Bauwerk
Harpa Konzerthaus und Konferenzzentrum
Henning Larsen Architects, Batteriid Architects - Reykjavik (IS) - 2011
Alles neu macht die Harfe
Letzten Samstag wurde in Reykjavík das Harpa Center eröffnet. Es ist mehr als nur ein Konzerthaus. Es ist Symbol für ein neues Island.
27. August 2011 - Wojciech Czaja
Reykjavík im Ausnahmezustand. Auf den Freilichtbühnen wird gejazzt und gerockt, die Jugendlichen schlagen volltrunken auf ihre Gitarren ein, die halbe Bevölkerung Islands, so scheint es, macht einen auf Headbanging. Rechtzeitig zum alljährlich im August stattfindenden Musikfestival Meninggarnótt wurde letztes Wochenende offiziell das neue Wahrzeichen der Stadt eröffnet: das Harpa Center.
Der gläserne Kristall im Alten Hafen ist nicht nur eines der größten und spektakulärsten Gebäude Islands, sondern auch ein mühsam und mit aller Kraft errichtetes Manifest. Ursprünglich hatte das Projekt als Public Private Partnership (PPP) begonnen. Nach dem Zusammenbruch der Banken ging das Haus in öffentlichen Besitz über. Heute befindet es sich zu 45 Prozent im Eigentum der Stadt Reykjavík und zu 55 Prozent im Eigentum des Landes.
„Als die Krise begonnen hat, war die Baustelle bereits voll im Gange, das Haus war zu 40 Prozent fertiggestellt“, erinnert sich Harpa-Direktor Höskuldur Ásgeirsson im Interview mit dem Standard. „Danach herrschte monatelang Baustopp. Es war eine mutige Entscheidung der Politiker, in so einer wirtschaftlichen Situation weiterzumachen. Doch es war die richtige Wahl.“
Mehr als hundert Jahre hatte man in Reykjavík bereits darüber diskutiert, ein eigenes Opern- und Konzertgebäude zu errichten. Mehr als hundert Jahre lang mussten sich Schauspieler, Sänger und Orchestermusiker damit begnügen, in Kirchen, Kinos, ja sogar in miefig verschwitzten Turnhallen aufzutreten. „Es war erbärmlich“, meint die zuständige Musikdirektorin Steinunn Birna Ragnarsdóttir. „Man hat als Kuratorin alles gegeben, was man konnte, doch am Ende war es nie gut. Beethovens Neunte in der Turnhalle? Ich bitte Sie ...“
Inspirationsquelle Natur
Heute ist alles anders. Opern, Jazzkonzerte, Theaterproduktionen. Im violetten Saal wird gerade das Musical Hair aufgeführt. Schon nach dem Soft-Opening im Mai - die letzten Bauarbeiten standen noch aus, die Fotos waren noch nicht geschossen - stürmten die Isländer ihren neuen Palast, der nicht nur nach der wohlklingenden Harfe im Orchestergraben benannt ist, sondern auch nach dem ersten Sommermonat im alten, nordischen Kalender.
„Island hat eine sehr reichhaltige Kultur“, meint Ósbjørn Jacobsen vom dänischen Architekturbüro Henning Larsen. Gemeinsam mit dem isländischen Partnerbüro Batteríið konnte es sich 2006 im Wettbewerb gegen internationale Kapazunder wie Jean Nouvel und Norman Foster durchsetzen. „Wo schon so viel da ist, braucht man nicht krampfhaft etwas Neues dazuerfinden. Wir haben uns von dem, was Island zu bieten hat, inspirieren lassen.“
Der Beton im ganzen Haus wurde, quasi als Metapher des so reichhaltig vorkommenden Lavagesteins auf der Atlantikinsel, mit schwarzem Pigment eingefärbt. Nur manchmal blitzen, gelb wie der abgelagerte Schwefel am Rande der Geysire, gelbe Fauteuils und gelb beleuchtete Nischen aus der schwarzen Masse.
Auffälligstes Merkmal des Harpa Centers ist jedoch die dreidimensional geformte Südfassade, ein Entwurf des isländisch-dänischen Künstlers Olafur Eliasson. Die sechseckigen Prismen, rund tausend an der Zahl, erinnern an Basalt. Sobald das flüssige Lavagestein aushärtet, bildet sich darin ein hexagonales Kristallgitter. Ganz Island ist übersät von diesen schroffen, prismatisch abgebrochenen Felsformationen, die Eliasson als Grundlage für die Fassade dienten. Clever: Die prismatische Konstruktion der Außenhülle ist nicht nur Schmuck, sondern auch Wärmepuffer und Traggerüst für das Dach.
