness-Center und demnächst wahrscheinlich einem Handy-Shop. Auf jeden Fall macht dieser Standort Sinn. Denn gleich dahinter, an der Nordbahnstraße, ist das nächste ÖBB-Haus, und schräg gegenüber, Nordbahnstraße 50, ein weiteres, besonders repräsentatives. Mir erscheint das als eine gute Konstellation, denn auch in Zeiten der totalen Vernetzung ist die Möglichkeit zur raschen persönlichen Kommunikation nicht hoch genug einzuschätzen.
Das Haus hat eine lange Geschichte – der Wettbewerb fand 2004 statt, Helmut Richter hat damals konzeptuell noch maßgeblich mitgewirkt –, und es hat einige Mutationen erfahren. Die für mich wichtigste: Der Haupteingang sollte ursprünglich gar nicht am Praterstern liegen, sondern den beiden anderen ÖBB-Gebäuden zugewandt sein. Das wäre allerdings Wahnsinn gewesen.
Da haben nicht nur die Architekten Überzeugungsarbeit geleistet, es wird sich wohl auch bei den ÖBB die Einsicht durchgesetzt haben, dass man dieses Haus nur vom Praterstern aus erschließen kann. Tatsächlich ist es ein Erlebnis, die Freitreppe hinauf- und durch die Drehtür hindurchzugehen. Da ist man mit einer Hofsituation konfrontiert – angenehm möbliert –, die Eindruck macht. Sie ist sehr großzügig und überdacht – nicht mit Glas, sondern mit einem ETFE-Folienkissendach. das ist jenes Material, das „mikroskopisch glatter“ (Willinger) als Glas ist, sich also selbst reinigt und kaum Gewicht hat, wodurch stark minimierte Konstruktionen möglich sind. Dieses Material wurde, wenn man so will, von Herzog & de Meuron in die architektonische Planungswelt eingeführt. Die kürzlich an dieser Stelle besprochenen Seilbahnstationen von Johann Obermoser sind ebenfalls damit gedeckt.
Entscheidend für das Gesamtkonzept war, eine sehr große Baumasse so zu gliedern, dass man sie versteht, dass man sich zurechtfindet. Daher gibt es zwei lange Bürotrakte – entlang der Bahn und der Nordbahnstraße –, deutlich artikulierte Erschließungskerne, die etwas zurückversetzt sind, und Verbindungstrakte, die Allgemeinfunktionen enthalten (Besprechungsräume et cetera). Über die Freitreppe bewältigt man quasi das Sockelgeschoß, um auf der Ebene des ersten Obergeschoßes – insgesamt gibt es sieben – den wunderbaren Innenhof, die großzügige Empfangshalle zu erreichen. Dort steht ein kleines, solitäres Gebäude – die Portiersloge, gleichzeitig 24-Stunden-Unterkunft mit Empfang und Ruheraum. Dieser Hofbereich, oder besser: diese Empfangshalle ist ohne Übertreibung ein Erlebnisraum.
Der gesamte Komplex wurde von den Architekten in relativ einheitliche Materialien gehüllt: selbstverständlich viel Glas, das einen leicht grünlichen Touch hat, Fassadenplatten in Grau, denen man mit gutem Willen auch einen leichten Unterton in Grün attestieren kann, silbrig eloxierte Aluminiumprofile bei den Verglasungen, die deutlich hervortreten, aber auch sehr filigran wirken. Und dann drinnen das, was in einer gelblich-braunen Verschalung ins Auge fällt, irgendwie überraschend im Kontext eines sonst so technoiden Gebäudes: Lattenroste aus zementgebundenen Hartfaserplatten, beschichtet. Man schaut sie an, denkt sich: Na, Holz kann das jedenfalls nicht sein, aber es bringt Wärme in ein sehr zeitgemäßes Gebäude. Tatsächlich war noch im Wettbewerb an eine „metallische“ Lösung gedacht, später sollte es Eiche sein, bei dieser Gebäudeklasse dürfen die Fassaden aber nicht brennbar sein – da ging nicht einmal Eiche. Die Lösung, etwas zu nehmen, das atmosphärisch die Wärme von Holz erzeugt, aber nicht so tut, als wäre es Holz, war sicher richtig.
