Bauwerk
Öffentliches WC Altstadt
Rainer Köberl, Daniela Kröss - Innsbruck (A) - 2011
Gut fürs Geschäft
Über Räumlichkeiten, die den Innsbruckern und ihren Besuchern dringende und andere Bedürfnisse erfüllen: zwei Gestaltungen des Architekten Rainer Köberl.
7. Januar 2012 - Franziska Leeb
Immer wieder verstand es der Innsbrucker Architekt Rainer Köberl, auch ihrem Zweck nach kommerziell orientierten Bauaufgaben so etwas wie „kulturellen Mehrwert“ zu verleihen. Ob ihm das in letzter Zeit nicht dennoch schön langsam zu wenig Inhalt sei, als Bauaufgaben vor allem Supermärkte, Boutiquen, Lokale und nun auch eine Bank zu gestalten? Klar, ein Museum, eine Kirche oder eine Moschee wären schon auch tolle Bauaufgaben, über die er sich freuen würde. Aber jede Aufgabe, so Köberl, habe einen wahren Inhalt. Den herauszuschälen, zu interpretieren und ihm Form zu geben hatte er im vergangenen Halbjahr anhand von recht weltlichen Bauten dreimal Gelegenheit.
Am Innsbrucker Mitterweg schuf er zwei Bauten für Auftraggeber, die beide mehrfach baukulturelles Verantwortungsbewusstsein bewiesen haben. Für M-Preis, jene Lebensmittelmarktkette, die kontinuierlich architektonisch ordentliche, oft auch herausragende Filialen realisiert, schuf Köberl seinen nun bereits vierten Markt, und in der gleichen Straße, näher am Stadtzentrum, eine Geschäftsstelle der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV). Beide sind Oasen im heterogenen Dickicht der beginnenden Stadtperipherie, wo ein wilder Mix an Gewerbe- und Wohnbauten wenig städtebaulichen Halt gibt und gestalterisch dem Motto „anything goes“ gehuldigt wird. Mit dem sehr luftigen, die Horizontale betonenden Supermarkt, den er mit Durchblicken auf begrünte Dachflächen und anderen Feinheiten veredelte, absorbiert Köberl recht geschickt den rauen Charme der Umgebung.
Mit der Bank hingegen, mit der wir uns hier ausführlicher befassen wollen, schuf er eine Stadtmarke, die aus dem unmittelbaren Rundherum ungeniert hervorsticht, sich davon distanziert und in großräumigerem Kontext gedacht ist.
Die BTV schreibt regelmäßig in den namensgebenden Bundesländern einen Bauherrenpreis aus. Mehrfach hat man sich selbst als verdienter Auftraggeber hervorgetan. Für das Grundstück am Mitterweg, auf dem es in einem Neubau zwei bestehenden Filialen in eine neue Geschäftsstelle überzuführen und zusätzliche vermietbare Geschäftsflächen zu schaffen galt, wurde ein geladener Architekturwettbewerb ausgelobt. Wiewohl es Signale gab, „etwas Kubisches“ im Sinn zu haben, widersetzte sich Köberl den Wünschen der Banker und schuf eine Art Pyramidenstumpf, der markant in die Höhe ragt. Nach einer ersten Wettbewerbsphase kam man zur Erkenntnis, das Grundstück sei zu knapp bemessen, um im Erdgeschoß der Bankfiliale ausreichend Entfaltungsmöglichkeit zu geben, und kürte keinen Sieger. Nachdem der Bauplatz um einen Zwickel erweitert werden konnte, schrieb man den Wettbewerb unter den gleichen vier Teilnehmern erneut aus. Köberl (Mitarbeit: Christopher Perchtold) bewarb sich wie zuvor mit einem extravaganten, völlig „unkubischen“ Entwurf und reüssierte.
Die auffällige Form gibt dem Gebäude Präsenz im Wirrwarr der frequentierten Vorstadtstraße. Köberl stellt sie in Bezug zu anderen markanten Baulichkeiten in der weiteren Umgebung, wie der weithin sichtbaren Allerheiligenkirche von Clemens Holzmeister, Josef Lackners Schule am Fürstenweg oder dem ehemaligen Pulverturm, der in Verlängerung der Achse des Mitterweg beim Flughafen liegt. Die sichtbare Gebäudehülle ist ein durchlässiger Filter, der das eigentliche – verglaste – Gebäude umhüllt.
