Bauwerk
Hotel Pupp
bergmeisterwolf architekten, Christian Schwienbacher - Brixen (I) - 2011
Genuss in der Schublade
Apfel, Mohn, Vanille oder Kaffee lauten im Inneren die Farbvorgaben, schließlich ist ja gleich nebenan eine renommierte Konditorei. Das Hotel Pupp in Brixen, Südtirol: Bauen im Bestand, appetitanregend.
11. August 2012 - Iris Meder
Südtirol stand während einer durchaus beträchtlichen Zeitspanne in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem für billige Busreisen, billigen Wein und gespritztes Obst, galt also nicht gerade als Sehnsuchtsziel junger, urbaner Genussmenschen. Dass sich daran in den vergangenen Jahren einiges geändert hat, ist allerdings nicht zu übersehen. Die Therme Meran etwa, konzipiert vom Berliner Architekturbüro Baumann und Zillich (mit Innenausstattung von Lokalmatador Matteo Thun), setzte 2006 ein Zeichen für eine Stadt, deren touristisches Angebot sich nunmehr auch an ein Lifestyle-orientiertes Publikum wenden wollte.
Ein weiteres Beispiel neben Meran ist Brixen, eine historische Stadt mit mittelalterlichem Kern, halb alpin, halb italienisch anmutenden Plätzen und Laubengängen, unterbrochen von weitläufigen Gartenanlagen aus fürstbischöflichem Besitz. Im Jahr 2004 wurde die 20.000-Einwohner-Stadt am Eisack zusätzlich zur bestehenden Philosophisch-Theologischen Hochschule um einen externen Standort der Universität Bozen bereichert.
Das neue Institutsgebäude am westlichen Rand der Altstadt nimmt mit seiner quadratischen Vierflügelanlage in Disposition und Dimension Bezug auf die vis-à-vis gelegene Hofburg. Der sich asketisch und karg gebende Sichtbetonbau der Stuttgarter Architekten Kohlmayer und Oberst war, nach Othmar Barths 1962 neben dem Priesterseminar am gegenüberliegenden östlichen Rand der Altstadt entstandenem Eisenbeton-Sichtziegel-Bau der Cusanus-Akademie, ein weiteres gelungenes Beispiel zeitgenössischen Bauens im Kontext einer historisch gewachsenen Umgebung.
Dann gab es noch das Nordende des Stadtzentrums. Dort bestand am Rand der Altstadt eine innerstädtische Brache zwischen dem in den 1990er-Jahren errichteten Erlebnisschwimmbad und der renommierten Konditorei Pupp. Für den Neubau eines kleinen Hotels initiierten die Brüder Christian und Martin Pupp 2010 einen geladenen Wettbewerb, aus dem schließlich der Entwurf des ortsansässigen Architekten Christian Schwienbacher siegreich hervorging. Dem sensiblen Standort zwischen dichter Altstadtbebauung und der heterogenen angrenzenden Mischzone wurde Schwienbacher mit einem Entwurf gerecht, der sich auf die Volumina der umgebenden Bauten bezieht, dabei aber selbstbewusst zeitgenössisch auftritt.
Leicht aus der Straßenflucht zurückversetzt, bildet die Bebauung an der Längsachse der Altstadt einen Vorplatz aus, der auch der Puppschen Konditorei einen größeren – und bereits ab dem frühen Morgen durchgehend gut besuchten – Gastgarten beschert. Wo man ein Zelebrieren der privilegierten Lage mit Ausblicken auf die pittoreske Umgebung erwartet hätte, erstrahlt ein weißer Solitär, der sich am ehesten mit einer Gruppierung dreier aufeinandergestellter, ineinanderverkeilter, auskragender Schubladen vergleichen ließe.
Besenstrich-Rauhputz, strahlend
Trotz der verglasten Eingangszone ist dieser Schubladenhaufen überraschend introvertiert – wie das eben bei Schubladen ist, die ja im Allgemeinen auch nicht nach vorne offen sind. Nur zwei Loggien mit Blick auf den Platz sind aus der weißen Quaderschichtung ausgeschnitten.
Außen und innen mit strahlend weißem, traditionellem „Besenstrich“-Rauhputz bedeckt, präsentiert sich das kompakte Haus in seinen Gastzimmern und Aufenthaltsbereichen mit kräftigen Farbakzenten. Im Inneren des von den Betreibern mit „small luxury“ beschriebenen Hotels setzt sich das Spiel mit dem Wechsel von Introvertiertheit und den als aufblitzende Extras inszenierten Ein- und Ausblicken fort. Von den nur elf, dafür aber umso großzügigeren Zimmern haben nur die beiden mit den straßenseitigen Loggien im ersten und zweiten Obergeschoß Stadtblick. Die drei Suiten im Erdgeschoss sind zu einem teils holzbeplankten, teils bepflanzten, terrassierten Hof an der Gebäuderückseite orientiert.