Herzstück des Harpa Centers ist neben drei kleineren Aufführungssälen der große Konzertsaal mit 1800 Sitzplätzen. Der holzvertäfelte Saal ist so feurig rot wie das Magma im Eyjafjallajökull. Zur Eröffnung am Samstag sägten und kreischten sich die Geiger durch Prokofjews Montagues und Capulets aus Romeo und Julia. Die Akustik war perfekt.
„Bühnentechnik und Akustik sind sehr aufwändig“, sagt Manfred Paulus, Projektleiter beim österreichischen Stahlbauer Waagner-Biro, der für die Architektur hinter den Kulissen zuständig war. „Es gibt nicht so viele Aufführungsmöglichkeiten in Reykjavík, also wurde alles Mögliche daran gesetzt, sich für unterschiedliche Bühnenformen zu wappnen, vom minimalistischen Sprechtheater bis zum großen russischen Konzert.“
Viel Beton, viel Echo
Je nach Anforderung können im Bühnenbereich und im Publikum bis zu 18 Meter lange, herabhängende Filzwände ausgerollt werden. Dann ist der Saal weich und dumpf gepolstert. Soll die Nachhallzeit jedoch verlängert werden, können bis zu 78 riesige Klappen geöffnet werden, die das Volumen des Saales deutlich vergrößern. In den betonierten Hohlräumen hinter der Bühne, in den sogenannten Resonanzkammern, entsteht Echo in Kathedralenqualität. Die Planung für dieses akustische Meisterstück stammt vom New Yorker Akustikplaner Artec Consultants.
Viel Technik, mehr als 3000 Sitzplätze in allen Sälen, und Baukosten in der Höhe von mehr als 110 Millionen Euro - zuzüglich weiterer 50 Millionen Euro, die die Privatinvestoren bereits vor der Finanzkrise in das Projekt hineingebuttert hatten. Wozu so viel Aufwand für ein Land mit 320.000 Einwohnern?
„Das Harpa Center ist nicht nur ein Konzerthaus, sondern auch ein Konferenzzentrum mit perfekter Ausstattung und Dolmetschkabinen für bis zu neun Sprachen“, sagt Harpa-Chef Ásgeirsson voller Stolz. „Island will sich damit auf die internationale Landkarte katapultieren. Ab sofort wollen wir nicht nur spektakuläre Landschaft bieten, sondern auch hochrangige Konzerte und Möglichkeiten für internationale Konferenzen.“
Die Isländer haben wenig Sinn für Humor. Sie meinen es ernst. Auf dem Grundstück daneben wird ein Konferenzhotel mit 400 Zimmern errichtet. Die Baugrube ist bereits ausgehoben. Der Tatendrang ist ungebrochen. Das Projekt „Island neu“ geht damit in die nächste Runde.
Der gläserne Kristall im Alten Hafen ist nicht nur eines der größten und spektakulärsten Gebäude Islands, sondern auch ein mühsam und mit aller Kraft errichtetes Manifest. Ursprünglich hatte das Projekt als Public Private Partnership (PPP) begonnen. Nach dem Zusammenbruch der Banken ging das Haus in öffentlichen Besitz über. Heute befindet es sich zu 45 Prozent im Eigentum der Stadt Reykjavík und zu 55 Prozent im Eigentum des Landes.
„Als die Krise begonnen hat, war die Baustelle bereits voll im Gange, das Haus war zu 40 Prozent fertiggestellt“, erinnert sich Harpa-Direktor Höskuldur Ásgeirsson im Interview mit dem Standard. „Danach herrschte monatelang Baustopp. Es war eine mutige Entscheidung der Politiker, in so einer wirtschaftlichen Situation weiterzumachen. Doch es war die richtige Wahl.“
Mehr als hundert Jahre hatte man in Reykjavík bereits darüber diskutiert, ein eigenes Opern- und Konzertgebäude zu errichten. Mehr als hundert Jahre lang mussten sich Schauspieler, Sänger und Orchestermusiker damit begnügen, in Kirchen, Kinos, ja sogar in miefig verschwitzten Turnhallen aufzutreten. „Es war erbärmlich“, meint die zuständige Musikdirektorin Steinunn Birna Ragnarsdóttir. „Man hat als Kuratorin alles gegeben, was man konnte, doch am Ende war es nie gut. Beethovens Neunte in der Turnhalle? Ich bitte Sie ...“
Inspirationsquelle Natur
Heute ist alles anders. Opern, Jazzkonzerte, Theaterproduktionen. Im violetten Saal wird gerade das Musical Hair aufgeführt. Schon nach dem Soft-Opening im Mai - die letzten Bauarbeiten standen noch aus, die Fotos waren noch nicht geschossen - stürmten die Isländer ihren neuen Palast, der nicht nur nach der wohlklingenden Harfe im Orchestergraben benannt ist, sondern auch nach dem ersten Sommermonat im alten, nordischen Kalender.