Sie besteht aus schachbrettmusterartig auf einer Stahlkonstruktion angeordneten Platten aus glasfaserverstärktem Beton, deren Größe variiert, um trotz der geneigten Flächen durchgehend die horizontalen Linien beizubehalten. Der weiße Schleier wirft Licht-Schatten-Muster auf die Umgrenzungsmauer und in die Innenräume. Er schützt vor Einblicken und bewahrt von innen vor dem direkten Blick auf die wenig attraktive Nachbarschaft, lenkt diesen aber auch durch einzelne Fenster in die „schöne“ Umgebung – auf die Berge und in den Himmel.
Geerdet wird die luftige Figur durch eine Betonwand, die sich um das Gebäude windet. Sie begleitet die Zufahrt in die Tiefgarage und umgrenzt zwei Refugien im Freien: ein begrüntes Atrium an der Rückseite und eine mit zwei Fächerahornbüschen ausgestattete Terrasse, die östlich an die Besprechungsräume im Obergeschoß anschließt. Die verbaute Fläche ist knapp, Köberl wusste sie raffiniert zu nutzen und hat das Kunststück zuwege gebracht, dass sich das Gebäude von innen größer anfühlt als von außen, dies auch dank einer schlichten, aber edlen Innenausstattung mit Böden aus grau-weißem Terrazzo und von Köberl maßgeschneidert entworfenem Mobiliar im Schalterbereich. „Hirnförmiges“ Nussholz hat der Architekt hier sinnigerweise eingesetzt, und damit spielt er auch auf das bei Bankgeschäften notwendige Vorausdenken an, wie auch der karierte Schleier als Metapher für das „durchaus nicht nur sichere, sondern auch fragile Bankwesens“ zu deuten wäre.
Einem anderen Geschäft dient Köberl jüngstes Projekt. An die 20 Jahre schon suchte die Stadt nach einem Raum für eine öffentliche Toilette, bislang ein Manko in der prosperierenden Altstadt. Rainer Köberl, der es immer wieder verstand, unauffälligen Orten neue Reize zu verleihen, half bei der Suche und wurde im Parterre des historischen Stadtturms, wo seit den 1970er-Jahren die Stadtturmgalerie angesiedelt war, fündig. Vor etwa zehn Jahren wurde sie erweitert. Köberl ärgerte sich bereits damals darüber, dass man Geld in die Erweiterung steckt, anstatt den Künstlern bessere Räumlichkeiten zu beschaffen. Er schlug vor, die Bedürfnisanstalt hier unterzubringen, und durfte sie auch gestalten: in Gold und Schwarz, sehr großzügig, wobei Köberl die damalige Erweiterung nun recht gelegen kam, stellte sie ihm doch helle Räume zur Verfügung, wie man sie ansonsten für ein WC kaum anzudenken wagt. Eine Bank zum Rasten im Kassenbereich und der dahinter liegende Hof werten das stille Örtchen zu einem Ort der Stille auf, an dem es sich ein paar Schritte abseits des Trubels gut ausruhen lässt. Und die Stadtturmgalerie? Sie bekam neue Räume in der nahen Hofburg.
Am Innsbrucker Mitterweg schuf er zwei Bauten für Auftraggeber, die beide mehrfach baukulturelles Verantwortungsbewusstsein bewiesen haben. Für M-Preis, jene Lebensmittelmarktkette, die kontinuierlich architektonisch ordentliche, oft auch herausragende Filialen realisiert, schuf Köberl seinen nun bereits vierten Markt, und in der gleichen Straße, näher am Stadtzentrum, eine Geschäftsstelle der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV). Beide sind Oasen im heterogenen Dickicht der beginnenden Stadtperipherie, wo ein wilder Mix an Gewerbe- und Wohnbauten wenig städtebaulichen Halt gibt und gestalterisch dem Motto „anything goes“ gehuldigt wird. Mit dem sehr luftigen, die Horizontale betonenden Supermarkt, den er mit Durchblicken auf begrünte Dachflächen und anderen Feinheiten veredelte, absorbiert Köberl recht geschickt den rauen Charme der Umgebung.
Mit der Bank hingegen, mit der wir uns hier ausführlicher befassen wollen, schuf er eine Stadtmarke, die aus dem unmittelbaren Rundherum ungeniert hervorsticht, sich davon distanziert und in großräumigerem Kontext gedacht ist.