Die Typologie Bürohaus ist an und für sich nicht sehr interessant. Büros werden aneinandergereiht, Mittelzonen gemeinschaftlich genutzt. Jeder gute Architekt wird sich bemühen, Arbeitssituationen zu schaffen, die zwar natürlich belichtet, aber auch mit Sonnenschutz ausgestattet sind, die klimatisch einfach stimmen. Die Klagen mancher Mitarbeiter über die Transparenz solcher Gebäude darf man getrost vernachlässigen. Diese Angst, bei irgendetwas beobachtet zu werden, das niemand sehen soll, wird durch Vorteil der natürlichen Belichtung bis tief ins Gebäude hinein wettgemacht.
Die Architekten hatten sich mit allerhand Vorgaben auseinanderzusetzen. Einmal war da eine Fernheizleitung, die das Grundstück quert und entsprechende statische Maßnahmen nach sich gezogen hat. Und dann gab es die Auflage eines öffentlichen Durchgangs – der nachts allerdings geschlossen wird – in Fortsetzung einer vorhandenen Passage unter der Bahntrasse. Dieser Durchgang hat immerhin ein Gesicht bekommen, dem man nicht nachsagen kann, dass es einen Restraum artikuliert.
Das Haus – es gibt auch noch ein erdgeschoßig eingeschnittenes Atrium, ein ÖBB-internes großzügiges Restaurant et cetera – hat einen Außenauftritt, der urban, zeitgemäß und großzügig ist. Es wurde allerdings gespart. Die Architekten haben das Budget sogar unterschritten, wenn auch teilweise mit einem weinenden Auge. Dass die gläsernen Lifte im hinteren Gebäudeteil gestrichen wurden, hat letztlich aber nichts mit den definitiven Kosten zu tun (das haben die Architekten rechnerisch überprüft). Es war eine Image-Frage. Den finanziell angeschlagenen ÖBB tut es derzeit gar nicht gut, allzu prominent oder repräsentativ aufzutreten. Und das hatte auf die Architektur Auswirkungen.
Immerhin: Das wundervolle Foliendach über dem Hof – sehr gut querdurchlüftbar, aber im Winter vermutlich niemals Minusgrade –, das ist allein schon seine Realisierung wert. Wäre schade, wenn wir so etwas nicht auch in Wien hätten.
Es ist ein sehr großes Haus, das die ÖBB da errichtet haben. Ausgelegt für etwa 800 bis 1000 Mitarbeiter, in der Sockelzone zum Praterstern hin auch mit zwei Fremdvermietungen – einem Fitness-Center und demnächst wahrscheinlich einem Handy-Shop. Auf jeden Fall macht dieser Standort Sinn. Denn gleich dahinter, an der Nordbahnstraße, ist das nächste ÖBB-Haus, und schräg gegenüber, Nordbahnstraße 50, ein weiteres, besonders repräsentatives. Mir erscheint das als eine gute Konstellation, denn auch in Zeiten der totalen Vernetzung ist die Möglichkeit zur raschen persönlichen Kommunikation nicht hoch genug einzuschätzen.
Das Haus hat eine lange Geschichte – der Wettbewerb fand 2004 statt, Helmut Richter hat damals konzeptuell noch maßgeblich mitgewirkt –, und es hat einige Mutationen erfahren. Die für mich wichtigste: Der Haupteingang sollte ursprünglich gar nicht am Praterstern liegen, sondern den beiden anderen ÖBB-Gebäuden zugewandt sein. Das wäre allerdings Wahnsinn gewesen.
Da haben nicht nur die Architekten Überzeugungsarbeit geleistet, es wird sich wohl auch bei den ÖBB die Einsicht durchgesetzt haben, dass man dieses Haus nur vom Praterstern aus erschließen kann. Tatsächlich ist es ein Erlebnis, die Freitreppe hinauf- und durch die Drehtür hindurchzugehen. Da ist man mit einer Hofsituation konfrontiert – angenehm möbliert –, die Eindruck macht. Sie ist sehr großzügig und überdacht – nicht mit Glas, sondern mit einem ETFE-Folienkissendach. das ist jenes Material, das „mikroskopisch glatter“ (Willinger) als Glas ist, sich also selbst reinigt und kaum Gewicht hat, wodurch stark minimierte Konstruktionen möglich sind. Dieses Material wurde, wenn man so will, von Herzog & de Meuron in die architektonische Planungswelt eingeführt. Die kürzlich an dieser Stelle besprochenen Seilbahnstationen von Johann Obermoser sind ebenfalls damit gedeckt.