Mit ihren eichenen Böden und Einbaukästen, in den 1960er-Jahren vom dänischen Architekten Arne Jacobsen entworfenen klassisch-modernen „Swan Chairs“ und mit Glasmosaik ausgekleideten Badezimmern ausgestattet, folgen die einzelnen Zimmer in ihren farblichen Leitmotiven den appetitanregenden Ingredienzien der Puppschen Konditorei: Apfel, Marille, Zwetschke, Erdbeere, Mohn, Vanille, Kaffee, Kastanie, Pistazie, Schokolade und Sahne lauten die klaren Farbvorgaben.
In seiner Schubladenschichtung vermeidet der Bau auch das allzu Einfache und Eindeutige mittels leichter struktureller Verschiebungen. Hier landete man einen weiteren Glücksgriff mit der Beauftragung künstlerischer Arbeiten in Form von funktionalen Metallgittern nach Entwürfen der aus Südtirol stammenden Wiener Künstlerin Esther Stocker. Eine bessere wechselseitige Ergänzung der schicken und sehr eleganten Architektur als durch die quasi musikalischen Strukturen der leichten geometrischen Verschiebungen, die Esther Stockers lakonische Arbeiten kennzeichnen, lässt sich kaum denken.
Das überall wiederkehrende Thema der vor die Aussicht gesetzten Wände hat hier erstaunlicherweise keine klaustrophobische Einengung zur Folge, obwohl es konsequent durchgezogen wird – selbst vor das über Glaswände belichtete platzseitige Stiegenhaus legt sich eine Wandschürze, die eine Art schwebenden Lichthof vor dem Hoteleingang entstehen lässt. Das Motiv ist in Form von in ihrer Anmutung fast japanisch-meditativen, nach oben offenen introvertierten schmalen Höfen, die den übrigen Zimmern zugeordnet sind, durch das ganze Haus gezogen, das mit je 1300 Kubikmetern über gleich viel ober- und unterirdische Volumina verfügt.
Mit Belichtung über einen seitlich vorgelagerten Hof kommt viel Tageshelligkeit auch in den aus raumökonomischen Gründen in das Untergeschoß gelegten Frühstücksraum. Mit seinen bunten Charles-Eames-Schalensesseln aus den 1950er-Jahren verströmt der Raum nicht nur erfrischenden Midcentury-Chic – mit seiner Bestückung durch Christian Pupps Konditorei würde er allein schon des Frühstücks wegen jeden Aufenthalt lohnen.
Und wer dennoch einmal genug von der Introvertiertheit seines kleinen bepflanzten Höfchens haben sollte, der kann ja jederzeit den hoteleigenen Whirlpool auf der Dachterrasse mit Traumblick über Stadt und Umland nutzen.
Ein weiteres Beispiel neben Meran ist Brixen, eine historische Stadt mit mittelalterlichem Kern, halb alpin, halb italienisch anmutenden Plätzen und Laubengängen, unterbrochen von weitläufigen Gartenanlagen aus fürstbischöflichem Besitz. Im Jahr 2004 wurde die 20.000-Einwohner-Stadt am Eisack zusätzlich zur bestehenden Philosophisch-Theologischen Hochschule um einen externen Standort der Universität Bozen bereichert.
Das neue Institutsgebäude am westlichen Rand der Altstadt nimmt mit seiner quadratischen Vierflügelanlage in Disposition und Dimension Bezug auf die vis-à-vis gelegene Hofburg. Der sich asketisch und karg gebende Sichtbetonbau der Stuttgarter Architekten Kohlmayer und Oberst war, nach Othmar Barths 1962 neben dem Priesterseminar am gegenüberliegenden östlichen Rand der Altstadt entstandenem Eisenbeton-Sichtziegel-Bau der Cusanus-Akademie, ein weiteres gelungenes Beispiel zeitgenössischen Bauens im Kontext einer historisch gewachsenen Umgebung.
Dann gab es noch das Nordende des Stadtzentrums. Dort bestand am Rand der Altstadt eine innerstädtische Brache zwischen dem in den 1990er-Jahren errichteten Erlebnisschwimmbad und der renommierten Konditorei Pupp. Für den Neubau eines kleinen Hotels initiierten die Brüder Christian und Martin Pupp 2010 einen geladenen Wettbewerb, aus dem schließlich der Entwurf des ortsansässigen Architekten Christian Schwienbacher siegreich hervorging. Dem sensiblen Standort zwischen dichter Altstadtbebauung und der heterogenen angrenzenden Mischzone wurde Schwienbacher mit einem Entwurf gerecht, der sich auf die Volumina der umgebenden Bauten bezieht, dabei aber selbstbewusst zeitgenössisch auftritt.