Die BTV schreibt regelmäßig in den namensgebenden Bundesländern einen Bauherrenpreis aus. Mehrfach hat man sich selbst als verdienter Auftraggeber hervorgetan. Für das Grundstück am Mitterweg, auf dem es in einem Neubau zwei bestehenden Filialen in eine neue Geschäftsstelle überzuführen und zusätzliche vermietbare Geschäftsflächen zu schaffen galt, wurde ein geladener Architekturwettbewerb ausgelobt. Wiewohl es Signale gab, „etwas Kubisches“ im Sinn zu haben, widersetzte sich Köberl den Wünschen der Banker und schuf eine Art Pyramidenstumpf, der markant in die Höhe ragt. Nach einer ersten Wettbewerbsphase kam man zur Erkenntnis, das Grundstück sei zu knapp bemessen, um im Erdgeschoß der Bankfiliale ausreichend Entfaltungsmöglichkeit zu geben, und kürte keinen Sieger. Nachdem der Bauplatz um einen Zwickel erweitert werden konnte, schrieb man den Wettbewerb unter den gleichen vier Teilnehmern erneut aus. Köberl (Mitarbeit: Christopher Perchtold) bewarb sich wie zuvor mit einem extravaganten, völlig „unkubischen“ Entwurf und reüssierte.
Die auffällige Form gibt dem Gebäude Präsenz im Wirrwarr der frequentierten Vorstadtstraße. Köberl stellt sie in Bezug zu anderen markanten Baulichkeiten in der weiteren Umgebung, wie der weithin sichtbaren Allerheiligenkirche von Clemens Holzmeister, Josef Lackners Schule am Fürstenweg oder dem ehemaligen Pulverturm, der in Verlängerung der Achse des Mitterweg beim Flughafen liegt. Die sichtbare Gebäudehülle ist ein durchlässiger Filter, der das eigentliche – verglaste – Gebäude umhüllt.
Sie besteht aus schachbrettmusterartig auf einer Stahlkonstruktion angeordneten Platten aus glasfaserverstärktem Beton, deren Größe variiert, um trotz der geneigten Flächen durchgehend die horizontalen Linien beizubehalten. Der weiße Schleier wirft Licht-Schatten-Muster auf die Umgrenzungsmauer und in die Innenräume. Er schützt vor Einblicken und bewahrt von innen vor dem direkten Blick auf die wenig attraktive Nachbarschaft, lenkt diesen aber auch durch einzelne Fenster in die „schöne“ Umgebung – auf die Berge und in den Himmel.
Geerdet wird die luftige Figur durch eine Betonwand, die sich um das Gebäude windet. Sie begleitet die Zufahrt in die Tiefgarage und umgrenzt zwei Refugien im Freien: ein begrüntes Atrium an der Rückseite und eine mit zwei Fächerahornbüschen ausgestattete Terrasse, die östlich an die Besprechungsräume im Obergeschoß anschließt. Die verbaute Fläche ist knapp, Köberl wusste sie raffiniert zu nutzen und hat das Kunststück zuwege gebracht, dass sich das Gebäude von innen größer anfühlt als von außen, dies auch dank einer schlichten, aber edlen Innenausstattung mit Böden aus grau-weißem Terrazzo und von Köberl maßgeschneidert entworfenem Mobiliar im Schalterbereich. „Hirnförmiges“ Nussholz hat der Architekt hier sinnigerweise eingesetzt, und damit spielt er auch auf das bei Bankgeschäften notwendige Vorausdenken an, wie auch der karierte Schleier als Metapher für das „durchaus nicht nur sichere, sondern auch fragile Bankwesens“ zu deuten wäre.
Einem anderen Geschäft dient Köberl jüngstes Projekt. An die 20 Jahre schon suchte die Stadt nach einem Raum für eine öffentliche Toilette, bislang ein Manko in der prosperierenden Altstadt. Rainer Köberl, der es immer wieder verstand, unauffälligen Orten neue Reize zu verleihen, half bei der Suche und wurde im Parterre des historischen Stadtturms, wo seit den 1970er-Jahren die Stadtturmgalerie angesiedelt war, fündig. Vor etwa zehn Jahren wurde sie erweitert. Köberl ärgerte sich bereits damals darüber, dass man Geld in die Erweiterung steckt, anstatt den Künstlern bessere Räumlichkeiten zu beschaffen. Er schlug vor, die Bedürfnisanstalt hier unterzubringen, und durfte sie auch gestalten: in Gold und Schwarz, sehr großzügig, wobei Köberl die damalige Erweiterung nun recht gelegen kam, stellte sie ihm doch helle Räume zur Verfügung, wie man sie ansonsten für ein WC kaum anzudenken wagt. Eine Bank zum Rasten im Kassenbereich und der dahinter liegende Hof werten das stille Örtchen zu einem Ort der Stille auf, an dem es sich ein paar Schritte abseits des Trubels gut ausruhen lässt. Und die Stadtturmgalerie? Sie bekam neue Räume in der nahen Hofburg.
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