„Island hat eine sehr reichhaltige Kultur“, meint Ósbjørn Jacobsen vom dänischen Architekturbüro Henning Larsen. Gemeinsam mit dem isländischen Partnerbüro Batteríið konnte es sich 2006 im Wettbewerb gegen internationale Kapazunder wie Jean Nouvel und Norman Foster durchsetzen. „Wo schon so viel da ist, braucht man nicht krampfhaft etwas Neues dazuerfinden. Wir haben uns von dem, was Island zu bieten hat, inspirieren lassen.“
Der Beton im ganzen Haus wurde, quasi als Metapher des so reichhaltig vorkommenden Lavagesteins auf der Atlantikinsel, mit schwarzem Pigment eingefärbt. Nur manchmal blitzen, gelb wie der abgelagerte Schwefel am Rande der Geysire, gelbe Fauteuils und gelb beleuchtete Nischen aus der schwarzen Masse.
Auffälligstes Merkmal des Harpa Centers ist jedoch die dreidimensional geformte Südfassade, ein Entwurf des isländisch-dänischen Künstlers Olafur Eliasson. Die sechseckigen Prismen, rund tausend an der Zahl, erinnern an Basalt. Sobald das flüssige Lavagestein aushärtet, bildet sich darin ein hexagonales Kristallgitter. Ganz Island ist übersät von diesen schroffen, prismatisch abgebrochenen Felsformationen, die Eliasson als Grundlage für die Fassade dienten. Clever: Die prismatische Konstruktion der Außenhülle ist nicht nur Schmuck, sondern auch Wärmepuffer und Traggerüst für das Dach.
Herzstück des Harpa Centers ist neben drei kleineren Aufführungssälen der große Konzertsaal mit 1800 Sitzplätzen. Der holzvertäfelte Saal ist so feurig rot wie das Magma im Eyjafjallajökull. Zur Eröffnung am Samstag sägten und kreischten sich die Geiger durch Prokofjews Montagues und Capulets aus Romeo und Julia. Die Akustik war perfekt.
„Bühnentechnik und Akustik sind sehr aufwändig“, sagt Manfred Paulus, Projektleiter beim österreichischen Stahlbauer Waagner-Biro, der für die Architektur hinter den Kulissen zuständig war. „Es gibt nicht so viele Aufführungsmöglichkeiten in Reykjavík, also wurde alles Mögliche daran gesetzt, sich für unterschiedliche Bühnenformen zu wappnen, vom minimalistischen Sprechtheater bis zum großen russischen Konzert.“
Viel Beton, viel Echo
Je nach Anforderung können im Bühnenbereich und im Publikum bis zu 18 Meter lange, herabhängende Filzwände ausgerollt werden. Dann ist der Saal weich und dumpf gepolstert. Soll die Nachhallzeit jedoch verlängert werden, können bis zu 78 riesige Klappen geöffnet werden, die das Volumen des Saales deutlich vergrößern. In den betonierten Hohlräumen hinter der Bühne, in den sogenannten Resonanzkammern, entsteht Echo in Kathedralenqualität. Die Planung für dieses akustische Meisterstück stammt vom New Yorker Akustikplaner Artec Consultants.
Viel Technik, mehr als 3000 Sitzplätze in allen Sälen, und Baukosten in der Höhe von mehr als 110 Millionen Euro - zuzüglich weiterer 50 Millionen Euro, die die Privatinvestoren bereits vor der Finanzkrise in das Projekt hineingebuttert hatten. Wozu so viel Aufwand für ein Land mit 320.000 Einwohnern?
„Das Harpa Center ist nicht nur ein Konzerthaus, sondern auch ein Konferenzzentrum mit perfekter Ausstattung und Dolmetschkabinen für bis zu neun Sprachen“, sagt Harpa-Chef Ásgeirsson voller Stolz. „Island will sich damit auf die internationale Landkarte katapultieren. Ab sofort wollen wir nicht nur spektakuläre Landschaft bieten, sondern auch hochrangige Konzerte und Möglichkeiten für internationale Konferenzen.“
Die Isländer haben wenig Sinn für Humor. Sie meinen es ernst. Auf dem Grundstück daneben wird ein Konferenzhotel mit 400 Zimmern errichtet. Die Baugrube ist bereits ausgehoben. Der Tatendrang ist ungebrochen. Das Projekt „Island neu“ geht damit in die nächste Runde.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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