Leicht aus der Straßenflucht zurückversetzt, bildet die Bebauung an der Längsachse der Altstadt einen Vorplatz aus, der auch der Puppschen Konditorei einen größeren – und bereits ab dem frühen Morgen durchgehend gut besuchten – Gastgarten beschert. Wo man ein Zelebrieren der privilegierten Lage mit Ausblicken auf die pittoreske Umgebung erwartet hätte, erstrahlt ein weißer Solitär, der sich am ehesten mit einer Gruppierung dreier aufeinandergestellter, ineinanderverkeilter, auskragender Schubladen vergleichen ließe.
Besenstrich-Rauhputz, strahlend
Trotz der verglasten Eingangszone ist dieser Schubladenhaufen überraschend introvertiert – wie das eben bei Schubladen ist, die ja im Allgemeinen auch nicht nach vorne offen sind. Nur zwei Loggien mit Blick auf den Platz sind aus der weißen Quaderschichtung ausgeschnitten.
Außen und innen mit strahlend weißem, traditionellem „Besenstrich“-Rauhputz bedeckt, präsentiert sich das kompakte Haus in seinen Gastzimmern und Aufenthaltsbereichen mit kräftigen Farbakzenten. Im Inneren des von den Betreibern mit „small luxury“ beschriebenen Hotels setzt sich das Spiel mit dem Wechsel von Introvertiertheit und den als aufblitzende Extras inszenierten Ein- und Ausblicken fort. Von den nur elf, dafür aber umso großzügigeren Zimmern haben nur die beiden mit den straßenseitigen Loggien im ersten und zweiten Obergeschoß Stadtblick. Die drei Suiten im Erdgeschoss sind zu einem teils holzbeplankten, teils bepflanzten, terrassierten Hof an der Gebäuderückseite orientiert.
Mit ihren eichenen Böden und Einbaukästen, in den 1960er-Jahren vom dänischen Architekten Arne Jacobsen entworfenen klassisch-modernen „Swan Chairs“ und mit Glasmosaik ausgekleideten Badezimmern ausgestattet, folgen die einzelnen Zimmer in ihren farblichen Leitmotiven den appetitanregenden Ingredienzien der Puppschen Konditorei: Apfel, Marille, Zwetschke, Erdbeere, Mohn, Vanille, Kaffee, Kastanie, Pistazie, Schokolade und Sahne lauten die klaren Farbvorgaben.
In seiner Schubladenschichtung vermeidet der Bau auch das allzu Einfache und Eindeutige mittels leichter struktureller Verschiebungen. Hier landete man einen weiteren Glücksgriff mit der Beauftragung künstlerischer Arbeiten in Form von funktionalen Metallgittern nach Entwürfen der aus Südtirol stammenden Wiener Künstlerin Esther Stocker. Eine bessere wechselseitige Ergänzung der schicken und sehr eleganten Architektur als durch die quasi musikalischen Strukturen der leichten geometrischen Verschiebungen, die Esther Stockers lakonische Arbeiten kennzeichnen, lässt sich kaum denken.
Das überall wiederkehrende Thema der vor die Aussicht gesetzten Wände hat hier erstaunlicherweise keine klaustrophobische Einengung zur Folge, obwohl es konsequent durchgezogen wird – selbst vor das über Glaswände belichtete platzseitige Stiegenhaus legt sich eine Wandschürze, die eine Art schwebenden Lichthof vor dem Hoteleingang entstehen lässt. Das Motiv ist in Form von in ihrer Anmutung fast japanisch-meditativen, nach oben offenen introvertierten schmalen Höfen, die den übrigen Zimmern zugeordnet sind, durch das ganze Haus gezogen, das mit je 1300 Kubikmetern über gleich viel ober- und unterirdische Volumina verfügt.
Mit Belichtung über einen seitlich vorgelagerten Hof kommt viel Tageshelligkeit auch in den aus raumökonomischen Gründen in das Untergeschoß gelegten Frühstücksraum. Mit seinen bunten Charles-Eames-Schalensesseln aus den 1950er-Jahren verströmt der Raum nicht nur erfrischenden Midcentury-Chic – mit seiner Bestückung durch Christian Pupps Konditorei würde er allein schon des Frühstücks wegen jeden Aufenthalt lohnen.
Und wer dennoch einmal genug von der Introvertiertheit seines kleinen bepflanzten Höfchens haben sollte, der kann ja jederzeit den hoteleigenen Whirlpool auf der Dachterrasse mit Traumblick über Stadt und Umland nutzen.
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