Entscheidend für das Gesamtkonzept war, eine sehr große Baumasse so zu gliedern, dass man sie versteht, dass man sich zurechtfindet. Daher gibt es zwei lange Bürotrakte – entlang der Bahn und der Nordbahnstraße –, deutlich artikulierte Erschließungskerne, die etwas zurückversetzt sind, und Verbindungstrakte, die Allgemeinfunktionen enthalten (Besprechungsräume et cetera). Über die Freitreppe bewältigt man quasi das Sockelgeschoß, um auf der Ebene des ersten Obergeschoßes – insgesamt gibt es sieben – den wunderbaren Innenhof, die großzügige Empfangshalle zu erreichen. Dort steht ein kleines, solitäres Gebäude – die Portiersloge, gleichzeitig 24-Stunden-Unterkunft mit Empfang und Ruheraum. Dieser Hofbereich, oder besser: diese Empfangshalle ist ohne Übertreibung ein Erlebnisraum.
Der gesamte Komplex wurde von den Architekten in relativ einheitliche Materialien gehüllt: selbstverständlich viel Glas, das einen leicht grünlichen Touch hat, Fassadenplatten in Grau, denen man mit gutem Willen auch einen leichten Unterton in Grün attestieren kann, silbrig eloxierte Aluminiumprofile bei den Verglasungen, die deutlich hervortreten, aber auch sehr filigran wirken. Und dann drinnen das, was in einer gelblich-braunen Verschalung ins Auge fällt, irgendwie überraschend im Kontext eines sonst so technoiden Gebäudes: Lattenroste aus zementgebundenen Hartfaserplatten, beschichtet. Man schaut sie an, denkt sich: Na, Holz kann das jedenfalls nicht sein, aber es bringt Wärme in ein sehr zeitgemäßes Gebäude. Tatsächlich war noch im Wettbewerb an eine „metallische“ Lösung gedacht, später sollte es Eiche sein, bei dieser Gebäudeklasse dürfen die Fassaden aber nicht brennbar sein – da ging nicht einmal Eiche. Die Lösung, etwas zu nehmen, das atmosphärisch die Wärme von Holz erzeugt, aber nicht so tut, als wäre es Holz, war sicher richtig.
Die Typologie Bürohaus ist an und für sich nicht sehr interessant. Büros werden aneinandergereiht, Mittelzonen gemeinschaftlich genutzt. Jeder gute Architekt wird sich bemühen, Arbeitssituationen zu schaffen, die zwar natürlich belichtet, aber auch mit Sonnenschutz ausgestattet sind, die klimatisch einfach stimmen. Die Klagen mancher Mitarbeiter über die Transparenz solcher Gebäude darf man getrost vernachlässigen. Diese Angst, bei irgendetwas beobachtet zu werden, das niemand sehen soll, wird durch Vorteil der natürlichen Belichtung bis tief ins Gebäude hinein wettgemacht.
Die Architekten hatten sich mit allerhand Vorgaben auseinanderzusetzen. Einmal war da eine Fernheizleitung, die das Grundstück quert und entsprechende statische Maßnahmen nach sich gezogen hat. Und dann gab es die Auflage eines öffentlichen Durchgangs – der nachts allerdings geschlossen wird – in Fortsetzung einer vorhandenen Passage unter der Bahntrasse. Dieser Durchgang hat immerhin ein Gesicht bekommen, dem man nicht nachsagen kann, dass es einen Restraum artikuliert.
Das Haus – es gibt auch noch ein erdgeschoßig eingeschnittenes Atrium, ein ÖBB-internes großzügiges Restaurant et cetera – hat einen Außenauftritt, der urban, zeitgemäß und großzügig ist. Es wurde allerdings gespart. Die Architekten haben das Budget sogar unterschritten, wenn auch teilweise mit einem weinenden Auge. Dass die gläsernen Lifte im hinteren Gebäudeteil gestrichen wurden, hat letztlich aber nichts mit den definitiven Kosten zu tun (das haben die Architekten rechnerisch überprüft). Es war eine Image-Frage. Den finanziell angeschlagenen ÖBB tut es derzeit gar nicht gut, allzu prominent oder repräsentativ aufzutreten. Und das hatte auf die Architektur Auswirkungen.
Immerhin: Das wundervolle Foliendach über dem Hof – sehr gut querdurchlüftbar, aber im Winter vermutlich niemals Minusgrade –, das ist allein schon seine Realisierung wert. Wäre schade, wenn wir so etwas nicht auch in Wien hätten.
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